Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Wie sollen Vergabestellen und Bieter damit umgehen, wenn Formulare noch Felder und besondere Hinweise enthalten, wonach die Bieter (über die Angaben in Vergabeplattformen bzw. Werkzeugen für die Bieter hinaus) gesonderte Angaben zu dem Namen und ggf. der natürlichen Person, die die Erklärung abgibt, machen müssen? Haben sich derartige Felder durch die E-Vergabe überholt oder führt die Nichtangabe sogar zum Ausschluss des Angebotes? Hierzu hat der Vergabesenat bei dem OLG Karlsruhe (Beschluss vom 19.02.2020 – 15 Verg 1/20) Stellung genommen.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

Alle Beiträge von Norbert Dippel »

Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Bauauftrag im EU-weiten offenen Verfahren aus. Als Angebotsschreiben war das Formblatt KEV 115.2 (B) Ang EU zu verwenden. Auf der ersten Seite befand sich ein Feld, in das der Name etc. des Bieters einzutragen war. Das Formblatt endete auf Seite vier mit einem Kasten, der folgende Angaben vorsah:

„Ort, Datum, Stempel und Unterschrift (bei schriftlichem Angebot)“.

Unterhalb dieses Feldes befand sich folgende durch Fettdruck hervorgehobene Formulierung:

„Ist

  • ein schriftliches Angebot nicht an dieser Stelle unterschrieben,
  • bei einem elektronisch übermittelten Angebot in Textform der Name der natürlichen Person, die die Erklärung abgibt, nicht angegeben oder
  • ein elektronisches Angebot, das signiert werden muss, nicht wie vorgegeben signiert,

wird das Angebot ausgeschlossen.“

Ein Bieter füllte in seinem elektronischen Angebot dieses Feld nicht aus, woraufhin die Vergabestelle das Angebot ausschloss. In dem anschließenden Nachprüfungsverfahren bestätigte die Vergabekammer den Ausschluss. Hiergegen wandte sich der Bieter mit einer sofortigen Beschwerde, wobei zunächst über den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden war.

Gemäß § 173 Abs. 2 Satz 2 und 3 GWB sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers, die Erfolgsaussichten der Beschwerde, die allgemeinen Aussichten des Antragstellers, den Auftrag zu erhalten, und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Abzulehnen ist der Antrag gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 GWB, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Die Entscheidung

Der Vergabesenat sah für die sofortige Beschwerde nach der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Vergabestelle habe das Angebot der Bieterin zu Recht nach §§ 16 EU Abs. 1 Nr. 2, 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 11 EU Abs. 4 VOB/A 2019 ausgeschlossen, weil die geforderte Form nicht eingehalten wurde.

Die in § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2019 vorgesehene Textform im Sinne von § 126 b BGB verlange, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben werde. Dabei müsse die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Hierdurch solle – insoweit ähnlich wie die Unterschrift bei der Schriftform – das Ende der Erklärung kenntlich gemacht und damit das Stadium des Entwurfs von dem der rechtlichen Bindung abgegrenzt werden. Die Kenntlichmachung des Abschlusses einer Erklärung könne auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch die Nennung des Namens am Textende, ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift, den Zusatz „diese Erklärung ist nicht unterschrieben“, aber auch durch eine Datierung oder eine Grußformel. Der Formzwang soll Klarheit über den Inhalt und die Verbindlichkeit gewährleisten.

Im Angebot der Bieterin werde die Person des Erklärenden nicht genannt und der Abschluss der Erklärung nicht kenntlich gemacht. Denn die Bieterin habe das Angebotsformular unausgefüllt auf die Vergabeplattform hochgeladen. Nach dem Willen der Vergabestelle handele es sich bei dem Angebotsformular um die maßgebliche Erklärung, aus der sich ergebe, dass das Angebot eindeutig und nachprüfbar dem Bieter zuzuordnen sei und der Bieter den gesamten Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklären wollte. Das von der Vergabestelle zur Verfügung gestellte Angebotsschreiben diene gerade dazu, den Inhalt des aus mehreren Angebotsteilen bestehenden Angebots als verbindlich zu erklären. Dass dem Angebotsschreiben diese die Verbindlichkeit bestätigende Wirkung nach dem Willen der Vergabestelle zukommen sollte, lasse sich daraus entnehmen, dass sie auf Seite 4 des Formblattes ausdrücklich darauf hingewiesen habe, ein elektronisch übermitteltes Angebot in Textform, bei dem der Name der natürlichen Person, die die Erklärung abgibt, nicht angegeben ist, werde ausgeschlossen.

Der Vergabesenat hat herausgearbeitet, dass die eingereichten Angebotsunterlagen keine dem von der Vergabestelle vorgegebenen Angebotsvordruck vergleichbare, das gesamte Angebot der Antragstellerin umfassende entsprechende Erklärung enthielten.

