Der Entwurf eines Vergabetransformationspakets wurde innerhalb der Bundesregierung versandt. Wir nehmen die Vorhaben und Maßnahmen ausführlich in den Blick und stellen die Änderungen synoptisch vor.

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Fast zwei Jahre nach der Ankündigung des Vergabetransformationspakets hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Ende September einen Referentenentwurf an die weiteren Ministerien übermittelt. Der Entwurf im Bearbeitungsstand 30. September ist derzeit nicht öffentlich, liegt uns aber vor.

I. Zielsetzungen des Entwurfs

Der Referentenentwurf steht durchaus im Einklang mit den Zielen, die SPD, FDP und Grüne bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, nämlich der Vereinfachung, Professionalisierung, Digitalisierung und Beschleunigung öffentlicher Vergabeverfahren.

Einen deutlichen Schwerpunkt legt das BMWK dabei auf die Aspekte der Vereinfachung und Beschleunigung: Die hohe Komplexität des Vergaberechts, hervorgerufen durch Regelungen, die einen „unverhältnismäßig hohen Mehraufwand für alle Akteure“ verursachten, mache dessen Reform in besonderer Weise notwendig.

Zudem müsse die öffentliche Beschaffung die staatliche Reaktion auf Herausforderungen angemessener unterstützen. Zu diesen zählt der Gesetzgeber neben der sozial-ökologischen Transformation auch die energiepolitische sowie innen- und verteidigungspolitische Lage.

Zu den weiteren Zielsetzungen zählt die sozial-ökologische Transformation selbst sowie die Digitalisierung im Vergaberecht.

II. Regelungsreichweite

Mit dem Vergabetransformationspaket soll das nationale Vergaberecht überarbeitet werden. Es umfasst Neufassungen

  • des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),
  • der Verordnung zur Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV),
  • der Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (SektVO),
  • der Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (KonzVgV) sowie
  • der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV).

Darüber hinaus sieht der Entwurf „Folgeänderungen“ im LNG-Beschleunigungsgesetz, dem Bundeswehr­beschaffungs­beschleunigungs­gesetz, dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches sowie dem Personenbeförderungsgesetz vor.

IV. Neufassung der UVgO und Änderungen haushaltsrechtlicher Gesetze

Der Gesetzgeber plant im Zuge der Vergabetransformation auch die Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) – dem Referentenentwurf ist bereits ein Entwurf beigefügt.

Sie wird zwar als Teil des Vergabetransformationspakets kommuniziert, ist aber kein Bestandteil des eigentlichen Artikelgesetzes, dem Entwurf eines Gesetzes zur Transformation des Vergaberechts. Vielmehr soll sie, wie an mehreren Stellen im Entwurf erklärt wird, unter Einbeziehung der Länder in einem parallelen Prozess erarbeitet und von letzteren weitestmöglich in ihre Landesvergaberegelungen übernommen werden. Entsprechendes soll für den ersten Abschnitt der VOB/A erfolgen.

Da die UVgO nicht Gegenstand des eigentlichen Gesetzentwurfs ist, nehmen wir sie und die mit ihr verbundenen Vorhaben in einem separaten Beitrag genauer in den Blick. Hingewiesen werden soll aber auf Änderungen am Haushaltsgrundsätzegesetz sowie an der Bundeshaushaltsordnung:

§ 30 HGrG soll dahingehend angepasst werden, dass Auftraggeber wie im Sektorenvergaberecht die Möglichkeit haben, auch unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Verhandlungsvergabe (Liefer- und Dienstleistungen) beziehungsweise eine freihändige Vergabe (Bauleistungen) nach ihrer freien Wahl durchzuführen. So soll die Flexibilität der Auftraggeber gesteigert und die Vergabeverfahren sollen vereinfacht werden.

Eine Ergänzung von § 55 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung übernimmt obige Änderung für dem Bundesrecht unterliegende Stellen. Die Anpassung soll entsprechend in den Verwaltungsvorschriften zu § 55 Bundeshaushaltsordnung und in der Unterschwellenvergabeordnung möglichst zeitgleich nachgezogen werden.

