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VgV § 3 Schätzung des Auftragswerts
(1) Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter vor, sind auch diese zu berücksichtigen.
(2) Die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts darf nicht in der Absicht erfolgen, die Anwendung der Bestimmungen des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung zu umgehen. Eine Auftragsvergabe darf nicht so unterteilt werden, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung fällt, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor, etwa wenn eine eigenständige Organisationseinheit selbstständig für ihre Auftragsvergabe oder bestimmte Kategorien der Auftragsvergabe zuständig ist.
(3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts ist der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.
(4) Der Wert einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wird auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwertes aller Einzelaufträge berechnet, die während der gesamten Laufzeit einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems geplant sind.
(5) Der zu berücksichtigende Wert im Falle einer Innovationspartnerschaft entspricht dem geschätzten Gesamtwert der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die während sämtlicher Phasen der geplanten Partnerschaft stattfinden sollen, sowie der Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, die zu entwickeln und am Ende der geplanten Partnerschaft zu beschaffen sind.
(6) Bei der Schätzung des Auftragswerts von Bauleistungen ist neben dem Auftragswert der Bauaufträge der geschätzte Gesamtwert aller Liefer- und Dienstleistungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind und vom öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Die Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers, Aufträge für die Planung und die Ausführung von Bauleistungen entweder getrennt oder gemeinsam zu vergeben, bleibt unberührt.
(7) Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses.
(8) Kann ein Vorhaben zum Zweck des Erwerbs gleichartiger Lieferungen zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen.
(9) Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Vergabe einzelner Lose von Absatz 7 Satz 2 sowie Absatz 8 abweichen, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Liefer- und Dienstleistungen unter 80 000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 Million Euro liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt.
(10) Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen sowie bei Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlängert werden sollen, ist der Auftragswert zu schätzen
- auf der Grundlage des tatsächlichen Gesamtwerts entsprechender aufeinanderfolgender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr oder Geschäftsjahr; dabei sind voraussichtliche Änderungen bei Mengen oder Kosten möglichst zu berücksichtigen, die während der zwölf Monate zu erwarten sind, die auf den ursprünglichen Auftrag folgen, oder
- auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwerts aufeinanderfolgender Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate oder während des auf die erste Lieferung folgenden Haushaltsjahres oder Geschäftsjahres, wenn dieses länger als zwölf Monate ist, vergeben werden.
(11) Bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert
- bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge, und
- bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert.
(12) Bei einem Planungswettbewerb nach § 69, der zu einem Dienstleistungsauftrag führen soll, ist der Wert des Dienstleistungsauftrags zu schätzen zuzüglich etwaiger Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer. Bei allen übrigen Planungswettbewerben entspricht der Auftragswert der Summe der Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer einschließlich des Werts des Dienstleistungsauftrags, der vergeben werden könnte, soweit der öffentliche Auftraggeber diese Vergabe in der Wettbewerbsbekanntmachung des Planungswettbewerbs nicht ausschließt.
§ 3 normiert die bei der Schätzung des Wertes eines öffentlichen Auftrages zu beachtenden materiellen und formellen Vorgaben. Er dient der Umsetzung von Artikel 5 der Richtlinie 2014/24/EU. Ziel von Artikel 5 der Richtlinie 2014/24/EU und damit auch von § 3 ist die umfassende Berücksichtigung aller Kosten, die mit einem Auftrag in Verbindung stehen.
Zu Absatz 1
Absatz 1 entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 3 Absatz 1 VgV. Er enthält nunmehr einen expliziten Hinweis darauf, dass die Umsatzsteuer bei der Schätzung des Auftragswerts außer Acht zu lassen ist.
