Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Unter dem sperrigen Titel „Gesetz zur beschleunigten Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Optimierung der Vergabestatistik“ hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat einen Referentenentwurf  vorgelegt und u.a. verschiedenen Verbänden zur Stellungnahme übersandt.

Das Artikelgesetz, welches verschiedene Änderungen am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV) der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV), der Sektorenverordnung (SektVO) sowie der Vergabestatistikverordnung (VStatVO) vorsieht, enthält im Kern zwei wesentliche Regelungskreise:

  • Mit den Änderungen und Konkretisierungen an den Vorgaben der Vergabestatistik sollen verschiedene technische und rechtliche Anforderungen umgesetzt werden, die sich im Zuge des Aufbaus der Vergabestatistik ergeben haben.
  • Mit weiteren Änderungen im Bereich Verteidigung und Sicherheit sollen die im Koalitionsvertrag angekündigten vergaberechtlichen Anpassungen vorgenommen werden, um den Bedarf für Einsätze bzw. einsatzgleiche Verpflichtungen der Bundeswehr schneller zu decken.

Nachfolgend werden die wesentlichen Änderungen vorgestellt.

I. Änderungen im Bereich der Vergabestatistik und der kommenden Meldepflichten für Vergabestellen

Die Vergabestatistikverordnung (VergStatVO) soll dem vorliegenden Entwurf entsprechend weitgehend überarbeitet werden (einschließlich Anlagen).

Mit der Neufassung von § 1 VergStatVO, der in vier Absätze aufgeteilt wird, sollen im neuen Absatz 1 die Verantwortlichkeiten und der Ablauf der Datenübermittlung für die Vergabestatistik klar formuliert werden. Für den Empfang und die Verarbeitung der Daten wurde das Statistische Bundesamt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beauftragt. Die Meldung erfolgt zum bestmöglichen Schutz der Daten unmittelbar an das Statistische Bundesamt, nicht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

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Der Entwurf zu § 1 Abs. 2 stellt klar, dass die Auftraggeber ihre Daten gemäß § 1 Abs. 1 innerhalb von 60 Tagen nach der Zuschlagserteilung an das Statistische Bundesamt übermitteln müssen. Dies ist erforderlich, weil die statistischen Daten und Auswertungen über vergebene Aufträge, die innerhalb eines auszuwertenden Zeitraums erfolgten, nur aussagekräftig sind, wenn die Informationen zu den Vergabeverfahren zeitnah nach Verfahrensabschluss übermittelt werden, sodass sie zum Zeitpunkt der Auswertung auch bereits statistisch erfasst sind. Darüber hinaus kann mit dieser Frist eine ordnungsgemäße Auswertung der Daten pro Halbjahr sichergestellt werden.

In § 1 Abs. 3 soll die Art und Weise der Datenübermittlung näher spezifiziert werden: Sie hat elektronisch und unter Nutzung der durch das Statistische Bundesamt zur Verfügung gestellten sicheren Verfahren zu erfolgen. Damit ist ein Zugriff nicht berechtigter Dritter auf die Daten ausgeschlossen.

Im neu angefügten § 1 Abs 4 erfolgt die Ermächtigung des Statistischen Bundesamtes, die erhaltenen Daten zu speichern, statistisch aufzubereiten und unter Verwendung dieser Daten die Vergabestatistik zu erstellen. Auf dieser rechtlichen Grundlage kann die Datenverarbeitung durch das Statistische Bundesamt erfolgen.

Die Änderungen in § 2 sollen nach den Erläuterungen zum Entwurf der Klarstellung dienen. Zur Datenübermittlung verpflichtet sind Auftraggeber gemäß § 98 GWB. Die Übermittlung soll erst nach der Erteilung des Zuschlags erfolgen.

Die Ergänzung der Nummer 3 in § 2 Abs. 2 stellt klar, dass Beschaffungsvorgänge mit einem Auftragswert unterhalb der EU-Schwellenwerte nicht von der Vergabestatistik erfasst sein sollen, wenn vergabe- oder haushaltsrechtliche Verfahrensregeln – wie beispielsweise die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (UVgO) oder der erste Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A 1. Abschnitt) – aufgrund entsprechender Vorgaben des Bundes oder der Länder nicht zur Anwendung kommen.

