EU Flaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel

Die bereits seit längerem in der Diskussion stehende Möglichkeit, nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV bei der Auftragswertermittlung von Planungsleistungen nur den Wert für Lose gleichartiger Leistungen zusammenzurechnen, droht nun Anlass für ein Vertragsverletzungsverfahren zu werden.

Deutschland sowie weitere 14 EU-Mitgliedstaaten erhielten ein Schreiben der EU-Kommission zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien. Die Kommission übermittelte die Schreiben, nachdem sie geprüft hatte, ob die nationalen Umsetzungen mit den EU-Richtlinien aus ihrer Sicht in Einklang stehen. Auch bei den übrigen Mitgliedstaaten, die die Umsetzung zum Teil mit erheblichen Verzögerungen abgeschlossen hatten, wird eine solche Prüfung durchgeführt.

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In dem an Deutschland gerichteten Schreiben wird unter anderem die Umsetzung zur Auftragswertermittlung bei Planungsleistungen nach § 3 Abs. 7 VgV beanstandet. Die EU-Kommission sieht hierin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie (2014/24/EU), wonach grundsätzlich der geschätzte Gesamtwert aller Lose zusammenzurechnen ist. Für eine Sonderregelung für Planungsleistungen, wie sie in den deutschen Vorgaben vorgesehen ist, gibt es nicht nur in der Richtlinie keine Rechtsgrundlage.

Der Bund deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V. (kurz BDB) bewertet nach Aussage seines Präsidenten Hans Georg Wagner die Anfrage als den „erneuten Versuch der EU-Kommission, den deutschen Mittelstand entscheidend zu schwächen.“ Dieser folge „einer langen Linie eines offenbaren Vernichtungsfeldzuges, der mit dem Angriff auf die HOAI angefangen“ habe.

Dabei wird die deutsche Regelung – und mit ihr die Möglichkeit, auf diesem Weg Planungsleistungen EU-weiten Vergabeverfahren zu entziehen – auch in der Kommentarliteratur zum Teil ausdrücklich als unionsrechtswidrig bewertet. Zudem stand bereits die vorherige Regelung im Fokus der EU-Kommission.

Alle angeschriebenen Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate Zeit, um auf die von der Kommission vorgebrachten Beanstandungen zu reagieren.

Auswirkungen für die Praxis

Die Auswirkungen für Vergabestellen können erheblich sein. So sollte – soweit bei der Auftragswertermittlung auf die Regelung zurückgegriffen wurde – diese Praxis auf den Prüfstand gestellt werden. Einige Stimmen in der Literatur empfahlen ohnehin, die Vorgaben des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV erst gar nicht anzuwenden. Diese Option sollte jede Vergabestelle sorgfältig prüfen, da sie sich im Zweifel auch heute nicht auf eine nicht richtlinienkonforme Umsetzung stützen kann: Unterstellt man eine nicht richtlinienkonforme Umsetzung – wofür einiges spricht – bestünde eine Pflicht zur EU-konformen Schwellenwertermittlung ex tunc. Das heißt, dass die Schwellenwertermittlung aller Planungsleistungen beginnend mit dem 18. April 2016 unter diesem Gesichtspunkt hätte erfolgen müssen und nicht erst dann, wenn die Unionsrechtswidrigkeit (etwa gerichtlich) festgestellt wird.

Unabhängig davon, ob der Bund sich zu einer – ggf. erforderlichen und EU-konformen – Anpassung der entsprechenden Vorgabe entschließt oder ein etwaiger Verstoß gegen die Richtlinie vom Europäischen Gerichtshofes (EuGH) streitig geklärt wird: Bieter könnten bereits heute vorbringen, dass bei der Ermittlung der EU-Schwellenwerte eben nicht nur „vergleichbare Planungsleistungen“ zu berücksichtigen sind.

Vergabestellen sind daher gut beraten, sich bei der Ermittlung der EU-Schwellenwerte für Planungsleistungen nicht auf die nationalen Vorgaben zu verlassen, sondern im Zweifel alle (auch nicht vergleichbaren) Planungsleistungen zu berücksichtigen und ggf. im Ergebnis ein EU-weites Vergabeverfahren vorzuziehen.

Dass bei einem Wegfall dieser Sonderregelung – wie vom BDB befürchtet – „die Planerkultur Deutschlands auf den Kopf gestellt wird, muss dabei sicher nicht befürchtet werden.

Bedeutender in diesem Sinne könnte das am 28. Februar mit Spannung erwartete schriftliche Plädoyer des Generalanwalts des EuGH zur möglichen Europarechtswidrigkeit der HOAI sein.

Bildquelle: jorisvo – Fotolia.com