Die Schätzung des Auftragswerts ist unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2000 − C-16/98 – „Kommission./.Frankreich“, EuGH, Urteil vom 15. März 2012 – C-574/10 – „Autalhalle Niedernhausen“) vorzunehmen. Nach dieser Entscheidung ist eine Aufteilung nicht gerechtfertigt, wenn die Leistung, die aufgeteilt wird, im Hinblick auf ihre technische und wirtschaftliche Funktion einen einheitlichen Charakter aufweist. Im Rahmen dieser funktionellen Betrachtungsweise sind organisatorische, inhaltliche, wirtschaftliche sowie technische Zusammenhänge zu berücksichtigen. Anhand dieser Kriterien ist zu bestimmen, ob Teilaufträge untereinander auf solch eine Weise verbunden sind, dass sie als ein einheitlicher Auftrag anzusehen sind. Die Werte derart miteinander verknüpfter Leistungen sind zusammenzurechnen, obgleich sie möglicherweise konsekutiv erbracht werden.
Die Frage nach dem „wie“ der Auftragswertschätzung ist ausschließlich vergaberechtlich unter Zugrundelegung des funktionalen Auftragsbegriffs zu beantworten.
Zu Absatz 2
Absatz 2 dient der Umsetzung von Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU. Er entspricht inhaltlich weitgehend dem bisherigen § 3 Absatz 2 VgV. Die in § 3 Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 neu eingefügte Ausnahme legt fest, dass die Aufteilung eines Auftrages nicht in der Absicht erfolgen darf, den Auftrag dem Anwendungsbereich der Verordnung zu entziehen, es sei denn, dass objektive – und somit sachlich gerechtfertigte – Gründe die Aufteilung rechtfertigen. Die Bedeutung dieser Ausnahme ist unter Rückgriff auf die Entscheidung „Autalhalle“ des EuGH (Urt. v. 15.03.2012 – C-574/10) zu bestimmen. Nach dieser Entscheidung ist eine Aufteilung jedenfalls nicht gerechtfertigt, wenn die Leistung, die aufgeteilt wird, unter funktionellen Gesichtspunkten einen einheitlichen Charakter aufweist. Im Rahmen dieser funktionellen Betrachtungsweise sind organisatorische, inhaltliche, wirtschaftliche sowie technische Zusammenhänge zu berücksichtigen. Anhand dieser Kriterien ist zu bestimmen, ob Teilaufträge untereinander auf solch eine Weise verbunden sind, dass sie als ein einheitlicher Auftrag anzusehen sind. Die Werte derart miteinander verknüpfter Leistungen sind zusammenzurechnen, obgleich sie möglicherweise konsekutiv erbracht werden.
Objektive Gründe können aus internen Organisationsentscheidungen des Auftraggebers resultieren. So kann der Auftraggeber selbständige Einheiten seiner Einrichtung mit einem eigenen Budget zur Mittelbewirtschaftung ausstatten und ihnen damit auch das Recht zur Beschaffung von Leistungen einräumen. Solche Konstellationen können objektive Gründe darstellen, dass Aufträge über dieselbe Leistung voneinander unabhängig vergeben werden dürfen. Als eigenständige Organisationseinheiten können etwa Schulen oder Kindergärten angesehen werden.
Zu Absatz 3
Absatz 3 stimmt mit dem bisherigen § 3 Absatz 9 VgV überein. Damit wird Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU umgesetzt.
Zu Absatz 4
Gemäß Absatz 4 wird der Wert von Rahmenvereinbarungen oder dynamischen Beschaffungssystemen auf der Grundlage des geschätzten Wertes der kumulierten Einzelaufträge berechnet. Die Vorschrift setzt Artikel 5 Absatz 5 der Richtlinie 2014/24/EU um und entspricht dem bisherigen § 3 Absatz 6 VgV.
