Vergaberecht & Öffentlicher Einkauf

Sie befinden sich hier: Normen » Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) » § 41 Bereitstellung der Vergabeunterlagen

VgV § 41 Bereitstellung der Vergabeunterlagen

(1) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse an, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können.

(2) Der öffentliche Auftraggeber kann die Vergabeunterlagen auf einem anderen geeigneten Weg übermitteln, wenn die erforderlichen elektronischen Mittel zum Abruf der Vergabeunterlagen

  1. aufgrund der besonderen Art der Auftragsvergabe nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Geräten und Programmen der Informations- und Kommunikationstechnologie kompatibel sind,
  2. Dateiformate zur Beschreibung der Angebote verwenden, die nicht mit allgemein verfügbaren oder verbreiteten Programmen verarbeitet werden können oder die durch andere als kostenlose und allgemein verfügbare Lizenzen geschützt sind, oder
  3. die Verwendung von Bürogeräten voraussetzen, die dem öffentlichen Auftraggeber nicht allgemein zur Verfügung stehen.

Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, sofern nicht ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vorliegt.

(3) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung an, welche Maßnahmen er zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen anwendet und wie auf die Vergabeunterlagen zugegriffen werden kann. Die Angebotsfrist wird in diesen Fällen um fünf Tage verlängert, es sei denn, die Maßnahme zum Schutz der Vertraulichkeit besteht ausschließlich in der Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung oder es liegt ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 8 vor.

§ 41 dient der Umsetzung von Artikel 53 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und regelt die Bereitstellung, insbesondere die elektronische Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen.

Zu Absatz 1
Absatz 1 setzt Artikel 53 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU um. Die Vergabeunterlagen müssen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt vom Tag der Veröffentlichung einer Bekanntmachung an von jedem Interessenten mithilfe elektronischer Mittel unter einer Internetadresse abgerufen werden können.

Zu den Vergabeunterlagen gehören nach § 29 sämtliche Unterlagen, die von öffentlichen Auftraggebern erstellt werden oder auf die sie sich beziehen, um Teile des Vergabeverfahrens zu definieren. Sie umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem interessierten Unternehmen eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen.

Unentgeltlich abrufbar sind die Vergabeunterlagen dann, wenn kein an den Vergabeunterlagen Interessierter für das Auffinden, den Empfang und das Anzeigen von Vergabeunterlagen einem öffentlichen Auftraggeber oder einem Unternehmen ein Entgelt entrichten muss. Von dem Merkmal der Unentgeltlichkeit sind sämtliche Funktionen elektronischer Mittel, die nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik erforderlich sind, um auf Vergabeunterlagen zuzugreifen, umfasst.

Der Unentgeltlichkeit steht nicht entgegen, wenn öffentliche Auftraggeber oder Unternehmen über das Auffinden, den Empfang und das Anzeigen von Vergabeunterlagen sowie die dafür erforderlichen Funktionen elektronischer Mittel hinaus weitere, entgeltpflichtige Dienste anbieten, die zum Beispiel das Auffinden von Bekanntmachungen im Internet erleichtern. Allerdings darf nicht ausgeschlossen werden, dass solche entgeltpflichtigen Dienste auch unentgeltlich angeboten werden.

Uneingeschränkt und direkt abrufbar sind die Vergabeunterlagen dann, wenn die Bekanntmachung mit der anzugebenden Internetadresse einen eindeutig und vollständig beschriebenen medienbruchfreien elektronischen Weg zu den Vergabeunterlagen enthält. In der Bekanntmachung sind alle Informationen anzugeben, die es einem Bürger oder einem Unternehmen ohne wesentliche Zwischenschritte und ohne wesentlichen Zeitverlust ermöglichen, mit elektronischen Mitteln an die Vergabeunterlagen zu gelangen. Die angegebene Internetadresse muss potenziell erreichbar sein und die Vergabeunterlagen enthalten.

Mit den Vorschriften zum Einsatz elektronischer Mittel bei der Kommunikation und bei der Datenübermittlung vollzieht die Richtlinie 2014/24/EU einen Paradigmenwechsel. Leitgedanke ist der vollständige Übergang von einer papierbasierten und -gebundenen öffentlichen Auftragsvergabe zu einer durchgängig auf der Verwendung elektronischer Mittel basierenden, medienbruchfreien öffentlichen Auftragsvergabe. Dieser Paradigmenwechsel bedingt eine Neuorganisation der Abläufe im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe – bei den öffentlichen Auftraggebern ebenso wie bei den Unternehmen. Weiterhin ist mit diesem Paradigmenwechsel eine erhöhte Verantwortung der öffentlichen Auftraggeber und der Unternehmen verbunden, die Möglichkeiten der auf dem Einsatz elektronischer Medien basierenden öffentlichen Auftragsvergabe bewusst zu nutzen. Darüber hinaus kommt es stellenweise zu einer Verlagerung von Verantwortlichkeiten, insbesondere von Informationspflichten.