V. Maßnahmen zur Vereinfachung und zum Abbau von Bürokratie

Der Abbau von Bürokratie und im Zuge dessen die Vereinfachung und Beschleunigung von Vergabeverfahren waren eindeutiger Schwerpunkt der über 450 Stellungnahmen, die im Rahmen des Konsultationsverfahrens beim BMWK eingegangen waren. Dem trägt das Vergabetransformationspaket erkennbar Rechnung, umfasst es doch unter dieser Überschrift die größte Zahl an Maßnahmen.

1. „Losgrundsatz mit Augenmaß“

So soll etwa der Losgrundsatz durch Änderung des § 97 Absatz 4 GWB mit Augenmaß flexibilisiert werden. Hierzu sieht der Gesetzgeber folgende Neufassung von dessen Satz 3 vor:

Aktuelle FassungÄnderungen gem. Referentenentwurf
(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen ganz oder teilweise zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies rechtfertigen. Auftraggeber sollen Auftragnehmer verpflichten, bei der Erteilung von Unteraufträgen mittelständische Interessen besonders zu berücksichtigen. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

Diese Neufassung soll klarstellen, wie im Erläuterungsteil dargelegt wird, dass die Zusammenfassung mehrerer Lose nicht zwingend zu einer Gesamtvergabe des gesamten Auftrags führen muss. Der Auftraggeber könne ausdrücklich auch nur einen Teil der Lose geeignet zusammenfassen und -vergeben.

Die anerkennenswerten Gründe, die für eine gemeinsame Vergabe sprechen können, sollen überdies um zeitliche Gründe ergänzt werden. Zeitlicher Aufwand sei schon nach der bisherigen Rechtslage von der Rechtsprechung als zulässiger wirtschaftlicher oder technischer Grund anerkannt worden. Zeitliche Gründe können aus Sicht des Gesetzgebers aber auch aus sich selbst heraus eine Rechtfertigung sein.

2. Erleichterungen in der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit

Mit Blick auf die Regelungen zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit (Inhouse-Regelungen) nach § 108 GWB sieht der Gesetzgeber in der Anwendungspraxis Rechtsunsicherheiten hinsichtlich des konkreten Anwendungsbereichs der Norm: Offene Formulierungen führten zu sehr einschränkenden Auslegungen und häufig zu komplexen Strukturen, die die Effizienz der Verwaltungskooperation unnötig belasten würden.

Diese Regelungen in § 108 GWB sollen mit dem Referentenentwurf daher klarer gefasst werden. Das Ziel: den öffentlichen Stellen eine Zusammenarbeit rechtssicherer und damit einfacher zu ermöglichen, ohne den Wettbewerb negativ zu beeinflussen.

3. Vereinfachungen in der Leistungsbeschreibung

Mit der Streichung des Wortlauts „und erschöpfend“ in § 121 Absatz 1 Satz 1 GWB will der Gesetzgeber verdeutlichen, dass eine Leistung zwar so eindeutig wie möglich beschrieben werden muss, dies allein jedoch entscheidend und ausreichend sei.

Der Auftraggeber habe dabei ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen, um vergleichbare Angebote zu erhalten. Er habe aber nicht alle Unterlagen und Informationen, die ihm darüber hinaus vorliegen, zur Verfügung zu stellen.

Die Streichung soll Auftraggeber außerdem dazu ermutigen, vermehrt funktionale Leistungsbeschreibungen beziehungsweise mehr Funktionsanforderungen zu nutzen, um so auch den Ideen- und Innovationsreichtum auf Unternehmensseite besser durch Auftraggeber nutzbar zu machen.

4. Eignungskriterien und Nachweispflichten

§ 122 GWB soll dahingehend geändert werden, dass Eigenerklärungen gestärkt, Nachweispflichten für Unternehmen reduziert, die Vorlage von Nachweisen auf aussichtsreiche Unternehmen begrenzt, die Verhältnismäßigkeit der Eignungskriterien sichergestellt und die Veröffentlichungsform der Eignungskriterien und -nachweise klargestellt wird. Diese Änderungen, zu denen auch die Vorlage der Nachweise nur von aussichtsreichen Bewerbern und Bietern zählt, werden in § 48 VgV konkretisiert.