Die an das Statistische Bundesamt zu übermittelnden Daten richten sich bei Vergabeverfahren mit einem Auftragswert ab Erreichen der EU-Schwellenwerte jetzt nach den neugefassten Abs. 1 und 3 in § 3, bei Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte nach den neuen Regelungen in § 3 Abs. 2 und 3. Dabei soll zukünftig die neue Anlage 8 definieren, welche Daten bei Unterschwellenvergaben zu übermitteln sind, während aktuell im bisherigen § 4 VergStatVO die (wenigen) Angaben abschließend aufgezählt werden.

Der neue § 4 Abs. 4 stellt klar, dass auch Bundes-, Landes- oder Kommunalbehörden statistische Auswertungen erhalten können, wenn sie diese beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beantragen.

1. Neu eingeführt: Berichtsstelle

Neu in die VergStatVO eingeführt werden soll die sog. Berichtsstelle (§ 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VergStatVO). Danach sind Berichtsstellen diejenigen Stellen, die die Informationen über vergebene Aufträge und Konzessionen an das Statistische Bundesamt melden. Hintergrund dieser Ergänzung ist die Heterogenität öffentlicher Auftraggeber und die Notwendigkeit, dass das Statistische Bundesamt die große Zahl zu erwartender Meldungen korrekt zuordnen können muss. Ein Auftraggeber kann gleichzeitig verschiedene Vergabe- und Beschaffungsstellen in seiner Organisation haben, die unterschiedliche Beschaffungsbereiche abdecken und öffentliche Aufträge oder Konzessionen vergeben. Diese können unabhängig voneinander als Berichtsstellen beim Statistischen Bundesamt registriert werden und direkt melden. Die gemeldeten Vergaben werden durch die Angaben der Berichtsstellen in der Statistik dem jeweiligen Auftraggeber zugeordnet. Auf diese Weise ist keine Zusammenführung der Informationen über die Vergaben durch verschiedene Stellen eines Auftraggebers erforderlich, weil jede Vergabestelle selbst Berichtsstelle sein kann. Es ist aber, wenn es für den einzelnen Auftraggeber sinnvoller ist, auch möglich, dass nur eine zentrale Berichtsstelle für alle Meldungen des Auftraggebers definiert wird. Sollte der Auftraggeber eine externe Stelle mit der Durchführung von Vergabeverfahren beauftragt haben, kann auch diese externe Vergabestelle Berichtsstelle für den Auftraggeber sein.

Die Anlagen 1 bis 8 zur VergStatVO, die die konkreten Daten aufzeigen, die Rahmen der Meldung an das Statistische Bundesamt zu übermitteln sind, sollen vollständig neu gefasst werden, um die Handhabbarkeit für die meldenden Berichtsstellen der Auftraggeber zu vereinfachen und damit gleichzeitig die Gefahr von Fehlern in den Meldungen zu minimieren.

2. Einschätzung zu den Änderungen im Bereich der Vergabestatistik

Während sich die Notwendigkeit der inhaltlichen Änderungen der VergStatVO unmittelbar erschließt, verbleiben bei der Neufassung der Anlagen und damit der Vorgaben der zu meldenden Daten einige Fragen. Ein Beispiel ist die (jedenfalls bei Auftraggebern auf Bundesebene verpflichtende) Angabe der sog. LeitwegID, die in Umsetzung der E-Rechnungsverordnung eigentlich dazu dient, einen Rechnungsempfänger zu identifizieren.

