Vergaberecht

In einem mehrteiligen Beitrag von Herrn Ralf Sand befassen wir uns mit der anstehenden Reform der Unterschwellenvergabe im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen (außer Bau) und der Nachfolgeregelung zur VOL/A, der sog. Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) auf Basis des aktuellen Diskussionsentwurfs.

Im ersten Teil ging es um den Anwendungsbereich, die Grundsätze sowie geänderten Regelungen zu den Verfahrensarten, der zweite Teil behandelte im Schwerpunkt die Anforderungen an die E-Vergabe und weitgehende Angleichungen zur elektronischen Kommunikation an die Regelungen der VgV. Der vorliegende dritte Teil befasst sich nun mit den Änderungen bei der Bietereignung und dem Zuschlagsverfahren.

Teil III
UVgO-E: Eignung und Zuschlag

Im dritten und letzten Beitrag zur UVgO-E werden die Bietereignung und das Zuschlagsverfahren betrachtet.

Bereits in der VgV sind die Regelungen zur Bietereignung sehr umfassend und mit einer hohen Detailtiefe überarbeitet worden. Auch in der UVgO-E erfolgt nun eine entsprechende Überarbeitung in Anlehnung an das GWB bzw. die VgV. Der Begriff der Bietereignung wurde bislang durch die unbestimmten Rechtsbegriffe der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit definiert. Der Begriff der Zuverlässigkeit entfällt zukünftig. Stattdessen wurde nun ein Querverweis auf die §§ 123 und 124 GWB aufgenommen. § 123 GWB enthält die zwingenden, § 124 GWB die optionalen Ausschlussgründe eines Unternehmens vom Vergabeverfahren. Ein hiernach ausgeschlossenes Unternehmen gilt als nicht geeignet und ist daher für einen Zuschlag bzw. zur Angebotsabgabe in einem Teilnahmewettbewerb nicht zu berücksichtigen. Einzige Ausnahme von der Nichtberücksichtigung wäre eine etwaige Selbstreinigung des Unternehmens (§ 125 GWB). Bei Nichtberücksichtigung kann der Auftraggeber eine Auftragssperre aussprechen (§ 126 GWB).

Der Begriff der Fachkunde umfasst die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, der Begriff der Leistungsfähigkeit umfasst die wirtschaftliche, finanzielle, technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Zur Prüfung der Fachkunde und Leistungsfähigkeit soll der Auftraggeber Eignungskriterien festlegen. Die festgelegten Eignungskriterien müssen einen Auftragsbezug aufweisen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung anzugeben. Ebenfalls anzugeben sind die Erklärungen und Nachweise, mit denen die Eignungskriterien zu belegen sind. Konnte der Auftraggeber in den Verfahrensarten ohne Teilnahmewettbewerb nicht im Vorhinein abschließen klären, ob die Eignungskriterien von einem Unternehmen erfüllt werden bzw. das Unternehmen nicht nach §§ 123, 124 GWB auszuschließen ist, kann der Auftraggeber dieses Unternehmen auch noch in der Aufforderung zur Angebotsabgabe zur Vorlage von Belegen zur Überprüfung der Eignungskriterien auffordern. Zum besseren Verständnis der Begriffe wird auf die nachfolgende Grafik hingewiesen.

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Die Möglichkeit, die Einheitliche Europäische Eigenerklärung als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen zu verlangen, wurde nunmehr auch in die UVgO-E übernommen. Im Unterschied zur VgV, in der die EEE zu akzeptieren ist, hängt die Zulässigkeit der Einreichung der EEE ausschließlich von der Vorgabe des Auftraggebers ab.

Aus der VgV wurden die Vorschriften zur Rechtsform von Unternehmen, Bietergemeinschaften und zur Eignungsleihe übernommen, sodass auch für diese Themen ein Gleichklang der Vorschriften erzielt wurde.

Eine Begrenzung der Zahl der Bewerber in einem Teilnahmeverfahren, die zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden sollen, muss nunmehr konkret angekündigt werden. Die Mindestzahl der einzuladenden Bewerber muss mindestens drei betragen. Die Ankündigung erfolgt durch Angabe der Eignungskriterien zur Begrenzung der Bewerber sowie durch Angabe der vorgesehen Mindestzahl und ggf. auch der Höchstzahl der einzuladenden Bewerber in der Auftragsbekanntmachung.

Die nach den §§ 41 ff. UVgO-E im Rahmen der Prüfung und Wertung durchzuführenden Schritte sind:

  1. Prüfung auf Vollständigkeit sowie auf fachliche und rechnerische Richtigkeit
  2. Formelle Prüfung und Eignungsprüfung
  3. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes
  4. Überprüfung von ungewöhnlich niedrigen Angeboten.

Nach § 31 UVgO-E kann bei der öffentlichen Ausschreibung die Eignung aus Schritt 2 vor die Angebotsprüfung in Schritt 1 gezogen werden. Dies wäre insbesondere in den Fällen interessant, in denen der Auftraggeber schon bei Öffnung der Angebote erkennt, dass ein Bieter bspw. nach §§ 123, 124 GWB auszuschließen ist oder nur eine geringe Zahl von Eignungsprüfungen durchzuführen ist. In diesen Fällen wäre die Verschiebung der Vollständigkeitsprüfung bzw. der Prüfung der fachlichen und rechnerischen Richtigkeit auf die zweite Stufe zur Prozesskostenersparnis (geringerer Prüfungsaufwand) sinnvoll.