5. Vereinfachter Wertungsvorgang als Regelfall bei offenen Verfahren

Mit der Anpassung von § 42 Absatz 4 VgV will der Gesetzgeber dem Auftraggeber die Möglichkeit einräumen, bei offenen Verfahren die Angebotsprüfung vor der Eignungsprüfung durchzuführen. Dieser sogenannte vereinfachte Wertungsvorgang würde somit der neue Regelfall in der Prüfungsreihenfolge, was zu Bürokratieentlastung für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen beitragen soll.

6. Vollständigkeit von Vergabeunterlagen, Nachforderung von Unterlagen

§ 41 VgV soll eine Klarstellung erhalten, welche die elektronische Bereitstellung der Vergabeunterlagen regeln würde. Durch Verweis auf § 29 wird hier überdies klargestellt, was Vergabeunterlagen zu umfassen haben.

Hinsichtlich der Nachforderung von Unterlagen sieht der Gesetzgeber eine Neufassung von § 56 Absatz 2 VgV vor, der sich dadurch in seinem Wortlaut enger als bisher an die Richtlinienvorgabe nach Artikel 56 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU anlehne. Dabei wird die bislang in der Norm angelegte Unterscheidung zwischen dem Nachfordern unternehmensbezogener und leistungsbezogener Unterlagen aufgegeben, da dies in der Praxis teilweise zu Abgrenzungsschwierigkeiten geführt habe.

Beibehalten werden soll die in § 56 Absatz 3 VgV vorgesehene strenge Begrenzung der Möglichkeit des Nachforderns von leistungsbezogenen Unterlagen, die die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen.

7. Weitere Anpassungen

§ 135 GWB soll dahingehend geändert werden, dass von der Unwirksamkeit des Zuschlags bei rechtswidrigen De-Facto Vergaben in Abwägung mit zwingenden Gründen eines Allgemeininteresses abgesehen wird. So sollen betroffene Bieter und Bewerber die Erfolgsaussichten eines etwaigen Nachprüfungsantrags besser abschätzen können.

Zudem soll eine Vereinfachung des Nachprüfungsverfahrens unter anderem durch Beschränkung des Erfordernisses von Kammerentscheidungen erreicht werden. Hierzu sind Änderungen an den §§ 157, 162 f., 167 und § 169 GWB vorgesehen.

VI. Maßnahmen zur Beschleunigung und Digitalisierung

1. Nachprüfungsverfahren

Nachprüfungsverfahren sollen nach dem Willen des Gesetzgebers schneller und weitgehend digitalisiert geschehen und überdies mehr Rechtssicherheit gewährleisten.

Erreicht will er dies durch Anpassungen der §§ 158, 161 GWB (vornehmliche Verfahrensführung der Nachprüfungsverfahren in Textform) der §§ 163, 165, 172 GWB (elektronische Übermittlung von Akten sowie Einsicht in diese) und der §§ 166, 175 GWB (virtuelle Durchführung von mündlichen Verhandlungen). Auch die Entscheidung nach Aktenlage und die Begrenzung des Entscheidungszeitraums der Vergabekammern soll so erreicht werden.

2. Verlinkungen in elektronischen Bekanntmachungen

Eine Anpassung des § 122 GWB hat zum Ziel, in der Bekanntmachung auf die elektronische Adresse der Vergabeunterlagen verweisen zu können. Voraussetzung sei lediglich, dass aus der Bekanntmachung ausreichend transparent wird, an welcher Stelle der Vergabeunterlagen die Eignungskriterien aufgeführt sind.

Hier habe bisher ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit bestanden, insbesondere da eine fehlerhafte Bekanntmachung regelmäßig dazu führen könne, dass das Vergabeverfahren in den Zustand vor Auftragsbekanntgabe zurückzuversetzen ist. Der Gesetzgeber wolle mit der Neuregelung daher dem hohen Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung tragen.

