Dass Preise in der vom Auftraggeber geforderten Form aufgeschlüsselt angeboten werden müssen, hat sich mittlerweile größtenteils herumgesprochen; ebenso die Rechtsfolge eines Verstoßes: der zwingende Ausschluss des betreffenden Angebotes. Etwas schwieriger ist die Frage zu beantworten, welche Anforderungen an die Indizienlage zu stellen sind, damit sie einen derartigen Ausschluss begründet – zumal der Bundesgerichtshof (BGH) hierzu kürzlich ebenfalls ein wegweisendes Urteil gefasst hat.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Das OLG München hat zu dieser Frage Stellung genommen (Beschluss vom 17.04.2019, Verg 13 / 18) und sich dabei auf das BGH-Urteil vom 19.06.2018 (X ZR 100/16) bezogen.

Zum Sachverhalt

Eine Vergabestelle schrieb die Vergabe eines Bauauftrags für Abbruch- und Entsorgungsarbeiten im Offenen Verfahren aus.

Insgesamt gaben acht Unternehmen ein Angebot ab. Das Angebot der späteren Antragstellerin wies insbesondere die Besonderheit auf, dass verschiedene Preispositionen erheblich von den Preisen der Wettbewerber abwichen, wobei sie teilweise über- und unterschritten wurden. Nach ergebnislosen Aufklärungsversuchen der Vergabestelle schloss sie dieses Angebot wegen vermeintlicher Mischkalkulation aus.

Daraufhin stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag. Dieser hatte bei der Vergabekammer Erfolg, wogegen nunmehr die Vergabestelle ihrerseits sofortige Beschwerde eingelegt hat.

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Zur Entscheidung

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hatte in der Sache Erfolg; der Beschluss der Vergabekammer wurde aufgehoben.

Nach Ansicht des Vergabesenats hatte die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin zu Recht von der Wertung gemäß § 16 EU Nr. 3, § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A wegen einer unzulässigen Mischkalkulation ausgeschlossen.

Es sei einem Bieter grundsätzlich nicht schlechthin verwehrt, einzelne Positionen unter seinen Kosten anzubieten. Dies bedeute aber nicht, dass der Bieter seine zu deckenden Gesamtkosten nach Belieben einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zuordnen dürfe. Öffentliche Auftraggeber hätten grundsätzlich ein Interesse daran, dass die Preise durchweg korrekt angegeben werden, denn Zahlungspflichten der Auftraggeber könnten durch Verlagerung einzelner Preisbestandteile manipuliert werden. Verlagert der Bieter die für einzelne Positionen seines Leistungsverzeichnisses eigentlich vorgesehenen Preise ganz oder teilweise in andere Positionen, greife § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A daher grundsätzlich ein, wobei der Vergabesenat auf das BGH-Urteil vom 19.06.2018, X ZR 100/16 verwies

Hinsichtlich der Beweislage führte das Gericht aus, dass eine Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, eine solche unzulässige Preisverlagerung indiziere. Könne der Bieter die Indizwirkung nicht erschüttern, rechtfertige dies die Annahme, dass das Angebot nicht die geforderten Preisangaben enthalte und daher auszuschließen sei.

Dabei sei es nicht entscheidend, aus welchen Gründen ein Bieter in seinem Angebot Einheitspreise für bestimmte Leistungspositionen auf andere Leistungspositionen verteile. Beispielsweise sei unerheblich, ob er auf Mengenverschiebungen spekuliere oder besonders hohe anfängliche Abschlagszahlungen auslösen möchte.

Wie der Vergabesenat ausdrücklich ausführte, müsse sich die Vergabestelle bei der Aufklärung nicht mit jeder beliebigen Erklärung des Bieters zufrieden geben. Zwar komme der Erklärung eines Bieters, wonach seine Preise der tatsächlichen Kalkulation entsprächen, erhebliches Gewicht zu. Lägen jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vor, sei die Vergabestelle nicht gezwungen, sich mit einer solchen Auskunft zufrieden zu geben; es komme ein Ausschluss gleichwohl in Betracht (unter Hinweis auf OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.08.2005, 11 Verg 7/05; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.01.2018, Verg 3/17).

Anders sei der Fall zu beurteilen, wenn der Bieter nur die von einem Subunternehmer geforderten Preise übernehme. Dann werden die Preise gleichsam durchgestellt und es fehle an der Vermutung von Preisverlagerungen. Von erheblichem Gewicht sei ferner, wenn die nach außen deklarierten Einheitspreise in den privaten Kalkulationsgrundlagen ihre Entsprechung fänden (unter Verweis auf OLG Thüringen, Beschluss vom 23.01.2006, 9 Verg 8/05).

Gemessen an diesen allgemeinen Grundsätzen, die jüngst durch den BGH in dem o.g. Urteil angewendet wurden, läge in dem konkreten Fall bezüglich zweier Positionen eine Mischkalkulation vor.

  • Für die Entsorgung von Beton der Belastungsklasse Z 1.1 gab die Antragstellerin einen deutlichen Negativpreis an, d.h. eine mehr als nur unerhebliche Vergütung zugunsten der Vergabestelle. Im Unterschied dazu forderten sämtliche anderen Bieter für die Entsorgung dieses Betons einen erheblich höheren Preis.
  • Umgekehrt forderte die Antragstellerin für die Entsorgung von Beton der Entsorgungsklasse Z 1.2 einen deutlich höheren Preis als die Mitbieter.

