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VgV § 14 Wahl der Verfahrensart
(1) Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen erfolgt nach § 119 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren, im Verhandlungsverfahren, im wettbewerblichen Dialog oder in der Innovationspartnerschaft.
(2) Dem öffentlichen Auftraggeber stehen das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert, nach seiner Wahl zur Verfügung. Die anderen Verfahrensarten stehen nur zur Verfügung, soweit dies durch gesetzliche Bestimmungen oder nach den Absätzen 3 und 4 gestattet ist.
(3) Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im wettbewerblichen Dialog vergeben, wenn
- die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
- der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst,
- der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann,
- die Leistung, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vom öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit unter Verweis auf eine Norm, eine Europäische Technische Bewertung (ETA), eine gemeinsame technische Spezifikation oder technische Referenzen im Sinne der Anlage 1 Nummer 2 bis 5 beschrieben werden kann oder
- im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine ordnungsgemäßen oder nur unannehmbare Angebote eingereicht wurden; nicht ordnungsgemäß sind insbesondere Angebote, die nicht den Vergabeunterlagen entsprechen, nicht fristgerecht eingereicht wurden, nachweislich auf kollusiven Absprachen oder Korruption beruhen oder nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers ungewöhnlich niedrig sind; unannehmbar sind insbesondere Angebote von Bietern, die nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügen, und Angebote, deren Preis die vor Einleitung des Vergabeverfahrens festgelegten und dokumentierten eingeplanten Haushaltsmittel des öffentlichen Auftraggebers übersteigt; der öffentliche Auftraggeber kann in diesen Fällen von einem Teilnahmewettbewerb absehen, wenn er in das Verhandlungsverfahren alle geeigneten Unternehmen einbezieht, die form- und fristgerechte Angebote abgegeben haben.
(4) Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben,
- wenn in einem offenen oder einem nicht offenen Verfahren keine oder keine geeigneten Angebote oder keine geeigneten Teilnahmeanträge abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend geändert werden; ein Angebot gilt als ungeeignet, wenn es ohne Abänderung den in den Vergabeunterlagen genannten Bedürfnissen und Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers offensichtlich nicht entsprechen kann; ein Teilnahmeantrag gilt als ungeeignet, wenn das Unternehmen aufgrund eines zwingenden oder fakultativen Ausschlussgrunds nach den §§ 123 und 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann oder wenn es die Eignungskriterien nicht erfüllt,
- wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann,
- weil ein einzigartiges Kunstwerk oder eine einzigartige künstlerische Leistung erschaffen oder erworben werden soll,
- weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist oder
- wegen des Schutzes von ausschließlichen Rechten, insbesondere von gewerblichen Schutzrechten,
- wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein,
- wenn eine Lieferleistung beschafft werden soll, die ausschließlich zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken hergestellt wurde; hiervon nicht umfasst ist die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit des Produkts oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten,
- wenn zusätzliche Lieferleistungen des ursprünglichen Auftragnehmers beschafft werden sollen, die entweder zur teilweisen Erneuerung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen bestimmt sind, und ein Wechsel des Unternehmens dazu führen würde, dass der öffentliche Auftraggeber eine Leistung mit unterschiedlichen technischen Merkmalen kaufen müsste und dies eine technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung mit sich bringen würde; die Laufzeit dieser öffentlichen Aufträge darf in der Regel drei Jahre nicht überschreiten,
- wenn es sich um eine auf einer Warenbörse notierte und gekaufte Lieferleistung handelt,
- wenn Liefer- oder Dienstleistungen zu besonders günstigen Bedingungen bei Lieferanten, die ihre Geschäftstätigkeit endgültig einstellen, oder bei Insolvenzverwaltern oder Liquidatoren im Rahmen eines Insolvenz-, Vergleichs- oder Ausgleichsverfahrens oder eines in den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union vorgesehenen gleichartigen Verfahrens erworben werden,
- wenn im Anschluss an einen Planungswettbewerb im Sinne des § 69 ein Dienstleistungsauftrag nach den Bedingungen dieses Wettbewerbs an den Gewinner oder an einen der Preisträger vergeben werden muss; im letzteren Fall müssen alle Preisträger des Wettbewerbs zur Teilnahme an den Verhandlungen aufgefordert werden, oder
- wenn eine Dienstleistung beschafft werden soll, die in der Wiederholung gleichartiger Leistungen besteht, die durch denselben öffentlichen Auftraggeber an das Unternehmen vergeben werden, das den ersten Auftrag erhalten hat, sofern sie einem Grundprojekt entsprechen und dieses Projekt Gegenstand des ersten Auftrags war, das im Rahmen eines Vergabeverfahrens mit Ausnahme eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben wurde; die Möglichkeit der Anwendung des Verhandlungsverfahrens muss bereits in der Auftragsbekanntmachung des ersten Vorhabens angegeben werden; darüber hinaus sind im Grundprojekt bereits der Umfang möglicher Dienstleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie vergeben werden, anzugeben; der für die nachfolgenden Dienstleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert wird vom öffentlichen Auftraggeber bei der Berechnung des Auftragswerts berücksichtigt; das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb darf nur innerhalb von drei Jahren nach Abschluss des ersten Auftrags angewandt werden.