3. Vornehmlich digitale Durchführung der Markterkundung

Die Markterkundung soll einer entsprechenden Ergänzung von § 28 VgV zufolge umweltbezogene, soziale und innovative Aspekte der Nachhaltigkeit umfassen und vornehmlich digital durchgeführt werden.

Den Erläuterungen des Gesetzgebers zufolge soll sie dabei neben Online-Marktplätzen und sonstigen digitalen Plattformen etwa auch Fach- und Vergleichsportale und Unternehmenswebseiten umfassen können. Eine Erkundung auf anderem Wege, etwa telefonisch oder in einschlägigen Fachzeitschriften, sei dabei nicht ausgeschlossen.

VII. Mittelstand, Start-ups und Innovation stärken

Über den Abbau von Bürokratie hinaus“, wie der Gesetzgeber betont, soll die Vergabetransformation den Mittelstand stärken, Start-ups fördern und die Beschaffung von Innovation vorantreiben. Start-ups hätten aufgrund ihrer häufig geringen Berührungspunkte mit öffentlichen Auftraggebern einen strukturellen Nachteil, den es auszugleichen gelte.

Für die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen im Allgemeinen wurden im Konsultationsverfahren Zahlungsmodalitäten wie Rechnungszyklen, Zahlungsziele und auch die Zahlungsmentalität als Hindernisse identifiziert. Überdies habe sich gezeigt, dass gerade für junge Unternehmen die Vorlage von spezifischen vom Auftraggeber geforderten Unterlagen eine Hürde zur Teilnahme an Vergabeverfahren darstellen kann, obgleich die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit vorliegt. Diesen Problemen will das BMWK mit den im Folgenden beschriebenen Maßnahmen begegnen.

1. Verpflichtung von Auftragnehmern zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen

§ 97 GWB soll um die Möglichkeit ergänzt werden, Auftragnehmer bei der Erteilung von Unteraufträgen zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen zu verpflichten. Hierdurch würde die Beteiligung von kleineren und mittleren Unternehmen insbesondere dann sichergestellt, wenn sie nicht selbst in der Lage seien, den Gesamtauftrag auszuführen.

2. Berücksichtigung bei Eignungskriterien und -nachweisen

Durch einen neuen Absatz 2 in § 42 VgV sollen die besonderen Umstände von jungen sowie kleinen und mittleren Unternehmen bei der Auswahl der Eignungskriterien und Eignungsnachweisen besonders berücksichtigt werden.

So würden laut den Erläuterungen des Referentenentwurfs Nachteile und bürokratische Hürden für diese Unternehmen abgebaut, deren Teilnahmemöglichkeiten an öffentlichen Aufträgen erhöht und dadurch der Wettbewerb in Vergabeverfahren gestärkt.

3. Regelmäßige Angebotsaufforderung in Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb

Mit einem neuen Absatz 5 in § 17 VgV sollen Auftraggeber in Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb verpflichtet werden, zwischen den Unternehmen, die zur Abgabe eines Erstangebots aufgefordert werden, zu wechseln. Auch sollen regelmäßig geeignete junge sowie kleine und mittlere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Die Anzahl und Auswahl der Unternehmen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, bleibe dabei im Ermessen des Auftraggebers.

Als junge Unternehmen können den Erläuterungen zum Gesetzentwurf zufolge in der Regel Unternehmen betrachtet werden, deren Gründung nicht länger als acht Jahre zurückreicht. Als kleine und mittlere Unternehmen können in der Regel Unternehmen betrachtet werden, die unter die entsprechende Definition der europäischen Kommission (Empfehlung 2003/361/EG) fallen.

4. Geeignete Zahlungsmodalitäten

Durch eine Ergänzung des § 29 VgV sollen in den Vertragsunterlagen geeignete Zahlungsmodalitäten vereinbart werden, um die Umstände von jungen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen zu berücksichtigen. Neben der Vereinbarung von Vorauszahlungen bei Auftragserteilung und -annahme könnten hierzu ausreichende Abschlagszahlungen bei Erreichung von Zwischenzielen oder hinreichend kurze Zahlungsfristen zählen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird überdies ermächtigt, eine neue Fassung des Teils B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen zu erlassen. Zwar sei die aktuelle Fassung der VOL/B ist aus dem Jahr 2003, ihre regelmäßige Einbindung in die Vertragsunterlagen öffentlicher Aufträge solle aber nicht aufgegeben werden.