Im Rahmen des ersten Prüfungsschrittes sind zur Nachforderung von Unterlagen die Regelungen der VgV übernommen worden. Diese sind in der nachfolgenden Grafik dargestellt:

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Der Auftraggeber kann die Nachforderungsmöglichkeit bereits in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen ausschließen. Bereits bei Umsetzung der VgV stieß der Verzicht einer Korrektur von leistungsbezogenen Unterlagen, die nicht die Wirtschaftlichkeitswertung betreffen, auf Unverständnis der Vergabestellen. Der Gesetzgeber wollte nicht über die Vorgaben der entsprechenden Richtlinie hinausgehen. In der UVgO-E hat er durch die inhaltsgleiche Übernahme diese Chance leider ebenfalls nicht genutzt, eine Korrekturmöglichkeit für falsche leistungsbezogene Unterlagen, die nicht die Wirtschaftlichkeitswertung betreffen, zu schaffen.

Die Prüfung der Ausschlüsse von Angeboten umfasst die bislang schon bekannte formelle Angebotsprüfung und Überprüfung der Bietereignung nach § 16 Abs. 3 – 5 VOL/A. Einziger Ausschlusstatbestand, der nun nicht mehr aufgeführt wird, ist die fehlende Unterschrift oder Signatur. Stattdessen wurde in § 42 Abs. 1 UVgO-E der Hinweis aufgenommen, dass Angebote, die nicht den Erfordernissen des § 38 genügen, ausgeschlossen werden müssen. Mit diesem Hinweis umgeht der Ordnungsgeber geschickt dem Problem, etwas zu den verschiedenen Abgabeformen sagen zu müssen: Unterschrift bei schriftlichen Angeboten, Unterschrift auf Telefax, Textform § 126b BGB, elektronisch fortgeschrittene und qualifizierte Signatur.

Die Vorgaben zur Wertung der Angebote – Zuschlag und Zuschlagskriterien – sind fast inhaltsgleich aus § 127 GWB und §§ 58, 59 GWB übernommen worden. Damit erfahren die Regelungen im Gegensatz zu den Regelungen des Abschnitt 1 der VOL/A folgende Neuerungen:

  • Berücksichtigung sozialer Zuschlagskriterien,
  • Organisation, Qualifikation, Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals als Zuschlagskriterium,
  • Vorgabe von Festpreisen oder Festkosten,
  • Berechnung des Zuschlagskriteriums Kosten auf Grundlage von Lebenszykluskosten,
  • Angabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien.

Im Rahmen der Wertung wurde nun auch die Prüfung der ungewöhnlich niedrigen Angebote verortet. Die Vorschrift wurde inhaltsgleich aus der VgV übernommen. Sie erscheint zur bisherigen Regelung im Abschnitt 1 der VOL/A wesentlich umfänglicher, jedoch ist nichts anderes als bislang auch geregelt. Einziger Unterschied: dass nun Beispiele angegeben werden, aus welchen Gründen ein Angebot ungewöhnlich niedrig sein kann. Die in § 44 Abs. 2 UVgO-E enthaltene Aufzählung ist nicht abschließend.

Sofern der Zuschlag ausnahmsweise nicht erteilt und das Vergabeverfahren aufgehoben werden soll, sind die Ausnahmetatbestände nun abschließend in § 48 UVgO-E enthalten. Diese sind identisch mit den bislang bekannten Ausnahmetatbeständen aus Abschnitt 1 der VOL/A.

Nach Erteilung des Zuschlags bzw. nach Aufhebung des Verfahrens sind die Bieter hierüber unverzüglich zu unterrichten. Neu ist die grundsätzliche Verpflichtung zur Mitteilung über den erteilten Zuschlag. Weitergehende Informationen sind, wie bislang auch, nur auf Antrag der Bieter möglich.

Fazit:

Die UVgO-E ist wesentlich umfangreicher als der bisherige Abschnitt 1 der VOL/A. Hierbei darf nicht verkannt werden, dass viele Vorgaben Ergebnis der Rechtsprechung der letzten Jahre sind und diese ebenso für die Vergaben unterhalb und oberhalb der Schwellenwerte gelten. In diesen Fällen hat der Ordnungsgeber gar keine andere Möglichkeit der Umsetzung. Kritisch zu sehen sind sicherlich die Spielräume, die der Ordnungsgeber bewusst aufgibt, ohne dass hierfür eine Notwendigkeit besteht, bspw. die formlose Abwicklung der Verhandlungsvergabe. In diesen Fällen klammert er sich viel zu sehr an die Vorgaben der VgV. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesländer die UVgO-E ohne Änderungen übernehmen werden. Ebenso bleibt abzuwarten, ob der Ordnungsgeber nicht die bestehende Kritik zum Anlass nimmt, um so manche Regelung zu überdenken.

Zum Autor

Ralf Sand

Herr Ralf Sand, Diplom Finanzwirt, Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Koordinierungs- und Beratungsstelle für Vergaben nach der VOL (KbSt-VOL), Projektleitung von vergabe.NRW und der E-Vergabe in Nordrhein-Westfalen, verantwortlicher Redakteur des VHB NRW, div. Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Co-Kommentator Neues Vergaberecht des Herdecke Verlags, Twinning-Einsätze u.a. in Kroatien, Mazedonien und der Republik Moldau.