(5) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 1 ist der Europäischen Kommission auf Anforderung ein Bericht vorzulegen.
(6) Die in Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b und c genannten Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gelten nur dann, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.
Zu Absatz 1
Absatz 1 benennt die zulässigen Verfahrensarten zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen und bezieht sich dabei ausdrücklich auf den gleichlautenden § 119 GWB.
Zu Absatz 2
Absatz 2 entspricht inhaltlich dem § 119 Absatz 2 GWB und regelt das Verhältnis der Vergabeverfahrensarten untereinander. Wesentliche Neuerung gegenüber der bisherigen Regelung in § 3 EG VOL/A ist in Umsetzung des Artikels 26 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU die grundsätzliche Wahlfreiheit für öffentliche Auftraggeber zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren. Eine Definition dieser Begriffe enthält der § 119 Absatz 3 und 4 GWB. Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über die Verfahrensart ist unter Berücksichtigung geeigneter Maßnahmen zur Verhütung von Korruption zu treffen. Dabei sind ein größtmöglicher Wettbewerb sowie ein hohes Maß an Transparenz sicherzustellen.
Zu Absatz 3
Im Unterschied zur Regelung der Verfahrensarten in § 119 GWB konkretisieren die Absätze 3 und 4 die einzelnen Verfahren hinsichtlich der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen. Absatz 3 bestimmt in Umsetzung des Artikels 26 Absatz 4 Buchstabe a und b der Richtlinie 2014/24/EU die Voraussetzungen für eine Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im wettbewerblichen Dialog. Die aufgeführten Tatbestände sind abschließend.
Ein Verhandlungsverfahren oder ein wettbewerblicher Dialog bieten sich insbesondere bei Dienstleistungen und Lieferungen an, die konzeptionelle oder innovative Lösungen erfordern. Nach Erwägungsgrund 43 der Richtlinie 2014/24/EU dürfen das Verhandlungsverfahren und der wettbewerbliche Dialog nicht genutzt werden bei Standarddienstleistungen oder Standardlieferungen, die von vielen Marktteilnehmern erbracht werden können.
Zu Nummer 1
Nummer 1 dient der Umsetzung des Artikels 26 Absatz 4 Buchstabe a Nummer i der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Nummer 2
Nummer 2 setzt Artikel 26 Absatz 4 Buchstabe a Nummer ii der Richtlinie 2014/24/EU um und lässt das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb und den wettbewerblichen Dialog künftig auch dann zu, wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst. Nach Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2014/24/EU hat sich der wettbewerbliche Dialog insbesondere in Fällen als nützlich erwiesen, in denen der öffentliche Auftraggeber nicht in der Lage ist, die Mittel zur Befriedigung seines Bedarfs zu definieren oder zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen zu bieten hat. Diese Situation kann insbesondere bei innovativen Projekten, bei der Realisierung großer, integrierter Verkehrsinfrastrukturprojekte oder großer Computer-Netzwerke oder bei Projekten mit einer komplexen, strukturieren Finanzierung eintreten. Aber auch die Vergabe freiberuflicher Leistungen wird häufig unter diese Kategorie fallen.
Zu Nummer 3
Nummer 3 übernimmt die Regelung des Artikels 26 Absatz 4 Buchstabe a Nummer iii der Richtlinie 2014/24/EU. Beispielhaft für komplexe Anschaffungen bei Dienstleistungen oder Lieferungen sind besonders hoch entwickelte Waren, geistige Dienstleistungen wie etwa bestimmte Beratungs-, Architekten- oder Ingenieurleistungen oder Großprojekte der Informations- und Kommunikationstechnologie (Erwägungsgrund 43 der Richtlinie 2014/24/EU).