5. Stärkere Berücksichtigung von Nebenangeboten

Nebenangebote sind laut Gesetzgeber ein wirksames Mittel zur Förderung von innovativen Lösungen und der Teilnahme von innovativen Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren. Um eine „vertiefte Auseinandersetzung“ des öffentlichen Auftraggebers mit dem positiven Nutzen des Instruments der Nebenangebote bewirken, soll der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung angeben, ob er Nebenangebote zulässt, vorschreibt oder ausschließt. § 35 VgV wird entsprechend ergänzt. Eine Begründung der Entscheidung seitens des öffentlichen Auftraggebers ist nicht erforderlich.

6. Ausschluss ungeeigneter Unterauftragnehmer

Durch eine Ergänzung von § 36 VgV will der Gesetzgeber klarstellen, dass die Gründe für den Ausschluss von Unterauftragnehmern sowohl die Ausschlussgründe als auch die Eignung umfassen. Zwar stellte dies bereits die Begründung der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung klar, es soll nun aber aus dem Normtext selbst deutlich werden.

Der Umfang der Eignungsprüfung des Unterauftragsnehmers liege im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Dabei soll er weiterhin auf Eigenerklärungen des Hauptauftragsnehmers zurückgreifen und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit auch weitere Nachweise insbesondere bei für die Leistungserfüllung wichtigen Unterauftragsnehmern verlangen können.

7. Vorlage alternativer Nachweise

§ 45 Absatz 5 VgV räumt Bewerbern und Bietern bereits die Möglichkeit ein, seine wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit durch Vorlage anderer, vom öffentlichen Auftraggeber als geeignet angesehener Unterlagen zu belegen, sofern er die geforderten Unterlagen aus einem berechtigten Grund nicht beibringen kann.

Durch eine entsprechende Ergänzung soll klargestellt werden, dass ein berechtigter Grund auch vorliegt, wenn es sich bei dem Bewerber oder Bieter um ein junges Unternehmen handelt. Der öffentliche Auftraggeber wird überdies verpflichtet, auf die Möglichkeit der Vorlage alternativer Unterlagen in den Vergabeunterlagen hinzuweisen.

VIII. Maßnahmen im Sinne einer sozial und umweltbezogen nachhaltigen Beschaffung

Die Förderung der sowohl auf die Umwelt als auch auf soziale Aspekte bezogen nachhaltigen Beschaffung soll wesentlich durch Einführung des neuen § 120a GWB Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien erreicht werden.

Die als „neue Zentralnorm“ bezeichnete Vorschrift umfasst in Absatz 1 eine Soll-Vorgabe zur Berücksichtigung mindestens eines sozialen oder eines umweltbezogenen Kriteriums bei der Leistungsbeschreibung oder auf einer anderen Verfahrensstufe. Während die Berücksichtigung dieser Aspekte nach bisheriger Rechtslage im freien Ermessen der öffentlichen Auftraggeber stand, begrenzt § 120a dieses Ermessen also im Fall seines Inkrafttretens.

Absatz 2 stellt klar, wann ein Kriterium als umweltbezogen gelten kann. Dies sei insbesondere dann der Fall,

wenn es darauf abzielt, dass zu beschaffende Waren, Bau- und Dienstleistungen, soweit möglich über ihren gesamten Lebenszyklus, klimaschonend, biodiversitätsfördernd, rohstoffschonend, energiesparend, wassersparend, schadstoffarm, abfallarm, langlebig, reparaturfreundlich, wiederverwendbar, recyclingfähig, unter Einsatz von Abfällen oder Rezyklaten oder aus nachwachsenden Rohstoffen oder möglichst gut geeignet zur umweltverträglichen Abfallbewirtschaftung hergestellt, erbracht oder ausgeführt werden

Sozial ist ein Kriterium gemäß Absatz 3 hingegen,

wenn es darauf abzielt, dass zu beschaffende Waren, Bau- und Dienstleistungen unter fairen Arbeits- und Handelsbedingungen, unter Ermöglichung der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, Benachteiligten oder Menschen mit Behinderungen, unter Förderung der Gleichstellung von Geschlechtern, ethnischen Gruppen, Benachteiligten oder Menschen mit Behinderungen, unter Einsatz sozialer Innovationen, unter Beachtung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte oder unter Beachtung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) entlang der globalen Wertschöpfungskette hergestellt, erbracht oder ausgeführt werden.

