Die Vergabekammer Südbayern hat sich in einem jüngsten Beschluss mit einer der auch technisch anspruchsvollsten Fragen bei Einsatz der E-Vergabe im Hinblick auf die Abgrenzung der Risikosphären und Beweislast befasst: Problemen mit den von Vergabestellen bereitgestellten Vergabeunterlagen bzw. dem Bietertool einer Vergabeplattform innerhalb der Infrastruktur eines Bieters.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Die Verantwortlichkeiten beim Einsatz elektronischer Mittel sind grundsätzlich klar geregelt. Die Vergabestelle stellt die elektronischen Mittel bereit. Diese müssen grundsätzlich – vereinfacht ausgedrückt – allgemein verfügbar, kostenfrei und mit allgemein verbreiteter Technik kompatibel sein. Außerdem muss die Vergabestelle die technisch relevanten Informationen zu der Nutzung der elektronischen Mittel bereitstellen. Der Bieter muss diese elektronischen Mittel entsprechend nutzen.

Kommt es zu Störungen, wie bspw. eine nur eingeschränkt oder überhaupt nicht mögliche Angebotsabgabe, zeigen sich schnell die Grenzen der klaren Zurechenbarkeit der vorstehend beschriebenen Verantwortlichkeiten. Dies insbesondere im Hinblick auf den Einsatz meist lokal zu installierender Bietertools oder Bieterclients. Diese stellen unter anderem eine lokale Verschlüsselung der Angebote bzw. Teilnahmeanträge auf dem Rechner des Bieters sicher. Als Annex zur Vergabeplattform gehören sie nach ganz überwiegender Auffassung – wie die Vergabeplattform selbst – in die Risikosphäre des Auftraggebers. Allerdings werden sie in der IT-Infrastruktur des Bieters betrieben bzw. installiert, die recht unzweifelhaft auch seiner Risikosphäre zuzurechnen ist.

Die Vergabekammer Südbayern hat zu den Verantwortlichkeiten Stellung genommen, die von Bietern bzw. der Vergabestelle zu tragen sind, wenn es zu technischen Problemen kommt, und diese nicht eindeutig einer bestimmten Risikosphäre zuzuordnen sind (Beschluss vom 14.10.2019, Z 3 – 3 – 3194 – 1 – 15 – 05 / 19).

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Planungsauftrag EU-weit als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Das Vergabeverfahren wurde über eine E-Vergabe-Plattform abgewickelt.

Der Verfahrensablauf war von vielfältigen technischen und organisatorischen Schwierigkeiten gekennzeichnet.

Eine Bieterin, die spätere Antragstellerin, gab Mitte März ein Erstangebot über die Vergabeplattform ab.

Mit Schreiben vom 04.04.2019 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, dass aufgrund technischer Probleme mit dem Vergabeportal das eingereichte Excel-Formblatt leider nicht die notwendigen und geforderten Preisangaben enthalte, weshalb sie darum bitte, das Formblatt 2.2 bis spätestens 08.04.2019 per E-Mail an den Projektsteuerer der Antragsgegnerin zu schicken. Der wohl in dem Formblatt vorhandene Fehler wurde zwischenzeitlich durch die Vergabestelle beseitigt.

Mit E-Mail vom 08.04.2019 bat der Projektsteuerer die Antragstellerin, das überarbeitete Excel-Formblatt Honorarangebot mit den geforderten Informationen nochmals bis spätestens 09.04.2019 per E-Mail zu übersenden.

Mit E-Mail vom 08.04.2019 wurde das geforderte Formblatt 2.2 von der Antragstellerin übermittelt.

Am 11.04.2019 wurde mit den drei eingeladenen Bietern ein Verhandlungsgespräch durchgeführt und die Bieter am gleichen Tag mit Schreiben über die Vergabeplattform zur Abgabe eines finalen Honorarangebots bis 16.04.2019 aufgefordert.