Zu Nummer 4
Nummer 4 setzt Artikel 26 Absatz 4 Buchstabe a Nummer iv der Richtlinie 2014/24/EU um.
Zu Nummer 5
Nummer 5 dient der Umsetzung des Artikels 26 Absatz 4 Buchstabe b Unterabsatz 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU. In Fällen, in denen ein offenes oder nicht offenes Verfahren nur zu nicht ordnungsgemäßen oder inakzeptablen Angeboten geführt hat, soll es den öffentlichen Auftraggebern gestattet sein, Verhandlungen zu führen oder einen Dialog zu eröffnen mit dem Ziel, reguläre und akzeptable Angebote zu erhalten. Die Begriffe der nicht ordnungsgemäßen und unannehmbaren Angebote werden in entsprechender Umsetzung des Regelungsgehalts der Richtlinie definiert.
Zu Absatz 4
Absatz 4 benennt in Umsetzung des Artikels 32 Absatz 2 bis 5 der Richtlinie 2014/24/EU abschließend die Voraussetzungen für die Durchführung von Verhandlungsverfahren, bei denen der öffentliche Auftraggeber von der vorherigen Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs absehen kann.
Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb sollen grundsätzlich nur unter außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen (Erwägungsgrund 50 der Richtlinie 2014/24/EU). Diese Ausnahme ist auf Fälle beschränkt, in denen ein Teilnahmewettbewerb entweder aus Gründen äußerster Dringlichkeit wegen unvorhersehbarer und vom öffentlichen Auftraggeber nicht zu verantwortender Ereignisse nicht möglich ist oder in denen von Anfang an klar ist, dass ein Teilnahmewettbewerb nicht zu mehr Wettbewerb oder besseren Beschaffungsergebnissen führen würde.
Zu Nummer 1
Nummer 1 dient der Umsetzung des Artikels 32 Absatz 2 Buchstabe a Unterabsatz 1 und 2 der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Nummer 2
Nummer 2 Buchstabe a bis c setzt Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2014/24/EU um. In diesem Zusammenhang ist im Hinblick auf die Buchstaben a und b auch Absatz 6 zu beachten.
Zu Nummer 3
In Umsetzung des Artikels 32 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 2014/24/EU kommt nach Nummer 3 ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in Betracht, wenn aufgrund besonderer Dringlichkeit die Fristen nicht eingehalten werden können, die für die anderen Vergabeverfahren vorgeschrieben sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müssen dabei drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Es muss ein unvorhergesehenes Ereignis vorliegen, es müssen dringliche und zwingende Gründe bestehen, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen, und ein Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhergesehen Ereignis und den sich daraus ergebenden zwingenden, dringlichen Gründen gegeben sein. Diese Kriterien hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zuletzt in einem Rundschreiben vom 9. Januar 2015 näher erläutert. Die Beweislast dafür, dass die eine Ausnahme rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstände tatsächlich vorliegen, trägt der öffentliche Auftraggeber, der sich auf die Ausnahme berufen will. Mit Blick auf besondere Beschaffungsnotwendigkeiten – wie zuletzt bei der Beschaffung von Leistungen zu ordnungsgemäßen und menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen – hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Voraussetzungen für das Vorliegen der „besonderen Dringlichkeit“ mit Rundschreiben vom 24. August 2015 weiter konkretisiert.
Zu Nummer 4
Nummer 4 übernimmt die Regelung des Artikels 32 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Nummer 5
Nummer 5 dient der Umsetzung des Artikels 32 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Nummer 6
Nummer 6 dient der Umsetzung des Artikels 32 Absatz 3 Buchstabe c der Richtlinie 2014/24/EU.
Zu Nummer 7
Nummer 7 setzt Artikel 32 Absatz 3 Buchstabe d der Richtlinie 2014/24/EU um.
Zu Nummer 8
Nummer 8 setzt Artikel 32 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU um.
Zu Nummer 9
Nummer 9 setzt Artikel 32 Absatz 5 Unterabsatz 1 bis 3 der Richtlinie 2014/24/EU um.
Zu Absatz 5
In Umsetzung des Artikels 32 Absatz 2 Buchstabe a Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU ist nach Absatz 5 in den Fällen des Absatzes 4 Nummer 1 der Europäischen Kommission auf Anforderung ein Bericht vorzulegen.
Zu Absatz 6
Absatz 6 setzt den letzten Satz des Artikels 32 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2014/24/EU um.
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