Bundesvesverwaltungsgericht in Leipzig

Die Anfrage dürfte vielen Vergabestellen bekannt sein: Ein Informationsdienstleister begehrt – zum Teil mit Klageandrohung und gestützt auf vermeintliche presserechtliche Ansprüche – die Übermittlung nicht veröffentlichter Informationen zu Vergabeverfahren, wie z.B. den Namen des Auftragnehmers, die Auftragssumme, Anzahl der Bieter u.a. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich nun mit der Frage befasst, ob eine entsprechende Auskunftspflicht vorliegt (Urteil vom 21.03.2019, Az.: 7 C 26.17) und klargestellt, dass von Anbietern mit vorwiegend außerpublizistischen Unternehmenszwecken kein Auskunftsanspruch besteht.

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft mit dem Unternehmenszweck „Informationslogistik für die Bauwirtschaft“, betreibt eine Reihe von Internetportalen. Zentrales Angebot dieser Portale sind Datenbanken, die Informationen und Softwaredienstleistungen zu öffentlichen Ausschreibungen und Beschaffungsmärkten für die Bau- und Gebäudewirtschaft vorhalten. Auf den Portalen findet sich zudem eine Rubrik „News zu den Beschaffungsmärkten“. Darüber hinaus gibt die Klägerin ein vierteljährlich erscheinendes Druckerzeugnis heraus, dessen elektronische Fassung auf einigen ihrer Internetportale verlinkt ist.

Die Klägerin begehrte, gestützt auf das Landespressegesetz und den Rundfunkstaatsvertrag, vom Beklagten jeweils nach Abschluss eines Vergabeverfahrens Auskünfte zum Auftragnehmer, zur Auftragssumme, zur Zahl der Bieter und zum Datum der Auftragsvergabe.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage ab, die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim zurückgewiesen. Die Klägerin sei keine Vertreterin der Presse im Sinne des Landespressegesetzes. Ihr Unternehmen werde nicht von der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Presse, sondern von außerpublizistischen Zwecken geprägt. Ihre journalistisch-redaktionelle Tätigkeit sei nur „schmückendes Beiwerk“ für die kommerzielle Vermarktung von Informationen aus dem Vergabewesen. Ein Anspruch aus dem Rundfunkstaatsvertrag bestehe ebenfalls nicht. Zwar werden Telemedien angeboten, aber auch hier fehle es an der erforderlichen journalistisch-redaktionellen Prägung. Das BVerwG hat die Revision der Klägerin nunmehr zurückgewiesen. Die Pressefreiheit verbiete es nicht, einem Wirtschaftsunternehmen Auskunftsansprüche nach dem Landespresserecht und dem Rundfunkstaatsvertrag zu versagen, wenn diese vorwiegend außerpublizistische Unternehmenszwecke verfolge.

In einem früheren Fall hatte sich das BVerwG (Urteil vom 14.04.2016, 7 C 12.14) bereits mit Auskunftsanprüchen gegenüber Vergabestellen befasst und diese im Fall von Bekanntmachungen auch bei einem reinen Informationsanbieter auf Grundlage des Informationsweiterverwendungsgesetzes (IWG) bejaht.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Fallgruppen im Bereich des Auskunftsbegehrens

Anlässlich des Urteils vom 14.04.2016 wurden in einem früheren Beitrag Fallgruppen aus Sicht der Praxis abgeleitet, deren differenzierte Beurteilung nun durch das jüngste Urteil bestätigt wird. Angesichts der sich nur scheinbar widersprechenden, höchstrichterlichen Urteile (vom 14.04.2016: Auskunftsanspruch bejaht, vom 21.03.2019 Anskunftsanspruch verneint) empfiehlt es sich, bei entsprechenden Anfragen zwischen den unterschiedlichen Informationen im Vergabeverfahren zu unterschieden.

Im früheren Fall ging es um die Frage, ob ein Informationsanbieter einen Anspruch darauf hat, dass ihm die Bekanntmachung öffentlicher Ausschreibungen durch die Vergabestelle zur Verfügung gestellt werden. Ein solcher Anspruch auf eine insoweit diskiminierungsfreie Information an alle interessierten Informationsanbieter wurde vom BVerwG bejaht.