Zu Absatz 5
Absatz 5 wurde neu eingefügt und setzt Artikel 5 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU um. Er normiert die Berechnung des Wertes im Rahmen des durch Artikel 31 der Richtlinie 2014/24/EU eingeführten Vergabeverfahrens der Innovationspartnerschaft, welche die verfahrenstechnische Grundlage für die Verknüpfung von Forschungs-/Entwicklungsdienstleistungen und Erwerbselementen bildet. Absatz 5 zielt auf eine umfassende Berücksichtigung der Vergütung aller Forschungs- und Entwicklungsleistungen, einschließlich des Wertes der durch den öffentlichen Auftraggeber nach Abschluss der Innovationspartnerschaft zu beschaffenden innovativen Leistung.
Zu Absatz 6
Absatz 6 regelt die Schätzung des Auftragswerts von Bauleistungen. Er stimmt weitgehend mit dem bisherigen § 3 Absatz 5 der Vergabeverordnung überein. Die Hinzurechnung von Leistungen bei der Auftragswertschätzung von Bauleistungen wurde in Umsetzung der Richtlinienregelung um Dienstleistungen ergänzt. Dabei geht es um solche Dienstleistungen, die unmittelbar für die Errichtung des Bauwerkes erforderlich sind. Es sind nur in diesem Zusammenhang stehende Dienstleistungen gemeint. Die Vorschrift bezweckt nämlich nicht, eine gemeinsame Vergabe von Bau- und Planungsleistungen vorzuschreiben.
Zu Absatz 7
Absatz 7 enthält Regelungen zur Auftragswertberechnung bei losweiser Vergabe. Satz 1 bestimmt, dass bei einem Auftrag, der in mehreren Losen vergeben wird, der addierte geschätzte Gesamtwert sämtlicher Lose den Auftragswert bildet. Satz 2 stellt deklaratorisch fest, dass nur die Werte solcher Planungsleistungen zusammenzurechnen sind, die gleichartig sind. Bei der Bewertung, ob Planungsleistungen gleichartig sind, ist die wirtschaftliche oder technische Funktion der Leistung zu berücksichtigen. Mit Satz 3 wird inhaltlich die Regelung gemäß § 3 Abs. 7 Satz 4 VgV a. F. fortgeführt.
Zu Absatz 8
Absatz 8 setzt Artikel 5 Absatz 9 der Richtlinie 2014/24/EU um. Dabei sind unter gleichartigen Lieferungen im Zusammenhang mit der Auftragswertschätzung Lieferleistungen zu verstehen, die für gleichartige Verwendungszwecke vorgesehen sind.
Zu Absatz 9
Absatz 9 enthält die sogenannte „80/20-Regel“. Danach dürfen im Falle der Losvergabe Lose bis zu einer bestimmten Höhe außerhalb der Bestimmungen für den Oberschwellenbereich vergeben werden, soweit sie die Höchstgrenze von 20 Prozent des Gesamtwertes nicht übersteigen. Damit wird Artikel 5 Absatz 10 der Richtlinie 2014/24/EU umgesetzt.
Zu Absatz 10
Absatz 10 behandelt die Berechnung des Auftragswerts im Falle von regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen. Die Vorschrift enthält, in Umsetzung von Artikel 5 Absatz 11 der Richtlinie 2014/24/EU, den Hinweis, dass nur solche regelmäßig wiederkehrenden Aufträge oder Daueraufträge von ihr erfasst werden, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlängert werden sollen. Zudem führt Absatz 9 neben dem Haushaltsjahr das Geschäftsjahr als weiteren Referenzzeitraum für die Schätzung des Auftragswerts auf. Im Übrigen entspricht er dem bisherigen § 3 Absatz 3 VgV.
Zu Absatz 11
Absatz 11 stimmt mit dem bisherigen § 3 Absatz 4 VgV überein und regelt die Schätzung über Aufträge von Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird.
Zu Absatz 12
Absatz 12 entspricht, abgesehen von einigen redaktionellen Anpassungen, dem bisherigen § 3 Absatz 8 VgV. Geregelt wird die Auftragswertschätzung bei Planungswettbewerben, die zu einem Dienstleistungsauftrag führen sollen.
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