
Das von der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland betriebene Vertragsverletzungsverfahren zur vermeintlichen Europarechtswidrigkeit der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) soll zur Jahresmitte abgeschlossen werden. Der Generalanwalt Maciej Szpunar hat nun seinen Schlussantrag vorgelegt und in diesem empfohlen, die Mindest- und Höchstpreise der HOAI für europarechtswidrig zu erklären.
Mindest- und Höchstpreise der HOAI unzulässig
In dem seit etwa vier Jahren andauernden Verfahren klagte die Europäische Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland bzw. gegen die ihrer Auffassung nach unrechtmäßige Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Diese beinhaltet hinsichtlich der Honorare Mindest- und Höchstpreise.
Der Generalanwalt hat diese Regelung an Art. 15 Abs. 2 Buchst. g) der Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) gemessen, wonach die Vorgabe von Höchst- und Mindestpreisen unzulässig ist, falls hierfür keine „zwingenden Gründe des Allgemeinwohls“ vorliegen und die Preisbindungen unverhältnismäßig sind. Die Kommission sieht mit der bestehenden Regelung der HOAI insbesondere die Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt bzw. den Zugang ausländischer Architekten und Ingenieure zu öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland eingeschränkt.
Empfehlung: Verstoß der HOAI gegen EU-Richtlinie
Nun hat der Generalanwalt in seinem Schlussantrag die Empfehlung ausgesprochen, der Gerichtshof solle erklären, dass hier in der Tat ein Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt vorliege
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Kein Zusammenhang zu Bausicherheit, Baukultur und Ökologie
In seiner Begründung gab Szpunar an, dass zwar Gründe vorliegen können, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen, die Angabe von Mindest- und Höchstpreisen aber hier nicht – wie von der Bundesrepublik argumentiert – in konkretem Zusammenhang mit der Bausicherheit, der Erhaltung der Baukultur und dem Ziel des ökologischen Bauens stehe. Das Vorbringen sei hingegen vollständig auf die Gewährleistung der Qualität der Planungsleistungen und den Verbraucherschutz ausgerichtet.
Führt Wettbewerb zu schlechter Qualität?
Die Festsetzung von Mindest- und Höchstpreisen ist nach der Auffassung von Szpunar nicht dazu geeignet, ebendieses Ziel der Gewährleistung der Dienstleistungsqualität zu erreichen, da nicht nachgewiesen werden könne, dass ein verstärkter Preiswettbewerb de facto eine Minderung der Qualität der Dienstleistungen herbeiführe.
Der Wettbewerb bei Dienstleistungen, insbesondere in Bezug auf den Preis, gelte zudem im Allgemeinen und damit auch in diesem Zusammenhang als notwendiger, gewünschter und wirksamer Mechanismus in einer Marktwirtschaft.
Kommt nun der ausländische Wettbewerb?
Spannend bleibt, welche wirtschaftspolitischen Auswirkungen sich für den Fall, dass der Gerichtshof – wie in der Vergangenheit oftmals beobachtet – der Empfehlung des Generalanwalts folgt, zukünftig ergeben können und ob ein Wegfall der Mindest- und Höchsthonorare eher dem inländischen Wettbewerb ansässiger Architekten oder Ingenieuren zugute kommt oder sich tatsächlich eine Ausweitung des Wettbewerbs auf ausländische Dienstleister einstellt.
Einheitliches Honorarniveau im Binnenmarkt?
Darüber hinaus werden voraussichtlich auch im nationalen Raum laufende Mindestsatzklagen vor dem Hintergrund einer ggf. nicht vorhandenen Vereinbarkeit der HOAI mit den europäischen Richtlinien von einem entsprechenden europäischen Urteil beeinflusst. Unabhängig von der juristischen Indikation, dass gerade eine branchenspezifische Festlegung von Mindest- und Höchstpreisen kein zulässiges Instrument zur Wahrung der Dienstleistungsqualität einer bestimmten Branche sein darf, könnte das Urteil des EuGH aber auch eine Debatte über mögliche politische Instrumente zur Erreichung eines einheitlichen Honorarniveaus im europäischen Binnenmarkt hervorrufen.
Bildquelle: nmann77 – shutterstock.com