Im Zuge des damaligen Urteils wurden im vorgenannten Beitrag zur Abgrenzung (im Hinblick auf die verschiedenen Daten im Rahmen eines Vergabeverfahrens) drei Fallgruppen entwickelt: (1) Bekanntmachung, (2) Informationen zu vergebenen Aufträgen, die nicht veröffentlicht werden sowie (3) Anforderung von Vergabeunterlagen durch „Nichtbewerber“.

Das aktuelle Urteil des BVerwG bezieht sich – anders als das Urteil von 2016 – nunmehr auf die vorgenannte zweite Fallgruppe und schränkt den Anspruch auf solche Informationen wie erwartet deutlich ein.

  • Fallgruppe 1) Bekanntmachungen
    Ein Informationsdienstleister erbittet die Übermittlung der Bekanntmachungen insb. nationaler Vergabeverfahren. Dies kann die klassischen Auftragsbekanntmachungen betreffen, gleichermaßen aber auch die sog. Ex ante- und Ex post-Veröffentlichungen.
    ⇒ Auskunftsanspruch besteht (BVerwG vom 14.04.2016, 7 C 12.14)
    _
  • Fallgruppe 2) Informationen zu vergebenen Aufträgen, die nicht veröffentlicht werden
    Ein Informationsdienstleister erbittet die Übermittlung von Submissionsergebnissen oder weiteren Informationen zu vergebenen Aufträgen, die nicht im Rahmen der Ex post-Veröffentlichung bekannt gemacht werden.
    ⇒ (NEU) Kein Auskunftsanspruch ggü. Unternehmen mit vorwiegend außerpublizistischem Unternehmenszweck (BVerwG vom 21.03.2019, 7 C 26.17)
    _
  • Fallgruppe 3) Anforderung von Vergabeunterlagen durch „Nichtbewerber“
    Var. a) Ein Informationsdienstleister beschafft sich Vergabeunterlagen vom Auftraggeber und bietet diese (gegen Entgelt) Marktteilnehmern an.
    Var. b) Ein Informationsdienstleister wird von einem Unternehmen beauftragt, die Vergabeunterlagen in dessen Namen zu beschaffen.

Zur Fallgruppe 3: Anforderung von Vergabeunterlagen durch Nichtbewerber

Der Fall des (bloßen) Anforderns von Vergabeunterlagen durch Nichtbewerber hat sich in der Praxis durch die vergaberechtlichen Vorgaben zur freien Bereitstellung inzwischen auch im Unterschwellenbereich erledigt. Unverändert gerichtlich noch nicht abschließend geklärt ist die Frage einer weiteren Verwertung der Vergabeunterlagen durch Dritte.

Eine Verwertung von Vergabeunterlagen, die häufig auch Informationen mit Schutzrechten Dritter (wie etwa Pläne, Leistungsverzeichnisse o.ä.) enthalten, ist durch die Urteile des BVerwG jedenfalls nicht umfasst. Auch das für das Urteil aus 2016 maßgebliche Informationsweiterverwendungsgesetz gilt nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 IWG ausdrücklich nicht für Informationen die von Urheberrechten, verwandten Schutzrechten oder gewerblichen Schutzrechten Dritter erfasst werden.

Für die Praxis: Vorsicht bei Pauschalierungen

Auch wenn das Urteil des BVerwG für die Praxis begrüßenswert ist, ist kein pauschales Ablehnen entsprechender Anfragen, sondern eine Einzelfallprüfung angezeigt. So hat das BVerwG nicht das Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach Presserecht generell abgelehnt, sondern festgestellt, dass sich Unternehmen mit vorwiegend außerpublizistischen Unternehmenszwecken hierauf nicht berufen können. Hierzu gehören sicher die „üblichen Verdächtigen“, die seit Jahren solche Auskünfte in breiter Masse abfragen. Zumindest bei Anfragen anerkannter Presseorgane (insbesondere in Bezug auf konkrete Vergabeverfahren) empfiehlt sich eine Einzelfallprüfung.

Bildquelle: Manuel Schönfeld – fotolia.de