Ausweislich der Niederschrift über die Angebotsöffnung gaben alle drei Bieter Angebote ab, wovon jedoch das Angebot der Antragstellerin ohne Preisangaben übermittelt wurde. Die entsprechende Excel-Datei enthielt nur in der Datumszeile den Eintrag „15“, ansonsten waren keine Informationen enthalten.

Daraufhin wurde das Angebot der Antragstellerin wegen fehlender Preisangaben ausgeschlossen. Letztlich entbrannte aufgrund der vielen technischen Schwierigkeiten in dem Vergabeverfahren eine Auseinandersetzung darüber, ob der Ausschluss begründet sei, da die Antragstellerin behauptete, sie habe aufgrund technischer Schwierigkeiten keine Möglichkeit gehabt, ein ordnungsgemäßes Angebot abzugeben.

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II. Die Entscheidung

Nach Ansicht der Vergabekammer waren sowohl das Erstangebot als auch das finale Honorarangebot der Antragstellerin zwingend aufgrund der fehlenden Preisangaben im entsprechenden Excel-Formblatt auszuschließen (§ 53 Abs. 7 S. 2 VgV i.V.m. § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV).

1. Keine Nachforderung

Der zwingende Ausschluss sowohl des Erstangebots als auch des finalen Honorarangebots der Antragstellerin konnte auch nicht über eine Nachforderung der fehlenden Inhalte vermieden werden. Eine Nachforderung war gem. § 56 Abs. 3 S. 2 VgV nicht möglich. Zudem fehlten weitere Angaben, zu denen auch leistungsbezogene Teile, wie etwa die Honorarzone oder Nebenkosten, gehörten. Derartige Angaben, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, können gem. § 56 Abs.3 S. 1 VgV ebenfalls nicht nachgefordert werden. Die von der Antragsgegnerin bzw. ihrem Projektsteuerungsbüro vorgenommene Nachforderung des ausgefüllten Honorarformblatts nach der Abgabe des Erstangebots vom 04.04.2019 bzw. 08.04.2019 war daher unzulässig und hätte nicht vorgenommen werden dürfen. Das Angebot der Antragstellerin hätte bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen werden müssen.

Da das Angebot form- und fristgerecht, aber eben inhaltlich unvollständig abgegeben wurde, liegt kein Fall des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV vor. Auf die Frage des Vertretenmüssens kommt es daher insoweit nicht an.

2. Keine Rückversetzung

Nach Ansicht der Vergabekammer war das Vergabeverfahren auch nicht in den Stand vor Abgabe der Erstangebote zurückzuversetzen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 oder Abs. 3 VgV verstoßen habe. Demnach müssen elektronische Mittel und deren technische Merkmale allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit allgemein verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sein. Sie dürfen den Zugang von Unternehmen zum Vergabeverfahren nicht einschränken.

Die Vergabekammer sieht eine derartige rechtswidrige Einschränkung, wenn die vom öffentlichen Auftraggeber zum Hochladen der Angebote nebst Anlagen zur Verfügung gestellte IT-Anwendung fehlerbehaftet ist und ein Hochladen der Dokumente bzw. ein Übermitteln der Inhalte unmöglich mache (unter Hinweis auf: Wanderwitz in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar, VgV § 11 Rn. 14).

Treten technische Schwierigkeiten beim Betrieb der verwendeten elektronischen Mittel auf, so seien die Folgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen seien.

  • Schwierigkeiten auf Auftraggeberseite dürften nicht zu Lasten der Anbieterseite gehen.
  • Vom Anbieter selbst zu verantwortende Schwierigkeiten gingen zu seinen Lasten. Diese zählten zum Übermittlungsrisiko, das üblicherweise vom Absender zu tragen sei (unter Verweis auf: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2019 – Verg 8/19; Müller in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 11 Rn. 18).