Der Vergleich mit den Preisen der Mitbieter sei vorliegend auch aussagekräftig, da es sich immerhin um sieben weitere Angebote handele.

Der Vergabesenat wies auf einen Korrelationsmechanismus hin: Je nach Einstufung des abgebauten Betons handele es sich um solchen der Entsorgungsklasse Z 1.1 oder der Entsorgungsklasse Z 1.2. Im Leistungsverzeichnis seien für den Beton Z 1.1 eine Menge von 12.000 t, für den zu entsorgenden Beton Z 1.2 lediglich 1.000 t angesetzt. Damit führe einerseits die angebotene Vergütung für den Beton Z 1.1 dazu, dass die Bieterin ein besonders günstiges Angebot abgeben könne. Umgekehrt würden etwaige Mengenverschiebungen von Beton der Entsorgungsklasse Z 1.1. zu Beton der Entsorgungsklasse Z 1.2 eine deutliche wirtschaftliche Verbesserung für die Antragstellerin bewirken.

Nach Ansicht des Vergabesenats legten diese Gesamtumstände die Vermutung nahe, dass marktüblich Kosten für die Entsorgung des Betons der Klasse Z 1.1 anfielen und die Antragstellerin diese in die hohe geforderte Vergütung für die Entsorgung des Betons der Klasse Z 1.2 eingepreist habe.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Die Antragstellerin habe diese Indizwirkung nicht erschüttert.

Die Antragstellerin habe lediglich schriftlich darauf hingewiesen, dass die Einheitspreise zu den betreffenden Leistungsverzeichnis-Positionen „ohne Weiteres“ dem Marktpreisgefüge entsprächen. Der ausgewiesene angebliche Negativpreis sei „für den Marktkenner offenkundig am Markt zu erzielen“. Es bestehe für den Bieter im Vergabeverfahren auch keine Pflicht oder Obliegenheit, seiner Urkalkulation ein Angebot von Dritten (Nachunternehmern) zugrunde zu legen. Ein Bieter dürfe seine Urkalkulation auch anhand von Erfahrungswerten erstellen.

Nach Ansicht der Vergabestelle vermögen diese Ausführungen die ganz erhebliche Differenz zwischen den von der Antragstellerin angesetzten Preisen und denjenigen sämtlicher anderer Bieter nicht zu erklären. Konkretere Ausführungen zu den „Erfahrungswerten“ oder dem „Marktpreisgefüge“ fänden sich nicht. Der Vergabesenat hat sich dabei intensiv mit den Behauptungen und dem Vorbringen der Antragstellerin auseinandergesetzt, im Ergebnis aber deren Argumente abgelehnt.

Von besonderer Bedeutung war dabei, dass die Antragstellerin offenbar erst im Eindruck des Nachprüfungsverfahrens ihre Argumentation insbesondere mit konkreten Angeboten zu stützen versuchte. So hat sie in dem Verfahren vor dem Vergabesenat ein Angebot angeführt, wonach die strittigen Preise auf dem Markt erzielt werden könnten. Der Vergabesenat sah es schon als zweifelhaft an, ob dieser neue Sachverhalt, der erstmalig in dem Nachprüfungsverfahren geäußert wurde, formwirksam eingebracht werden könne. Inhaltlich kam es darauf nicht an, da das betreffende Unternehmen von der Antragstellerin in dem Vergabeverfahren nicht als Nachunternehmer angegeben worden war. Mit dem Argument, dass dies wegen eines Versehens unterlassen wurde, wurde die Antragstellerin von dem Vergabesenat nicht gehört.

Hinweise für die Praxis

In der Praxis werden nicht selten mit Hilfe externer Berater komplexe und detaillierte Wertungssysteme erstellt. Als Reaktion hierauf ist es durchaus nachvollziehbar, dass Bieter die darin enthaltene Systematik für ihre Zwecke auszunutzen versuchen. In der Folge werden Einzelpreise angeboten, die auf vermeintliche Schwächen der Wertungsmatrizen oder vermeintlich falsche Annahmen der Vergabestelle zum Mengengerüst ausgelegt sind, um so die Zuschlagschancen zu erhöhen. Die „taktische Bepreisung“ von einzelnen Preispositionen birgt Risiken und kann – wie vorliegend gezeigt – bis zum Angebotsausschluss führen. Jedenfalls dann, wenn das Abpreisen bestimmter Positionen in Korrelation zur Aufpreisung anderer Positionen steht, ist die Grenze der Zulässigkeit überschritten. Klargestellt scheint nun, dass an die Nachweise nicht die Anforderungen eines Beweises zu stellen sind, Indizien genügen völlig.

In eigener Sache: Fortbildung zu Grundlagen und Auswahl geeigneter Wertungsmethoden

Kern, um das Ausnutzen vermeintlicher Lücken zur Optimierung von Angeboten auch im Hinblick auf Mischkalkulationen zu vermeiden, ist die Gestaltung geeigneter Wertungsmatrizen und eigene Kenntnisse der Vergabestellen rund um die Auswahl geeigneter Wertungskriterien. Passend hierzu bietet die cosinex Akademie eine entsprechende Veranstaltung an. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie unter diesem Link.

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