Diese Funktion erfülle auch das Deckblatt nicht, das nur Angaben zum Bieter, die Angebotssumme, das Datum des Angebotsschreibens und den Namen des Erklärenden, nicht jedoch den gesamten Angebotsinhalt, wie er in dem Angebotsanschreiben erfasst sei, und eine Erklärung, wonach der Bieter den gesamten Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklärt, enthalte. Zudem habe die Vergabestelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die dortigen Angaben die Angaben im Angebot nicht ersetzten. Ebenso wenig sei eine eindeutige Zuordnung damit verbunden, dass die Antragstellerin die Daten über das von der Vergabeplattform zur Verfügung gestellte BIETERCOCKPIT hochgeladen habe und eine Veränderung der Daten nach dem Hochladen nicht mehr möglich sei. Diese Maßnahmen dienten der Integrität der Daten und der Gewährleistung der Vertraulichkeit der Angebote ebenso wie der Vermeidung von Manipulationen und dem Schutz von Betriebsgeheimnissen. Hierdurch werde jedoch nicht sichergestellt, dass der Bieter zweifelsfrei und deutlich zu erkennen gebe, dass der gesamte Angebotsinhalt einschließlich sämtlicher beigefügter Erklärungen von ihm stammten und rechtsverbindlich erklärt würden. Diese Funktion erfülle vorliegend allein das Angebotsschreiben, da eine vergleichbare umfassende Erklärung der Antragstellerin nicht mit den Angebotsunterlagen eingereicht wurde.

Für die Entscheidung des Falles unerheblich sei, ob sich aus den Vergabeunterlagen und der Gestaltung des Angebotsschreibens zwingend ergebe, dass bei einer Angebotsabgabe in Textform der Name der natürlichen Person in dem Kasten auf Seite 4 aufgeführt werden müsse. Dies müsse schon deshalb nicht entschieden werden, weil die natürliche Person, die die Erklärung abgibt, an keiner Stelle des Angebotsschreibens aufgeführt sei. Allerdings verlange bereits die Einhaltung der Textform nach § 126 b BGB, wonach das Ende der Erklärung kenntlich zu machen und damit das Stadium des Entwurfs von der rechtlichen Bindung abzugrenzen sei, dass am Ende der Erklärung eine entsprechende Kennzeichnung erfolgen müsse.

Unerheblich sei, ob die Vergabestelle dadurch, dass sie die Art der Kennzeichnung nicht den Bietern überließ, sondern die Angabe des Namens verlangte, eine nicht nach §§ 13 EU Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 11 EU Abs. 4. VOB/A 2019 vorgesehene Verschärfung des Schriftformerfordernis vornahm, weil eine entsprechende Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert wäre.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Rechtliche Einordnung

Die rechtliche Einordnung dieser Entscheidung fällt nicht besonders leicht, wie fast immer, wenn Jura auf IT trifft.

Zunächst sind zwei Aspekte besonders hervorzuheben:

Einerseits hat die Vergabestelle in den Vordrucken unter Androhung des Angebotsausschlusses gefordert, dass in dem Angebotsschreiben die handelnde Person anzugeben ist. Zum anderen enthielt das Angebotsschreiben laut Angabe des Gerichts Informationen, die über den Informationsgehalt des vom BIETERCOCKPIT generierten Deckblattes hinausgingen.

Bezogen auf diese Besonderheiten ist zunächst festzustellen, dass sowohl die Vergabekammer, als auch der Vergabesenat explizit offengelassen haben, ob die Abfrage des Namens der handelnden Person überhaupt vergaberechtlich zulässig wäre, da dies auch eine nicht vorgesehene Verschärfung der Formvorschriften sein könne. Letztlich wurde diese Frage nicht beantwortet, weil eine entsprechende Rüge präkludiert gewesen wäre.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die vorstehende Entscheidung für die E-Vergabe bedeutet.

Soweit ersichtlich, generieren wesentliche E-Vergabesysteme bei der Angebotsabgabe ein Deckblatt, das die Textform im Sinne einer „Containerlösung“ auf den Angebotsinhalt erstrecken soll. Die „Container- bzw. Deckblattlösung“ hat den Charme, dass der Bieter nicht – wie in der schriftlichen Welt – sämtliche Formulare mit seinem Namenseintrag versehen muss. Der Gedanke des Deckblattes in Textform ist, dass es durch Verweise die übrigen Angebotsunterlagen inkorporiert. Dies lässt sich mit einem Vertrag vergleichen, bei dem zwar der eigentliche Vertragstext unterschrieben ist, die in der Anlage befindlichen Dokumente aber nicht. Über einen Verweis in dem unterschriebenen Vertragstext werden die Anlagen ebenfalls Teil des unterschriebenen Vertrags.

Der Vergabesenat hat sich mit diesem vom BIETERCOCKPIT generierten Deckblatt auseinandergesetzt und angemerkt, dass die eingereichten Angebotsunterlagen keine dem von der Vergabestelle vorgegebenen Angebotsvordruck vergleichbare, das gesamte Angebot der Antragstellerin umfassende entsprechende Erklärung enthielten. Explizit hat er festgestellt, dass diese Funktion auch das Deckblatt nicht erfülle, das nur Angaben zum Bieter, die Angebotssumme, das Datum des Angebotsschreibens und den Namen des Erklärenden, nicht jedoch den gesamten Angebotsinhalt, wie er in dem Angebotsanschreiben erfasst sei, und eine Erklärung, wonach der Bieter den gesamten Angebotsinhalt rechtsverbindlich erklärt, enthalte.

