Seit dem Jahr 2008 wird in Brandenburg für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen bei Vergabeverfahren vorgegeben, den Vergabemarktplatz Brandenburg zu nutzen. Das Zentrale Vergabemanagement (ZVM) der Stadt Cottbus/Chóśebuz – eine 2011 gegründete Struktureinheit zur Durchführung von Vergabeverfahren – stellt daher von Beginn an Vergabeunterlagen in dieses Portal ein. Der Grund für die Bildung des ZVM war insbesondere die Umsetzung einer vollständigen E-Vergabe, um die Bearbeitungsabläufe effizienter zu gestalten. Da die Stadt Cottbus/Chóśebuz bereits über ein Vergabemanagementsystem verfügte, waren die Weichen gestellt, alle Verfahren – also auch freihändige Vergaben und freiberufliche Wettbewerbe – auf elektronische Weise durchzuführen.

Die Unternehmen haben auf die elektronischen Bekanntmachungen ohne Schwierigkeiten reagiert. Der Vorteil besteht für sie darin, dass sie sich für die Zusendung von Vergabeunterlagen nicht mehr „bewerben“ müssen, sondern diese problemlos herunterladen können. Die Abgabe von Angeboten in Papierform war zu diesem Zeitpunkt noch zugelassen. Eine Klage erreichte uns dann doch von einem Unternehmen, das den Vergabemarktplatz zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte und damit eine Bekanntmachung und den Zeitpunkt der Angebotsabgabe verpasste. Die Klage wurde vom Amtsgericht abgelehnt.

Keinen Beitrag mehr verpassen? Jetzt für unseren Newsletter anmelden und Themen auswählen

Ihre Anmeldung konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Ihre Anmeldung war erfolgreich.

Unser Wunsch, dass Unternehmen elektronische Angebote einreichen, wurde von den potenziellen Auftragnehmern dagegen nur zurückhaltend angenommen. Mit Ausnahme einiger Reinigungsfirmen blieb diese Art der Angebotsabgabe vorerst ungenutzt. Für uns war das eine indirekte Aufforderung, an der Weiterentwicklung der E-Vergabe gemeinsam mit den Unternehmen zu arbeiten. In unserem „Submissionsraum“ wurde ein Wandmonitor angebracht, so dass zunächst die Bieter aus dem Bereich Bau die Angebotsöffnungen auf der Plattform des Vergabemarktplatzes verfolgen konnten und damit auch sahen, welche Bieter sich diese Art der Angebotsabgabe schon zutrauten. Da die VOB allerdings damals noch vorschrieb, dass Papierangebote zuzulassen sind, fand im Folgenden noch kein Umdenken statt.

Im Gegensatz zu den Bauleistungen oblag es den Vergabestellen bei Liefer- und Dienstleistungen, selbst darüber zu entscheiden, auf welche Weise Angebote zugelassen werden. Das wollten wir nutzen, obwohl die Gefahr bestand, überhaupt keine Angebote mehr zu erhalten. Für eine effektive Umsetzung organisierten wir im Mai 2013 gemeinsam mit der IHK und der Handwerkskammer Cottbus für Unternehmen eine Konferenz mit dem Titel „Keine Angst vor elektronischen Angeboten“. Diese Veranstaltung, unterstütz von der Brandenburger Auftragsberatungsstelle und dem Innenministerium Brandenburg, wurde sehr gut angenommen. Es war überraschend, wie viele Unternehmen der Einladung folgten. Die Teilnehmer gaben durchweg ein gutes Feedback. Einladungen zu Wirtschaftsverbänden und in die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Cottbus/Chóśebuz folgten. Wir entscheiden uns dafür, die Umsetzung branchenweise voranzubringen. Unternehmen, die sich auf dem Vergabemarktplatz Brandenburg registriert hatten und Angebote einreichten, wurden gezielt angeschrieben und in Kenntnis gesetzt, dass ab einem Termin „X“ (Vorlauf ca. 4 bis 6 Monate) nur noch elektronische Angebote zugelassen sein werden.  Sobald sich ein Kontakt ergab, wurden persönliche Informationsgespräche geführt.

Schrittweise Einführung für mehr Akzeptanz

Nach den Reinigungsunternehmen folgten so das Sicherheitsgewerbe, der IT-Bereich, der Handel mit Büromaterial und Büro- oder Schulmöbeln, später die Automobilbranche usw. Ich lud Unternehmen ein, sich die elektronische Angebotsabgabe demonstrieren zu lassen. Im Ergebnis erhielten wir ausreichend Angebote – aber im Vergleich zur Angebotsabgabe in Papierform bedeutend weniger.  Das schränkt den Wettbewerb ein und die Wirtschaftlichkeit von Vergabeverfahren leidet darunter. Um den Bietern die Angebotsabgabe zu erleichtern, widmeten wir uns verstärkt dem Thema „Bereitstellung von bearbeitbaren Dokumenten“. Bei der Anforderung von Unterlagen sollten die Bieter, wo es möglich war, „Eigenerklärungen“ und vorgefertigte Formulare benutzen. Das Vergaberecht formulierte die Forderung nach Eigenerklärungen ohnehin deutlich. Das bedeutete auch, die Vergabeunterlagen zahlenmäßig kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das ist ein stetiger Prozess, der besonders bei Bauverfahren noch lange nicht abgeschlossen ist.

