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VgV § 58 Zuschlag und Zuschlagskriterien
(1) Der Zuschlag wird nach Maßgabe des § 127 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.
(2) Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Neben dem Preis oder den Kosten können auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, insbesondere:
- die Qualität, einschließlich des technischen Werts, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung insbesondere für Menschen mit Behinderungen, ihrer Übereinstimmung mit Anforderungen des „Designs für Alle“, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften sowie Vertriebs- und Handelsbedingungen,
- die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder
- die Verfügbarkeit von Kundendienst und technischer Hilfe sowie Lieferbedingungen wie Liefertermin, Lieferverfahren sowie Liefer- oder Ausführungsfristen.
Der öffentliche Auftraggeber kann auch Festpreise oder Festkosten vorgeben, sodass das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich nach qualitativen, umweltbezogenen oder sozialen Zuschlagskriterien nach Satz 1 bestimmt wird.
(3) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen an, wie er die einzelnen Zuschlagskriterien gewichtet, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Diese Gewichtung kann auch mittels einer Spanne angegeben werden, deren Bandbreite angemessen sein muss. Ist die Gewichtung aus objektiven Gründen nicht möglich, so gibt der öffentliche Auftraggeber die Zuschlagskriterien in absteigender Rangfolge an.
(4) Für den Beleg, ob und inwieweit die angebotene Leistung den geforderten Zuschlagskriterien entspricht, gelten die §§ 33 und 34 entsprechend.
(5) An der Entscheidung über den Zuschlag sollen in der Regel mindestens zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers mitwirken.
Die Vorschrift regelt Einzelheiten zum Verfahren bei der Zuschlagserteilung und konkretisiert die Kriterien, nach denen der öffentliche Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung trifft. Damit gestaltet die Norm den § 127 GWB näher aus. Durch die Erteilung des Zuschlags bestimmt der Auftraggeber, welches Unternehmen letztlich den Auftrag erhält. Die Zuschlagsentscheidung stellt daher eines der zentralen Elemente des Vergabeverfahrens dar. Die bislang in §§ 19 EG Absatz 9 und 21 EG Absatz 1 VOL/A sowie in § 11 Absatz 5 VOF getroffenen Zuschlagsregelungen werden aufgegriffen und an die Vorgaben des Artikels 67 der Richtlinie 2014/24/EU angepasst.
Zu Absatz 1
Durch Absatz 1 wird unter Verweisung auf die Regelungen des § 127 GWB nochmals klargestellt, dass der Zuschlag auch weiterhin (vgl. § 97 Absatz 5 GWB a.F.) auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist. Damit entspricht die Norm dem Grundgedanken des Artikels 67 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Absatz 2 Satz 1
Das wirtschaftlichste Angebot ist auf Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses zu ermitteln. Ebenso wie § 127 Absatz 1 Satz 4 GWB stellt Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 1 klar, dass bei dieser Ermittlung stets eine Preis- oder Kostenkomponente berücksichtigt werden muss. Auch weiterhin kann der Zuschlag daher allein auf das preislich günstigste Angebot erteilt werden.
Daneben kann der öffentliche Auftraggeber auch nach Maßgabe des § 127 GWB qualitative, umweltbezogene und soziale Faktoren eines Angebots berücksichtigen, soweit die entsprechenden Kriterien einen Bezug zum Auftragsgegenstand aufweisen (§ 127 Absatz 3 GWB), den Wettbewerb nicht behindern (§ 127 Absatz 4 GWB) und vom Auftraggeber ordnungsgemäß festgelegt und bekanntgemacht worden sind (§ 127 Absatz 5 GWB).
§ 58 Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 setzt Artikel 67 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe a bis c der Richtlinie 2014/24/EU um, indem er eine exemplarische Auflistung zulässiger Zuschlagskriterien vorgibt. Die aufgeführten Beispiele füllen die unbestimmten Rechtsbegriffe der „qualitativen“, „umweltbezogenen“, und „sozialen“ Zuschlagskriterien aus, ohne diese abschließend zu determinieren.
