Bild zu Äpfel mit Birnen vergleichen

Eine Beitragsreihe von Dr. Stefan Krusenbaum gibt einen Überblick über die Wertungsmethoden bei öffentlichen Aufträgen und geht der Frage nach, unter welchen Bedingungen bestimmte Methoden besonders geeignet erscheinen. Der erste Teil der Beitragsreihe beleuchtet – neben einem Einstieg in die Thematik – die Frage, wann und unter welchen Umständen der Preis als alleiniges Wertungskriterium geeignet erscheint.

Der zweite Teil befasst sich mit der Fragestellung, was zu beachten ist, wenn sowohl Preis- als auch Leistungs- bzw. Wertungskriterien zu berücksichtigen sind und diese untereinander gewichtet werden sollen. Der dritte Teil gibt einen Überblick über die Methoden, bei denen zwar Preis- und Leistungskriterien berücksichtigt, diese aber nicht gewichtet werden sollen.

Der Autor

Dr. Stefan Marinus Krusenbaum ist Assistent der cosinex Geschäftsführung und Experte für Wertungsmethoden. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler bietet das beliebte Seminar Grundlagen und Auswahl geeigneter Wertungsmethoden in der cosinex Akademie an.

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Alle Teile der Reihe

  • Teil 1 befasst sich neben einer Einführung mit der Wertungsmethode niedrigster Preis.
  • Teil 2 gibt einen Überblick über die Methoden der Wertungsklasse Preis-Kriterien-Gewichtungen.
  • Teil 3 analysiert die Wertungsklasse der Richtwert-Methoden.
  • Teil 4 stellt weitere, im Bereich des öffentlichen Auftragswesens noch nicht gängige, Wertungsmethoden vor.

Wenn Leistungs- und Preiskriterien einander gegenübergestellt werden sollen, allerdings keine Gewichtung von Leistung und Preis angegeben werden kann oder soll, sollte keine Wertungsmethode aus dem Segment der Preis-Kriterien-Gewichtungen genutzt werden. Auch wenn eine so kleine Zahl an Angeboten erwartet wird, dass der implizite Vergleich zwischen einzelnen Angeboten aufgrund nicht repräsentativer Richt- bzw. Referenzwerte unzulässig erscheint, sind die im zweiten Teil vorgestellten Preis-Kriterien-Gewichtungen nicht als Wertungsmethode geeignet, da die Wertung der Kriterien eines Angebots hier davon beeinflusst wird, welche Kriterienausprägung andere Angebote aufweisen. Sinnvollerweise sollten solche Wertungsmethoden nur dann eingesetzt werden, wenn keine Angebote mit stark voneinander abweichenden Leistungen und/oder Preisen zu erwarten sind, die das Bewertungsraster relevant verschieben könnten.

Geteiltes Leid ist halbes Leid? – Kriterien-Preis-Verhältnisse als Wertungsmethode

Der dritte Teil der Reihe setzt sich daher mit den sogenannten Kriterien-Preis-Verhältnissen auseinander, einer Gruppe von Wertungsmethoden, die diese Nachteile „heilen“ können. Auch das Vergabemanagementsystem (VMS) der cosinex bietet dem Vergabepraktiker die Möglichkeit, eine entsprechende Angebotswertung mit den gängigen Methoden aus dieser Gruppe vorzusehen.

Im Folgenden werden die Kriterien-Preis-Verhältnis-Methoden hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten und -risiken näher vorgestellt und besprochen.

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Wer die Wahl hat, hat die Qual! – Nach welchem Wert soll man sich bei der Bewertung eigentlich richten?

Sollen Kriterien nicht vor dem Hintergrund der besten Ausprägungen über alle Kriterien hinweg oder auf Basis einer durchschnittlichen Ausprägung bewertet, sondern „für sich genommen“ werden, kann dies durch folgende Ermittlung der Wertungskennzahl geschehen:

Formel 1

Der Vorteil dieses – im Rahmen u.a. der UfAB auch als einfache Richtwertmethode bekannten – Ansatzes besteht darin, dass keine bewusste oder unbewusste Über- oder Unterschätzung der Leistungspunktzahl oder des Preises erfolgen kann. Bei der Ermittlung der Wertungskennzahl wird die Leistung stattdessen immer vor dem Hintergrund des damit verbundenen Preises gewertet. Damit entfallen die Abhängigkeit der Bewertung von den Gewichtungsangaben des Anwenders, von den Kriterienausprägungen bei anderen Angeboten und das damit verbundene Risiko einer Wertungsverzerrung vollständig.