Im vorliegenden Verfahren sei es für die Vergabekammer schwierig, die Ursache der Übermittlung der Excel-Formblätter ohne die erforderlichen Inhalte eindeutig der Sphäre der Antragsgegnerin oder der Antragstellerin zuzuordnen. Dabei setzte sie sich intensiv mit den technischen Aspekten des Sachverhalts auseinander und traf folgende Annahmen:

3. Fehlerhaftes Ausfüllen unplausibel

Die Vergabekammer hielt es für unplausibel, dass die Antragstellerin die jeweiligen Excel-Formblätter ohne Preis- und Datumsangaben ausgefüllt habe. Dagegen spreche, dass die Antragstellerin auf die – rechtswidrige – Nachforderung von 04.04.2019 bzw. 08.04.2019 die ausgefüllten Formblätter vorlegen konnte. Insbesondere spreche hiergegen aber, dass die Antragstellerin bereits mehrfach erfolgreich elektronische Angebote abgegeben habe und beim finalen Angebot mehrere Versuche gebraucht habe, um das Angebot überhaupt übermitteln zu können, wobei sie die Excel-Formulare immer wieder ausfüllen musste. Zudem seien bei der Angebotsabgabe der Antragstellerin zwei Mitarbeiter anwesend gewesen, sodass ein derart gravierender Flüchtigkeitsfehler nicht anzunehmen sei.

4. Unaufklärbare Fehlerquelle

Die Vergabekammer ging daher davon aus, dass ein nicht mehr aufklärbarer Umstand bei der Bearbeitung der Excel-Formblätter mit dem Programm Microsoft Excel (Microsoft Office Home + Business 2013) nach dem Herunterladen und Öffnen des Ausschreibungspakets in der Software AV… (Version 4.10.2.2537) dazu führte, dass die ursprünglich von den Vertretern der Antragstellerin eingegebenen Eintragungen in den Formblättern nicht gespeichert wurden. Dabei bediente sich die Vergabekammer auch eines sachverständigen Zeugen. Dieser erläuterte, dass anhand der Hash-Werte die Identität der von der Antragstellerin hochgeladenen Dateien mit den geöffneten Dateien belegt werden könne. Aus den Log-Dateien, die lediglich die letzte Sitzung darstellten, sei dagegen nicht ersichtlich, was sich beim Bearbeitungs- und Speichervorgang der Excel-Dateien ereignet habe.

5. Keiner Sphäre zuzuordnen

Die technisch letztlich nicht aufklärbare Problematik einer Sphäre zuzuordnen, sei in diesem Zusammenhang schwierig. Wurde das Nicht-Speichern der Inhalte durch Excel ausgelöst, läge die Ursache in der Sphäre der Antragstellerin, läge sie in einer Fehlfunktion der von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Excel-Datei, wäre sie der Antragsgegnerin zuzurechnen.

Bei dem lokal auf der Hardware der Bieter installierten Bieterclient AV… sei zu differenzieren:

  • Hier sei es Sache des Bieters, dafür zu sorgen, dass dieser korrekt installiert sei, aktuell gehalten werde und in erforderlichen Maß mit der Vergabeplattform kommunizieren könne.
  • Zu Lasten der Vergabestelle gingen Programmfehler, die unter bestimmten Voraussetzungen die Angebotsabgabe verhinderten oder das Bearbeitungen und Speichern der Dateien in den Angebotspaketen stören oder Besonderheiten der Bedienung sowie sonstige Umstände, auf die die Vergabestelle nach 11 Abs. 3 VgV hinweisen müsse.