Zu Nummer 1
Nummer 1 entspricht Artikel 67 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU. Als erstes mögliches Kriterium nennt Nummer 1 die Qualität. Dieser Aspekt kann auch die Prozessqualität umfassen. So kann etwa bei Großprojekten der Bauherr als qualitatives Kriterium neben dem planerischen und technischen Wert oder den Betriebs- und Folgekosten auch die Qualität der Auftragsdurchführung, z. B. des Risikomanagements im Rahmen des Zuschlags berücksichtigen. Qualitative Aspekte können z. B. auch Sicherheits- und sicherheitstechnische Anforderungen unter Berücksichtigung der Maßgaben des § 127 Absatz 3 bis 5 GWB umfassen.
Im Hinblick auf die von der Richtlinie verwendeten Begriffe der „Zugänglichkeit“ sowie des „Design für Alle“ erfolgt eine begriffliche Klarstellung. So wird klargestellt, dass die Zugänglichkeit der Leistung für Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden kann. Damit wird die Terminologie des Artikels 9 Absatz 1 der UN-Behindertenrechtskonvention aufgegriffen, welche in Deutschland aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. 2008 II, 1419) unmittelbare Wirkung entfaltet und auch für das Unionsrecht aufgrund des Beschlusses des Rates vom 26. November 2009 über den Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. L 23 vom 27.1.2010, S. 35) maßgeblich ist.
Die Anforderungen des „Designs für Alle“ erfassen über den Begriff der „Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen“ hinaus auch die Nutzbarkeit und Erlebbarkeit für möglichst alle Menschen – also die Gestaltung von Bauten, Produkten und Dienstleitungen auf eine Art und Weise, dass sie die Bandbreite menschlicher Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bedürfnisse und Vorlieben berücksichtigen, ohne Nutzer durch Speziallösungen zu stigmatisieren. Das Kriterium des „Designs für Alle“ schließt also die „Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen“ ein, sodass auch bei diesem Zuschlagskriterium die Vorgaben zur Sicherstellung der Barrierefreiheit zu beachten sind.
Nummer 1 nennt auch umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien. Voraussetzung ist auch hier, dass der notwendige Bezug zum Auftragsgegenstand besteht. Allerdings stellt bereits § 127 Absatz 3 GWB in Umsetzung des Artikels 67 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU klar, dass ein Auftragsbezug künftig auch dann angenommen werden kann, wenn sich das Kriterium auf ein beliebiges Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht. Dies kann insbesondere Prozesse der Herstellung (auch der Rohstoffgewinnung), Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung betreffen, aber (insbesondere bei Warenlieferungen) z. B. auch den Handel mit ihr. Dabei müssen sich solche Kriterien nicht zwingend auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken. Künftig kann somit ein zu beschaffendes Produkt, das aus fairem Handel (z. B. durch die Beachtung internationaler Standards, wie etwa die ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Produktions- und Lieferkette) stammt, im Rahmen der Zuschlagswertung mit einer höheren Punktezahl versehen werden als ein konventionell gehandeltes Produkt. Damit steigen dessen Chancen, auch bei einem höheren Angebotspreis den Zuschlag zu erhalten. Gleiches gilt nach dem Erwägungsgrund 97 der Richtlinie 2014/24/EU z. B. für Kriterien, wonach zur Herstellung der zu beschaffenden Waren keine giftigen Chemikalien verwendet werden dürfen, oder dass die auszuführenden Dienstleistungen unter Einsatz energieeffizienter Maschinen erbracht werden.
Mögliches Zuschlagskriterium sind auch innovative Aspekte. Über die Möglichkeiten hinaus, die sich etwa aus dem neuen Verfahren der Innovationspartnerschaft ergeben, kommt damit der Innovation auch auf Zuschlagsebene eine wichtige Rolle zu. Das gilt um so mehr, als öffentliche Aufträge, wie es der Erwägungsgrund 94 der Richtlinie 2014/24/EU festhält, insbesondere als Motor für Innovationen eine entscheidende Rolle spielen.
Die Bedingung des Bezugs zum Auftragsgegenstand schließt allerdings Kriterien und Bedingungen bezüglich der allgemeinen Unternehmenspolitik aus, da es sich dabei nicht um einen Faktor handelt, der den konkreten Prozess der Herstellung oder Bereitstellung der beauftragten Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen charakterisiert. Daher sollte es öffentlichen Auftraggebern nicht gestattet sein, losgelöst vom Beschaffungsgegenstand von Bietern eine bestimmte Politik der sozialen oder ökologischen Verantwortung zu verlangen.
Selbstverständlich sind unter der Nummer 1 noch viele weitere Zuschlagskriterien möglich, da die Auflistung nicht abschließend ist. In Frage kommen dabei insbesondere auch die Erfüllung von Sicherheitsaspekten und sicherheitstechnischen Aspekten.
