Wie sich zeigt, nutzen immer noch einige Vergabestellen E-Mails als Kommunikationsmittel in Vergabeverfahren, ohne auf die technische Infrastruktur einer Vergabeplattform zurückzugreifen. Rein rechtlich ist dies – mit Ausnahme der Entgegennahme elektronischer Angebote, Teilnahmeanträge sowie Interessenbekundungen bei förmlichen Verfahren – zwar grundsätzlich möglich, birgt allerdings spezifische Risiken, die im Streitfall die Aufhebung des Vergabeverfahrens oder zumindest eine Zurückversetzung verursachen können.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Im vorliegenden Blog-Beitrag werden anhand der Entscheidung der Vergabekammer Thüringen (vom 14.07.2017, 250 – 4002 – 5969 / 2017 – N – 007 – EIC) die rechtlichen Probleme bei der Verwendung von E-Mails in Vergabeverfahren dargestellt, um darauf aufbauend Hinweise für eine rechtssichere Handhabung zu geben.

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Die Entscheidung

Der Sachverhalt zur o.g. Entscheidung ist geradezu typisch: Der Vergabestelle fällt auf, dass die Bewerber über einen ausschreibungsrelevanten Sachverhalt informiert werden müssen. Vorliegend waren es kalkulationserhebliche Mengenangaben zum Gerüstbau. Hierüber wurden die Bewerber per E-Mail informiert. In der Vergabeakte wurde ein Ausdruck der E-Mail mit dem Vermerk: „Gesendet: Montag, 29. Mai 2017 10:08“ abgelegt. Ein Bewerber kalkuliert ohne die per E-Mail versandten Angaben und gab sein Angebot ab. Er wurde deshalb vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Er erhob in dem nationalen Verfahren Einspruch vor der Vergabekammer und behauptete, die E-Mail der Vergabestelle nicht erhalten zu haben. § 19 des Thüringer Vergabegesetzes (ThürVgG) bietet im Unterschwellenbereich bei Bauleistungen ab 150.000 Euro (netto) eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit.

In ihrer Entscheidung fokussiert sich die Vergabekammer (VK) auf den Nachweis des Zuganges der E-Mail beim Empfänger. Dabei stellt sie sehr differenziert fest, dass der oben zitierte Ausdruck mit dem Vermerk nicht als Beleg des Zugangs der E-Mail beim Empfänger dienen könne. Er sei lediglich ein Nachweis über das Versenden der E-Mail von der Vergabestelle an den Bewerber.

Davon ausgehend greift die VK auf eine Argumentation des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zurück: Ein Ausdruck der E-Mail ohne Eingangs- oder Lesebestätigung reiche für den Anscheinsbeweis des Zugangs nicht aus. Dieser ergebe sich auch nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann“ (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12).

Letztlich biete die Absendung einer E-Mail keinerlei Gewähr dafür, dass die Nachricht den Empfänger auch wirklich erreicht; es liege kein Anscheinsbeweis für den Eingang der E-Mail in dessen Mailbox vor. Dagegen könne den Eingangs- oder Lesebestätigungen ein Anscheinsbeweis für den Zugang zugebilligt werden (jurisPK-BGB, 8. Aufl. / Reichold).

In dem zu entscheidenden Fall war das Fehlen dieser Eingangs- oder Lesebestätigungen maßgeblich. Das Vergabeverfahren war folgerichtig in den Stand vor der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zurückzuversetzen.

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Was folgt daraus?

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass, wenn in Vergabeverfahren auf den ergänzenden Einsatz von E-Mails gesetzt werden soll, zwingend eine Eingangs- bzw. Lesebestätigung des Empfängers eingeholt und dokumentiert werden muss (vgl. hierzu bereits einen Beschluss der Vergabekammer des Bundes). Grundsätzlich verfügen marktgängige E-Mail-Programme über entsprechende Funktionen.

Technisch möglich und nicht unüblich ist allerdings, dass auf Seiten der Unternehmen in deren E-Mail-Servern Vorgaben hinterlegt werden, aufgrund derer ein Versand von Zustell- bzw. Lesebestätigungen grundsätzlich unterbunden wird. Folge für die Vergabestellen ist, dass der Eingang der Lesebestätigungen nicht nur nachgehalten, sondern im Fall des Ausbleibens der Zugang der Informationen anderweitig nachgewiesen werden muss. Denkbar sind Lesebestätigungen, die per Fax vom Empfänger bestätigt werden oder die Dokumentation entsprechender Erklärungen in Protokollen.

Nicht nur vor dem Hintergrund des hierdurch entstehenden Mehraufwands, sondern auch aus Gründen der Prozesssicherheit und zum Schutz der eigenen Mitarbeiter der Vergabestelle empfiehlt es sich, die Anzahl der „Kommunikationskanäle“, über die zwischen Vergabestelle und Bewerber kommuniziert wird, möglichst gering zu halten.

Dabei sollte auf qualifizierte technische Lösungen gesetzt werden, die eine rechtssichere Bieterkommunikation sicherstellen und dokumentieren.

Bildquelle: Sven Hoppe – stock.adobe.com