Uneingeschränkt und direkt abrufbar sind Vergabeunterlagen im Rahmen der auf elektronische Mittel gestützten öffentlichen Auftragsvergabe ausschließlich dann, wenn weder interessierte Bürger noch interessierte Unternehmen sich auf einer elektronischen Vergabeplattform mit ihrem Namen, mit einer Benutzerkennung oder mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren müssen, bevor sie sich über bekanntgemachte öffentliche Auftragsvergaben informieren oder Vergabeunterlagen abrufen können. Beides muss interessierten Bürgern oder interessierten Unternehmen ohne vorherige Registrierung möglich sein. Aus dieser Freiheit resultiert allerdings auch die Pflicht zur selbständigen, eigenverantwortlichen Information interessierter Bürger und Unternehmen über etwaige Änderung der Vergabeunterlagen oder die Bereitstellung zusätzlicher Informationen, z. B. durch Antworten des öffentlichen Auftraggebers auf Bieterfragen. Die öffentlichen Auftraggeber müssen solche Änderungen allen Interessierten direkt und uneingeschränkt verfügbar machen. Sie müssen jedoch nicht dafür sorgen, dass sie tatsächlich zur Kenntnis genommen werden.

Vollständig abrufbar sind die Vergabeunterlagen dann, wenn über die Internetadresse in der Bekanntmachung sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben abgerufen werden können.

Zu Absatz 2
Absatz 2 setzt Artikel 53 Absatz 1 Unterabsatz 2 in Verbindung mit Artikel 22 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU um. Es wird klargestellt, dass die Pflicht, die Vergabeunterlagen grundsätzlich mithilfe elektronischer Mittel zur Verfügung zu stellen in den genannten Fällen nicht besteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn kein unentgeltlicher, uneingeschränkter, vollständiger und direkter Zugang zu den Vergabeunterlagen angeboten werden kann. Die Angebotsfrist verlängert sich in diesen Fällen nach Satz 2 allerdings zwingend um fünf Tage. Andere als elektronische Mittel sollen ausschließlich in Bezug auf jene Bestandteile der Vergabeunterlagen verwendet werden, die ausdrücklich zu den in den Nummern 1, 2 und 3 geregelten Fällen zu zählen sind.

Zu Nummer 1
Nummer 1 regelt Fälle, in denen der öffentliche Auftraggeber spezielle elektronische Mittel verwendet, die nicht allgemein verfügbar sind.

Zu Nummer 2
Nummer 2 regelt Fälle, in denen der öffentliche Auftraggeber spezielle Dateiformate vorgibt, die entweder nicht allgemein verfügbar sind oder lizenzrechtlich geschützt sind.

Zu Nummer 3
Nummer 3 regelt Fälle, in denen die Verwendung elektronischer Mittel spezielle Bürogeräte voraussetzt, die öffentlichen Auftraggebern nicht allgemein zur Verfügung stehen. Hiervon erfasst sind beispielsweise Bürogeräte wie Großformatdrucker oder Plotter.

Zu Absatz 3
Absatz 3 setzt Artikel 53 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU um. Es wird klargestellt, dass in Fällen, in denen zwar bei Verwendung allgemein verfügbarer elektronischer Mittel das erforderliche Datenschutz- oder Sicherheitsniveau nicht sichergestellt werden, in denen jedoch die kombinierte Verwendung elektronischer, alternativer elektronischer und/oder anderer als elektronischer Mittel dieses sichern kann, es den öffentlichen Auftraggebern gestattet ist, so zu verfahren. Die Verwendung anderer als elektronischer Mittel ist öffentlichen Auftraggebern nur hinsichtlich des Schutzes besonders sensibler Daten gestattet. Genügt der Rückgriff auf alternative elektronische Mittel, um das nötige Schutzniveau zu sichern, müssen alternative elektronische Mittel genutzt werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die öffentlichen Auftraggeber die Verwendung spezieller, sicherer elektronischer Kommunikationskanäle vorschreiben, zu denen sie den Zugang gewähren.

Die Angebotsfrist verlängert sich grundsätzlich um fünf Tage, sofern nicht ein Fall hinreichend begründeter Dringlichkeit gemäß § 15 Absatz 3, § 16 Absatz 7 oder § 17 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 7 vorliegt. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Maßnahme zum Schutz der Vertraulichkeit (lediglich) in der Vorgabe für die Bewerber/Bieter besteht, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Hier erscheint ein zwingendes Gebot zur Fristverlängerung überzogen, weil die Abgabe einer solchen Erklärung für den Bewerber/Bieter nur mit sehr geringem Mehraufwand verbunden ist.


Quelle: Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsverordnung – VergRModVO)

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Vergabesymposium 2026

  • 19. – 20. Mai 2026
  • Jahrhunderthalle Bochum
  • 32 Referenten · 2 Fachforen
  • Frühbucherrabatt bis zum 31. Januar