Damit kommt der inhaltlichen Gestaltung des Deckblattes in der jeweiligen E-Vergabe-Software eine entscheidende Bedeutung zu. An diesem Punkt können wir nur für die Software der cosinex sprechen: Auch bei der Angebotsabgabe über das cosinex Bietertool wird ein Deckblatt generiert. Hierbei werden ebenfalls bestimmte Angebotsinhalte systemseitig zusammengefasst, beispielsweise der Preis besonders hervorgehoben. Zusätzlich werden in diesem Deckblatt alle Anlagen eindeutig benannt, die von der Angebotsabgabe und damit der Textform erfasst sein sollen. Über die Nennung des jeweiligen Dokumentennamens mit einem dazugehörigen Hash-Wert des Dokuments ist dieses Dokument nicht nur Teil des Gesamtangebotes (bzw. des technischen „Containers“), sondern auch eindeutig identifizierbar. Damit ist aus unserer Sicht evident, dass sich die Erklärung der Angebotsabgabe in dem Deckblatt, welche die Textform erfüllt, auf sämtliche explizit in Bezug genommenen Dokumente und damit auch deren Inhalte erstreckt. Gleichwohl nehmen wir die vorstehende Entscheidung zum Anlass, die Gestaltung des Deckblattes zu überprüfen und ggf. vorsorglich einen klarstellenden Hinweis vorzusehen.

Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit ist es durchgängige Praxis, dass Vergabestellen weitergehende Forderungen aufstellen, wonach in einzelnen Dokumenten die handelnde Person explizit aufgeführt sein soll. An dieser Stelle seien ein paar kritische Bemerkung erlaubt:

  • Mit der E-Vergabe soll die Angebotsabgabe für die Bieter erleichtert werden. Die hierfür auf dem Markt üblichen Systeme machen nachträgliche Manipulationen der Angebotsinhalte unmöglich und fragen den Namen des handelnden Bieters sowie der natürlichen Person ab. Warum wird der Name nochmals wie in der „guten alten papiergebundenen Formularwelt“ abgefragt und muss erneut in Formulare eingetragen werden? Ein Mehr an Rechtssicherheit wird dadurch jedenfalls nicht erzielt; demgegenüber aber eine weitere Fehlerquelle begründet.
  • Hinzu kommt, dass die Gestaltung des in Rede stehenden Formulars nicht unbedingt eindeutig ist. Wenn in einem für eine Unterschrift vorgesehenen Formularfeld der Zusatz steht „nur bei schriftlichen Angeboten“ ist es nicht verwunderlich, dass bei der E-Vergabe die Bieter dieses Feld nicht ausfüllen. Besonders irritierend wird die konkrete Formulierung im Formular, wenn im Hinblick auf den Ausschluss ein solcher bei postalischen Angeboten erfolgen soll, wenn die Unterschrift nicht an dieser Stelle (im Formular) erfolgt, gerade beim Hinweis auf das Anbringen bzw. den Umfang der Textform aber gerade nicht auf „diese Stelle“ verwiesen wird, was den Schluss nahelegt, dass der Textform durch die Namensnennung auch an anderer Stelle, wie z.B. in dem vorgenannten Deckblatt, nachgekommen werden kann.
  • E-Vergabe kann in der Praxis nur dann funktionieren, wenn sich auch die öffentlichen Auftraggeber entsprechend verhalten. Bildet man mit E-Vergabe nur die Papierwelt ab, indem beispielsweise bei elektronischen Angeboten wieder mehrfach Namen und Adressen eingegeben werden müssen, konterkariert man die Möglichkeiten des technologischen Fortschritts. Hier ist auch der Normgeber gefragt. Ein interessantes Beispiel ist auch das Vier-Augen-Prinzip bei der Angebotsöffnung, das nachträgliche Manipulationen des (papiergebundenen Angebotes) durch späteres Ausfüllen von Preisen, den Austausch von Angebotsbestandteilen etc. verhindern soll. Welchen Sinn dies bei elektronischen Angeboten noch ergibt, wenn diese systemseitig unveränderlich gespeichert, mit zertifizierten Zeitstempeln versehen wurden etc., erschließt sich nicht. Es sieht ganz so aus, als ob auch hier die papiergebundene Welt einfach in das digitale Zeitalter übertragen wurde. Vielleicht dauert es – wie auch in anderen Bereichen – bis die Vorschriften angepasst wurden und die Praxis darauf reagiert. Bis dahin fährt – bildlich gesprochen – auf der E-Lok neben dem Lokführer noch der Heizer wie zu Zeiten der Dampflok mit.

Bildquelle: Stockwerk-Fotodesign – fotolia.de