Ein Bedienungsfehler der Antragstellerin könne nach der vorliegenden Sachlage weder ausgeschlossen noch unterstellt werden. Nach Angaben des sachverständigen Zeugen wäre die wahrscheinlichste technische Ursache für das Nichtenthaltensein der Eingaben der Antragstellerin im übermittelten Excel-Formular, dass die Antragstellerin das Formular in Excel geöffnet hat, dabei ordnungsgemäß die VBA-Makros aktiviert hat (sonst wäre das Excel-Honorarformular nicht grün angezeigt worden), dann das Formular wieder geschlossen und zwischengespeichert hat und beim erneuten Öffnen das Aktivieren der Makros unterlassen hat. Demgegenüber erschien die Tatsache, dass die Problematik der fehlenden Inhalte zwei Mal, beim Erst- und beim finalen Angebot, aufgetreten ist und in den jeweiligen Formularen nur ganz wenige Eintragungen vorzunehmen waren, das Schließen und erneute Öffnen ohne Aktivierung der Makros der Vergabekammer als Fehlerursache wenig wahrscheinlich. Zudem hat die Antragstellerin angegeben, so nicht vorgegangen zu sein und sich an die Anleitung der Antragsgegnerin gehalten zu haben.

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III. Summa summarum

Im vorliegenden Fall konnte die Vergabekammer Südbayern aber auch keinen Verstoß der Antragsgegnerin gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 VgV erkennen. Der sachverständige Zeuge AXXX hat erklärt, dass er nachvollzogen habe, dass die den Bietern mit dem 3. Änderungspaket zur Verfügung gestellte Excel-Datei anders als die fehlerhaften früheren Versionen bei korrekter Bedienung tatsächlich funktionierte. Dies zeige auch die erfolgreiche Angebotsabgabe der beiden anderen Bieter, die ihre Eintragungen in den jeweiligen Excel-Dateien auch erfolgreich abspeichern konnten. Auch die Übermittlung mittels AV… an die Vergabeplattform habe im maßgeblichen Zeitpunkt nachweislich funktioniert, denn die Excel-Datei der Antragstellerin enthielt ja bereits im Moment der Übertragung nicht mehr die eingetragenen Inhalte. Aus diesem Grund müsse ein Umstand entweder in den IT-Systemen der Antragstellerin oder bei der Bedienung des Systems dafür ursächlich sein, dass sie im Gegensatz zu den „erfolgreichen“ Bietern, die die Inhalte des Honorarformblatts speichern und übermitteln konnten, ihre eingegebenen Inhalte nicht speichern und übermitteln konnte. Kann im Rahmen der von der Vergabekammer vorzunehmenden Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung die Ursache für eine fehlerhafte Angebotsabgabe nicht geklärt werden, geht dies nicht automatisch zu Lasten der Vergabestelle, wenn dieser kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 VgV nachgewiesen werden kann und eine Ursache in der Sphäre des Bieters wahrscheinlich ist.

1. Ausreichende Information

Abschließend hat die Vergabekammer geprüft, ob die Vergabestelle den Bietern alle notwendigen Informationen über die in dem Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel, die technischen Parameter zur Einreichung von Teilnahmeanträgen, Angeboten und Interessensbestätigungen sowie der verwendeten Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren zur Verfügung gestellt hat (§ 11 Abs. 3 VgV).

Sie ging davon aus, dass die Vergabestelle aufgrund des hier komplexen, nicht selbsterklärenden und fehlerträchtigen Angebotsabgabevorgangs gehalten war, den Bietern detaillierte Erläuterungen in den Vergabeunterlagen zur Verfügung zu stellen.

Diesbezüglich ausreichend war jedoch die mit dem 3. Änderungspaket am 14.03.2019 mitgelieferte detaillierte Anleitung in der Datei Hilfestellung beim Bearbeiten der Vergabeunterlagen im Tool AVXXX.pdf, in der die wesentlichen Verfahrensschritte anschaulich dargestellt waren. Dort wurde insbesondere auch dargestellt, dass in den Excel-Formularen die Makros stets zu aktivieren sind.

Im Übrigen sei auch aus dem Bieterclient AVXXX für die Antragstellerin hinreichend deutlich erkennbar gewesen, dass ihre zunächst eingetragenen Honorarsummen nicht an die Plattform übermittelt wurden. Auf der Maske des Bieterclients AVXXX, die den Start des Abgabeassistenten ermöglicht, waren in den rechten Feldern jeweils die Angebotssummen mit 0,00 € dargestellt, was nicht den Eintragungen der Antragstellerin entsprach. Hieraus hätte die Antragstellerin ersehen können, dass ihre zunächst eingetragenen Honorarsummen nicht übermittelt wurden. Dies stelle – zusammen mit der o.g. detaillierten Anleitung – eine ausreichende Information über die technischen Parameter zur Abgabe von Angeboten mit Hilfe elektronischer Mittel i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 2 VgV dar.