Zu solchen vergabefremden Angaben passt nicht, dass in der Gesetzes-Begründung davon ausgegangen wird, dass mit der Änderung der VergStatVO keine doppelte Erfassung (und damit erhöhter Verwaltungsaufwand für die berichtspflichtigen Meldestellen der Behörden) verbunden sei. So wird in der Begründung ferner vorausgesetzt, dass aufgrund der (in den weit überwiegenden Fällen verpflichtenden) elektronischen Abwicklung der Vergabefahren über softwaregestützte Fachverfahren die zu meldenden Daten sowohl für die Vergabebekanntmachungen,als auch für die nationale Vergabestatistik bereits während der Durchführung des Vergabeverfahrens sukzessive im System hinterlegt werden, sodass meldepflichtige Behörden daher „auf Knopfdruck“ und ohne zusätzlichen Verwaltungsaufwand ihrer Pflicht zur Bereitstellung der Vergabedaten nachkommen können. Jedenfalls dann, wenn wie im Falle der LeitwegID Daten zu erfassen sind, die im Rahmen der Vergabe sonst nicht erfasst werden, ist dies erkennbar nicht der Fall. Das gilt auch, wenn Daten in einer Struktur erfasst werden, die nicht den Angaben in den EU-Formularen entsprichen, wie etwa Angaben zu Nachhaltigkeitskriterien oder die Frage nach der Ermittlung der Kriterien für die Zuschlagsentscheidung (nur Preis, nur Kosten, Preis- und Qualitätskriterien oder Kosten- und Qualitätskriterien). Eine solche Differenzierung findet sich weder in den EU-Formularen, noch in anderen normalerweise im Vergabebereich gängigen Vermerken.

Kritisch gesehen werden kann auch, dass die Angaben, die für den sicher häufigsten Fall – die Meldung von Unterschwellenvergaben ab 25.000 EUR – zu erfassen sind, im aktuellen Entwurf der Anlage 8 zu § 3 Abs. 2 VergStatVO-E deutlich umfassender ausfallen als in der noch aktuellen Regelung zu § 4 Abs. 1 vorgesehen. Allerdings  bleibt abzuwarten, ob die konkrete technische Schnittstellenbeschreibung nicht doch den überwiegenden Teil der Daten als freiwillige Angaben der Vergabestelle vorsieht.

II. Verfahrensbeschleunigung im Bereich Verteidigung und Sicherheit

Unter der Überschrift Verfahrensbeschleunigung werden verschiedene Änderungen erfasst, die vom Anwendungsbereich über Regelungen im Nachprüfungsverfahren bis hin zur Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb reichen.

1. Zum Anwendungsbereich „wesentliche Sicherheitsinteressen“

Derzeit sieht § 107 Abs. 2 GWB vor, dass ein Auftrag ausnahmsweise nicht dem EU-Vergaberecht unterfällt, wenn die Leistung dem Anwendungsbereich des § 346 AEUV (wesentliche Sicherheitsinteressen) unterliegt bzw. die Preisgabe wesentlicher Informationen den Sicherheitsinteressen i.S.des § 346 AEUV widersprechen würde.

Nunmehr soll eine „Auslegungshilfe“ in das Gesetz eingefügt werden, wonach diese wesentlichen Sicherheitsinteressen insbesondere berührt sein können, wenn der Auftrag oder die Konzession

„1. sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder

2. Leistungen betreffen, die

a) für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten

Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte

bestimmt sind, oder

b) Verschlüsselung betreffen,

soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.“

Aus Sicht des Rechtsanwenders stellt sich die Frage, ob diese Auslegungshilfe mehr Rechtssicherheit bringt? Während sich die unter Ziffer 2 aufgeführten Sachverhalte in der Vergaberichtlinie 2009/81/EU verorten lassen, gilt dies für den Schutz „sicherheitsindustrieller Schlüsseltechnologien“ nicht. Die EU-Vergaberichtlinien haben auch im Verteidigungsbereich eine marktöffnende Intention. Der Schutz allgemeiner industriepolitischer Überlegungen berechtigt deshalb auch im Verteidigungsbereich nicht zur Berufung auf eine Ausnahme gem. Art 346 AEUV.

Vielmehr muss in jedem Einzelfall begründet werden, warum das Absehen von einer EU-weiten Vergabe das einzige Mittel ist, um die berechtigten Sicherheitsinteressen zu wahren. Diesbezüglich hat die EU-Kommission (Mitteilung zu Auslegungsfragen bzgl. der Anwendung des Art. 296 EGV (alt) auf die Beschaffung von Verteidigungsgütern, KOM (2006) 779 v. 07.12.2006) bereits einen praxistauglichen Prüfkanon erstellt:

  • Welches wesentliche Sicherheitsinteresse i.S. des Art. 346 AEUV ist betroffen?
  • Worin besteht der Zusammenhang zwischen diesem Sicherheitsinteresse und der speziellen Beschaffungsentscheidung?
  • Warum ist die Nichtanwendung der Vergaberichtlinie im speziellen Fall für den Schutz dieses wesentlichen Sicherheitsinteresses notwendig?