Zu Nummer 2
Nummer 2 setzt Artikel 67 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2014/24/EU um. Öffentliche Auftraggeber sollen ausweislich des Erwägungsgrundes 94 der Richtlinie 2014/24/EU, insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen für geistig-schöpferische Dienstleistungen wie beispielshaft Beratungstätigkeiten oder Architektenleistungen, die Qualität des mit der Ausführung des konkreten Auftrages betrauten Personals der Zuschlagsentscheidung zugrunde legen können. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz jedoch nur, soweit die bezeichneten Eigenschaften des Personals einen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung – mithin auf den wirtschaftlichen Wert der Leistung – haben kann. Die Auflistung in Nummer 2 ist im Übrigen nicht abschließend.
Zu Nummer 3
Nummer 3 setzt Artikel 67 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe c der Richtlinie 2014/24/EU um. Über die hier exemplarisch genannten Zuschlagskriterien wie z. B. der Liefertermin oder die Wartung der Leistung durch einen qualitativ hochwertigen Kundendienst ist die daher Vorgabe einer Vielzahl weiterer Kriterien denkbar, wie z. B. die Prozessqualität bei der Auftragsdurchführung. Die Auflistung in Nummer 3 ist im Übrigen nicht abschließend.
Zu Absatz 2 Satz 2
Mit § 58 Absatz 2 Satz 3 wird Artikel 67 Absatz 2 Satz 4 der Richtlinie 2014/24/EU umgesetzt. Danach kann das Kostenelement auch die Form von Festpreisen oder Festkosten annehmen. In diesem Falle konkurrieren die Unternehmen nur noch mit Blick auf Qualitätskriterien. Insbesondere, wenn die Vergütung für bestimmte Dienstleistungen oder die Festpreise für bestimmte Lieferungen durch nationale Vorschriften festgelegt ist, bleibt es auch weiterhin möglich, das Preis-Leistungs-Verhältnis ausschließlich auf der Grundlage anderer Faktoren als des Preises oder der Vergütung zu bewerten. Je nach Dienstleistung oder Ware könnten solche Faktoren beispielsweise die Liefer- und Zahlungsbedingungen, Kundendienstaspekte (zum Beispiel den Umfang von Beratungs- und Ersatzteilleistungen) oder ökologische oder soziale Aspekte (zum Beispiel den Druck von Büchern auf Recyclingpapier oder Papier aus nachhaltigem Holz) einschließen.
Zu Absatz 3
Durch Absatz 3 wird – in Umsetzung von Artikel 67 Absatz 5 der Richtlinie 2014/24/EU – § 127 Absatz 5 GWB ausgestaltet. Die Pflicht zur Angabe der Wertungskriterien und deren Gewichtung bereits in der Auftragsbekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen trägt zur Wahrung der Grundsätze der Transparenz und Nichtdiskriminierung im Vergabeverfahren bei. Der Regelungsgehalt der Vorschrift findet sich bislang in § 16 Absatz 1 Nummer 2 VSVgV sowie § 9 EG Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 VOL/A.
Zu Absatz 4
Mit Absatz 4 wird klargestellt, dass ein Auftraggeber von den Unternehmen auch für den Nachweis, dass eine angebotene Leistung den Zuschlagskriterien entspricht, Bescheinigungen von Konformitätsbewertungsstellen (nach Maßgabe des § 33) oder die Vorlage von Gütezeichen (gemäß § 34) verlangen kann. Die Norm dient der Umsetzung von Artikel 43 Absatz 1 und 44 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Absatz 5
Das hier vorgegebene „Vier-Augen-Prinzip“ bei der Zuschlagsentscheidung dient der Transparenz und Gleichbehandlung der Unternehmen im Vergabeverfahren. Es soll verhindern, dass unsachgemäße Erwägungen oder Eigeninteressen der Entscheidungsperson die Vergabeentscheidung beeinflussen. Die Entscheidung über den Zuschlag entfaltet weitreichende tatsächliche und rechtliche Folgen und kann einen erheblichen Eingriff in die Rechte eines nicht zum Zuge gekommenen Unternehmens darstellen. Daher darf die Entscheidung über den Zuschlag nur in begründeten Einzelfällen von einem einzelnen Vertreter des Auftraggebers getroffen werden.
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