Die Tatsache, dass bei dem von der Antragsgegnerin verwendeten System – anders als bei der Abgabe eines Leistungsverzeichnisses in einer GAEB-Datei, bei der in AVXXX bei Unvollständigkeit ein Hinweis erscheinen würde bzw. (je nach Einstellung) der Abgabeassistent nicht gestartet werden könnte – bei einer Excel-Datei das Angebot abgegeben werden kann, auch wenn wesentliche Angaben fehlen, führe nicht zu einem Verstoß gegen § 11 Abs. 3 VgV. Implementierungen, die dazu führen, dass im Zusammenhang mit fehlenden Eintragungen die Angebotsabgabe nicht möglich ist, seien nach Ansicht der Vergabekammer stattdessen sogar kritisch zu sehen, da es nicht Sache von E-Vergabe-Software sei, zu entscheiden, wie mit unvollständigen Angeboten zu verfahren sei.

Aufgrund der nur teilweisen Aufklärbarkeit des Sachverhalts könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass der unbekannte Umstand, der letztlich dazu führte, dass die Eintragungen der Antragstellerin in den Honorarformblättern nicht gespeichert und nicht übertragen wurden, ein solcher gewesen sein könnte, auf den die Antragsgegnerin – hätte sie ihn gekannt – gem. § 11 Abs. 3 VgV hätte hinweisen müssen. Im Hinblick auf den auch im Vergaberecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lt. § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB kann ein Unterlassen einer Information nach § 11 Abs. 3 VgV nur dann zu Lasten eines Auftraggebers gehen, wenn er den entsprechenden Umstand gekannt oder pflichtwidrig nicht gekannt hat. Davon ist im vorliegenden Sachverhalt nicht auszugehen, da die technische Ursache nicht einmal unter Einbeziehung des Plattformbetreibers zu klären war.

Da das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen und das Vergabeverfahren auch nicht in den Stand vor Abgabe der Erstangebote zurückzuversetzen war, war der Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

2. Hinweise für die Praxis

Sehr gute Hinweise für die Vergabepraxis ergeben sich aus den amtlichen Leitsätzen selbst:

  1. Treten technische Schwierigkeiten bei der Angebotsabgabe aufgrund der verwendeten elektronischen Mittel auf, so sind die Rechtsfolgen danach zu beurteilen, wessen Sphäre sie zuzuordnen sind. Schwierigkeiten auf Auftraggeberseite dürfen nicht zu Lasten der Anbieterseite gehen. Demgegenüber gehen vom Anbieter selbst zu verantwortende Schwierigkeiten zu seinen Lasten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.06.2019 – Verg 8/19).
  2. Die Vergabestelle trifft grundsätzlich die Feststellungslast, dass sie nicht gegen § 11 Abs. 1 oder Abs. 3 VgV verstoßen hat.
  3. Kann im Rahmen der von der Vergabekammer vorzunehmenden Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung die Ursache für eine fehlerhafte Angebotsabgabe nicht geklärt werden, geht dies nicht automatisch zu Lasten der Vergabestelle, wenn dieser kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 oder Abs. 3 VgV nachgewiesen werden kann und eine Ursache in der Sphäre des Bieters wahrscheinlich ist.
  4. Im Hinblick auf den auch im Vergaberecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lt. § 97 Abs. 1 Satz 2 GWB kann ein Unterlassen einer Information nach § 11 Abs. 3 VgV nur dann zu Lasten eines Auftraggebers gehen, wenn er den entsprechenden Umstand gekannt oder pflichtwidrig nicht gekannt hat.

Bildquelle: BCFC – shutterstock.