Der Begriff „sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien“ lässt den Rechtsanwender bei der Abgrenzung, ob allgemeine industriepolitische Überlegungen oder tatsächlich im Einzelfall besondere Sicherheitsinteressen eine Rolle spielen, allein und hilft insoweit nicht weiter.

Dass das Absehen von einer EU-weiten Vergabe der dringend erforderlichen Beschleunigung dient erscheint fraglich. Die auch in der Presse behandelten „unendlichen Geschichten“ bei Beschaffungen im Verteidigungsbereich sind jedenfalls nicht an einer Bekanntmachungsfrist von 15 Tagen (bei einem verkürzten Verfahren) gescheitert.

2. Vorabgestattung des Zuschlags

In der besonderen Situation des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer bzw. der sofortigen Beschwerde vor dem Vergabesenat des OLG kann beantragt werden, den Zuschlag aus besonderen Gründen im laufenden Vergabeverfahren erteilen zu dürfen. Erforderlich ist immer eine Güterabwägung zwischen dem Interesse an dem Zuschlag und der rechtlichen Überprüfung der Vergabeentscheidung. Die nunmehr vorgeschlagene Änderung sieht vor:

„Bei der Abwägung ist das Interesse der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Auftraggebers zu berücksichtigen; bei verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen im Sinne des § 104 sind zusätzlich besondere Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen; diese überwiegen in der Regel, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession im unmittelbaren Zusammenhang mit

  1. einer Krise,
  2. einem mandatierten Einsatz der Bundeswehr,
  3. einer einsatzgleichen Verpflichtung der Bundeswehr oder
  4. einer Bündnisverpflichtung stehen.“

Auch hierzu lässt sich kritisch anmerken, dass ausgesprochen fraglich ist, ob sich diese Regelung mit dem europarechtlich gebotenen „effektiven Rechtsschutz“ vereinbaren lässt. Beispielsweise gehen „Bündnisverpflichtungen“ oder „mandatierten Einsätzen der Bundeswehr“ oftmals lange Vorlaufzeiten voraus, zudem haben sie vielfach eine lange Laufzeit. Deshalb erscheint es kaum sachgerecht, regelmäßig den Rechtsschutz zu Lasten des übergangenen Bieters einzuschränken, obwohl bei ordnungsgemäßer Vorbereitung die Zeit für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens ausgereicht hätte.

Im Übrigen besteht schon heute die Möglichkeit, den Zuschlag vorab zu beantragen, wobei Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen sind. Ob die Aufnahme von ggf. zu weit gefassten Tatbeständen zu mehr Rechtssicherheit führt, darf bezweifelt werden. Streitigkeiten über die Europarechtskonformität dieser Regelung vor den Nachprüfungsinstanzen scheinen vorprogrammiert. Selbst, wenn eine der genannten Konstellationen vorliegt, obliegt es aber entsprechend Artikel 56 Abs. 5 der Richtlinie 2009/81/EG weiterhin dem zuständigen Spruchkörper, im Wege der Abwägung über die Gestattung des Zuschlags vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens zu entscheiden. Der Maßstab ist das Europarecht, das die vorstehenden Tatbestände (mit Ausnahme der Krise) nicht kennt.

Auch hier stellt sich die Frage, wie diese Regelung der Beschleunigung dienen kann, da sie den anzulegenden rechtlichen Maßstab im Wesen nicht verändert.

3. Zur Dringlichkeit

Nach der Regelungssystematik der VSVgV kann bei Fällen der Dringlichkeit die Teilnahmefrist zunächst auf bis zu 15 (statt 35 Tage) gesenkt werden. Die Angebotsfrist kann bis auf 10 Tage (statt 30 Tage) verringert werden. Nur wenn diese kurze Spanne nicht ausreicht, kann gem. § 12 Abs. 1 VSVgV ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden, anstatt ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder ein nicht offenes Verfahren durchzuführen.