Konsequenter Einsatz der ausschließlich elektronischen Kommunikation

Seit April 2016 ist bei allen europaweiten Vergabeverfahren die Bereitstellung von Vergabeunterlagen auf Portalen die elektronische Kommunikation und die elektronische Angebotsabgabe grundsätzlich vorgeschrieben. Mit dem Inkrafttreten der VOB 2016 müssen seit Mai 2018 Papierangebote nicht mehr zugelassen werden. Jetzt konnte die „vollständige“ Umsetzung der E-Vergabe auch bei nationalen Bauausschreibungen umgesetzt werden. Aufgrund unserer guten Erfahrungen mit Liefer- und Dienstleistungen arbeiteten wir wieder schrittweise an der Einführung, unterteilten jedoch diesmal nicht nach Gewerken. Ab Mai 2018 wurden alle Wettbewerbsteilnehmer in Bauverfahren per Notiz auf den Angebotskennzetteln informiert, dass ab dem 01.01.2019 nur noch elektronische Angebote zugelassen sein werden. Nach Abstimmungen mit den Geschäfts- und Fachbereichen ergingen Zusatzinformationen in den Bekanntmachungen sowie auf unserer Webseite. Auch die breite Öffentlichkeit wurde über diese Neuerung unterrichtet. Unsere Handwerkskammer, mit der wir uns ein Jahr vorher beraten hatten, reagierte und bot ihren Unternehmen Workshops zur E-Vergabe an. Gegenstand dieser Veranstaltungen waren hauptsächlich die elektronische Angebotsabgabe und die automatischen Benachrichtigungsmöglichkeiten.

Dennoch: Die Befürchtungen, dass es bei einer ausschließlichen Zulassung von elektronischen Angeboten bei Bauausschreibungen weniger Angebote geben könnte, bestätigten sich erneut. Grund dafür ist allerdings nicht nur die E-Vergabe. Einen Rückgang von Bauangeboten stellten wir bereits im Jahr 2018 aufgrund der guten Wirtschaftslage fest, als noch Papierangebote zugelassen waren. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind derzeit voll, sie müssen sich nicht auf öffentliche Aufträge bewerben.

Doch inzwischen ist eine spürbare Verbesserung erkennbar. Wir können eine gute Angebotsabgabe bei Verfahren zu Liefer- und Dienstleistungen verzeichnen und zufriedenstellende Ergebnisse bei Bauverfahren und freiberuflichen Wettbewerben.

Unsere Aufgabe bleibt es, Unternehmen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen. Anregungen nehmen wir entgegen und leiten sie weiter. So konnten wir gemeinsam mit dem Betreiber des Vergabemarktplatzes, mit dem wir in engem Kontakt stehen, viele Verbesserungen erreichen, um den Bietern die Angebotsabgabe zu erleichtern.

Über die E-Vergabe in Cottbus

Die Stadt Cottbus ist mit knapp 100.000 Einwohnern eine der vier kreisfreien Städte in Brandenburg und gehört seit Jahren zu einem der Vorreiter im Bereich der E-Vergabe in der Region. Sehr früh hat die Stadt auf die E-Vergabeplattform des Landes Brandenburg auf Basis der cosinex Technologie gesetzt. Innerhalb von nur drei Monaten führte die Stadtverwaltung hiernach die elektronische Vergabeakte (E-Vergabeakte) auf Basis des cosinex Vergabemanagementsystems (VMS) ein.

Über die Autorin

Ines Lange arbeitet im Zentralen Vergabemanagement der Stadt Cottbus und leitete das Projekt „Einführung der E-Vergabe“.

Frau Lange kam im Mai 1998 aus einem artfremden Beruf in die Verwaltung, war dort zunächst Sachbearbeiterin und wurde ab dem 01.07.2001 direkt im Bereich Beschaffung/Ausschreibung für VOL/VOF eingesetzt. Damals hatte sie gerade die Qualifizierung zum Verwaltungsfachangestellten – bzw. die Anpassungsfortbildung (A1) – abgeschlossen. „Ich hatte absolut keine Ahnung vom öffentlichen Einkauf, musste aber schon sehr zeitnah Wettbewerbe durchführen und dann im Herbst 2001 schon selbständig „ausschreiben“, so Ines Lange. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass „Ausschreibungen“ – also die berühmten „formellen Aufgaben“ von der reinen Beschaffung zu trennen sind. Nur das „wann“ war noch offen. Erfolgt ist diese durch Frau Lange, dann forcierte Trennung und damit die Bildung der Zentralen Ausschreibungsstelle VOL/VOF jedoch erst zum 01.01.2006.

Die Zuordnung zum Büro des Oberbürgermeisters wurde dann zum 01.01.2008 vollzogen und zum 09.06.2011 wurde dann das Zentrale Vergabemanagement gegründet (über die Bildung des ZVM wissen Sie ja schon alles).  In Vorbereitung der Bildung des ZVM war Fr. Lange von Herbst 2010 bis Frühjahr 2011 Mitglied in der Projektgruppe „Zentrale Vergabe“ und wurde mit Bildung des ZVM dann auch Leiterin der neuen Einheit.

Ines Lange: „Mein Motto bei allem, was ich bisher beruflich getan habe: Richtig – oder gar nicht!“

Bildquelle: ArTo – stock.adobe.com