Hier findet sich am ehesten die Zielsetzung wieder, die von der Bundesregierung in ihrer „Nationalen Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmenfestgeschrieben wurde, nämlich öffentliche Beschaffung als Hebel zur Entwicklung sozialer Innovationen und Gemeinwohlorientierter Unternehmen zu fördern.

Sozial sei ein Kriterium auch, wenn die zu beschaffenden Waren, Bau- und Dienstleistungen Benachteiligten oder Menschen mit Behinderungen in besonderem Maße zugänglich seien.

Die Bundesregierung soll überdies allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, die sowohl besonders geeignete („Nachhaltigkeitsliste“), als auch ungeeignete Leistungen („Negativ-Liste“) umfassen. Der Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (AVV Sozial und umweltbezogen nachhaltige Beschaffung) wurde mit dem Referentenentwurf veröffentlicht.

Bei der Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen, die gemäß der „Nachhaltigkeitsliste“ besonders geeignet sind, müssen öffentliche Auftraggeber mindestens ein umweltbezogenes Kriterium berücksichtigen. Diese Vorschrift gilt bei der Leistungsbeschreibung oder, soweit im Einzelfall mit Blick auf den Auftragsgegenstand geeigneter, auf anderen Stufen des Vergabeverfahrens.

IX. Ausschluss bestimmter Drittstaaten von öffentlichen Aufträgen

Eine weitere neue und umfangreiche Vorschrift stellt der § 112a Bewerber und Bieter aus Drittstaaten dar. Mit ihm sollen Auftraggeber die Möglichkeit erhalten, den Zugang zu Vergabeverfahren mit Blick auf die Ansässigkeit der Bewerber oder Bieter in bestimmten Drittstaaten zu beschränken. Diese Berechtigung zur Beschränkung der Teilnahme an Vergabeverfahren gelte nur für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen im Zusammenhang mit kritischen Dienstleistungen im Sinne des BSI-Gesetzes und für die Vergabe verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer öffentlicher Aufträge.

Gemäß Absatz 1 dürfen Vergabeverfahren auf solche Bewerber oder Bieter beschränkt werden, die in einem Staat ansässig sind, dem der Zugang zum deutschen öffentlichen Beschaffungsmarkt auf unions- oder völkerrechtlicher Grundlage garantiert ist. Die Beschränkung kann „ganz oder teilweise“ erfolgen.

Durch Absatz 2 wird die Beschränkungsmöglichkeit auch auf solche Staaten erstreckt, denen das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen sowie für die Europäische Union bindende internationale Übereinkommen Zugang zum öffentlichen Beschaffungsmarkt der EU einräumen.

X. Ausblick

Der Zustand der Koalition und die bisherige Dauer des Gesetzgebungsprozesses – schließlich wurde der Entwurf bereits mehrmals angekündigt und aufgeschoben – lassen keine belastbaren Aussagen darüber zu, ob das Gesetz in der verbliebenen Wahlperiode von höchstens elf Monaten beschlossen werden wird. Auf dem Weg dahin lauern mit der Befassung in Bundestag und Bundesrat (der Entwurf gilt als zustimmungspflichtig) noch so manche Fallstricke. Schon jetzt hat ein Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion verlautbaren lassen, die Vorschläge reichten nicht aus.

Ungeachtet dessen werden wir den Fortgang des Gesetzgebungsprozesses im cosinex Blog begleiten. In Kürze stellen wir den Entwurf der Unterschwellenvergabeordnung mit seinen zahlreichen Maßnahmen und Vorhaben in einem separaten Beitrag vor.

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Titelbild: Tim Gouw – Unsplash