Mit der angestrebten Änderung von § 12 VSVgV soll ein neuer § 12 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa VSVgV eingefügt werden. Demnach soll ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden dürfen, wenn

„aa) dringliche Gründe im Zusammenhang mit einer Krise es nicht zulassen (das Verfahren mit Teilnahmewettbewerb durchzuführen); ein dringlicher Grund liegt in der Regel vor, wenn

  1. mandatierte Auslandseinsätze oder einsatzgleiche Verpflichtungen der Bundeswehr,
  2. friedenssichernden Maßnahmen,
  3. der Abwehr terroristischer Angriffe oder
  4. eingetretene oder unmittelbar drohende Großschadenslagen

kurzfristig neue Beschaffungen erfordern oder bestehende Beschaffungsbedarfe steigern.“

Auch hier stellt sich die Frage, ob die vorstehenden Regelbeispiele in der Praxis der Rechtssicherheit und der Beschleunigung dienen? Selbstverständlich können derartige Sondersituationen eine Dringlichkeit begründen. Letztlich bleibt es aber bei dem Maßstab, dass die Fälle der Dringlichkeit nicht durch ein Verschulden in der Beeinflussungssphäre des Auftraggebers verursacht worden sein dürfen und ein förmlicheres Verfahren selbst mit verkürzten Fristen nicht ausreicht, um den kurzfristigen Beschaffungsbedarf zu decken.

Im Sinne der Rechtssicherheit erscheint die Regelung in § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV klarer („äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein“).

Ob die in dem Entwurf enthaltenen Regelbeispiele zu einer Beschleunigung führen können, obgleich sie an diesem Rechtsrahmen nichts ändern, ist eher skeptisch zu beurteilen.

4. Das Alleinstellungsmerkmal

In § 12 Absatz 1 Nummer 1 lit. c VSVgV soll durch eine Einfügung klargestellt werden, dass das Alleinstellungsmerkmal aus technischen oder rechtlichen Gründen „zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten“ vorliegen muss.

Wie der Begründung des Referentenwurfes zu entnehmen ist, möchte man verhindern, dass in dem Zeitraum eines laufenden Nachprüfungsverfahrens ein bislang unberücksichtigter Wettbewerber aufholt, sodass das Alleinstellungsmerkmal dann nicht mehr besteht. Beispielsweise kann er technische Lösungen entwickeln, sodass es dann mehrere Anbieter gibt.

Aus Sicht des Wettbewerbs kann die vorgeschlagene Änderung ausgesprochen negative Folgen haben. Beispielsweise kann das Vorhandensein einer Lösung vorausgesetzt werden, obwohl bei ordentlich bemessener Angebotsfrist auch Wettbewerber in der Lage wären, die Lösung zu erarbeiten, sich die erforderliche technische Ausstattung zu besorgen, etc. Vor diesem Hintergrund wird man dieser Regelung eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nicht absprechen können.

Dabei wird nicht verkannt, dass es ausnahmsweise ein Bedürfnis geben kann, auf das Vorhandensein der Lösung zum Zeitpunkt der Aufforderung der Angebotsabgabe abzustellen. Der Regelfall sollte aber sein, dass die Leistung oder Lieferung zum vereinbarten Leistungstermin erbracht werden kann.

5. Umsetzung der Vorgaben des Koalitionsvertrags

Ob die vorgeschlagenen Änderungen bei der Vergabe von Aufträgen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich und das auch im Koalitionsvertrag verfolgte Ziel, in diesem Bereich zu einer Verfahrensbeschleunigung zu kommen, erreicht werden, bleibt hingegen abzuwarten. Auf den ersten Blick werden hierdurch anscheinend Wege aus dem Vergaberecht (und wenn man schon im Vergaberecht bleiben muss, in das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb) gesucht. Unter Beachtung der Tatsache, dass in der Regel keine Dringlichkeit vorliegt bzw. durch eine strukturierte Planung ausgeschlossen werden kann, ist das Beschreiten eines solchen Weges nicht als Fortschritt im Sinne einer Erhöhung der Transparenz und Gleichbehandlung im Rahmen derartiger Ausschreibungen zu werten.

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