Der Nachteil bei der Anwendung dieser relativen Leistung als Wertungskennzahl liegt darin, dass es unerheblich ist, ob die ausschlaggebende (Wertungs-)Kennzahl aufgrund einer besonders guten Leistung oder eines besonders niedrigen Preises zustande kommt, da es keine Mindestgewichtung des Preises oder der Leistung gibt. Dies bedeutet, dass jede noch so niedrige Leistung und jeder noch so hohe Preis den Zuschlag bekommen kann, wenn nur das Verhältnis zwischen Leistung und Preis „das Beste“ bleibt. Ein Angebot mit einer niedrigen Leistungspunktzahl kann dadurch besser gewertet werden als das Angebot mit der höchsten Punktzahl, wenn die Leistungskennzahl durch einen ausreichend kleinen Preis geteilt wird.

Der umsichtige Vergabepraktiker sollte daher bei der Anwendung dieser „einfachen Richtwertmethode“ darauf achten, dass es zumindest nicht durch einen unangemessen niedrigen Preis zu einer Verzerrung der Wertung der betrachteten Angebote kommt.

Die Formel zur erweiterten Richtwertmethode entspricht der oben dargestellten Verhältniskennzahl. Ihr Unterschied zur sog. einfachen Richtwertmethode liegt darin, dass auf Basis der für die Angebote ermittelten Wertungskennzahlen nicht abschließend ein „bestes Angebot“ ausgegeben wird. Stattdessen werden alle Angebote, die innerhalb eines definierten Schwankungsbereiches vom besten Angebot entfernt liegen (z.B. eine höchstens bis zu 20% schlechtere Wertungskennzahl haben), nochmals hinsichtlich eines separaten Entscheidungskriteriums bewertet und erst hierdurch in eine abschließende Rangfolge gebracht.

Hieraus ergibt sich eine zweistufige Wertung: In der ersten Phase wird die Wertungszahl ermittelt, in der zweiten wird beurteilt, welche Angebote maximal eine anzugebende Prozentzahl von dem Angebot mit der besten Wertungskennzahl entfernt sind. Für diese Teilmenge von Angeboten mit Wertungskennzahlen, die ausreichend nah an dem Angebot mit der besten Wertungskennzahl liegen, kann anschließend wahlweise nach dem Preiskriterium, nach dem Leistungskriterium oder nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis eine Rangfolge gebildet werden.

Zu beachten ist, dass die Rangfolge in dieser Variante für den Fall, dass in der zweiten Phase die besten Angebote erneut bzw. weiterhin nach dem Preis/Leistungs-Verhältnis geordnet werden, der Rangfolge der einfachen Richtwertmethode entspricht.

Der Vorteil dieser u.a. in der UfAB IV als „geeignet“ empfohlenen Wertungsmethode besteht darin, dass der Anwender bei der erweiterten Richtwertmethode in der späteren Rangfolgentabelle abgeschlagene Angebote nicht weiter berücksichtigen muss, da diese nach Anwendung der Richtwertmethode bereits zu weit vom Angebot mit der besten Wertungskennzahl entfernt sind. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass auf eine verbleibende Teilmenge mit grundsätzlich geeigneten Angeboten, die hinsichtlich ihres Preis/Leistungs-Verhältnisses in etwa gleich gut sind, nochmals ein zweites Entscheidungskriterium als Zuschlagskriterium angesetzt werden kann. Der Nachteil der erweiterten Richtwertmethode ist darin zu sehen, dass insbesondere dann, wenn viele Angebote mit einer Wertungskennzahl vorliegen, die sich relativ nah an der besten Kennzahl bewegt, für all diese ähnlich guten Angebote nach einem einzelnen Kriterium wie dem Preis oder der Leistung entschieden werden muss. In ungünstigen Konstellationen kann es dazu kommen, dass aufgrund eines (zu) großen Schwankungsbereichs einem fast abgeschlagenen Angebot doch der Vorzug zu gewähren ist, da dieses hinsichtlich des zweiten Wertungskriteriums „das Beste“ ist. Der Vergabepraktiker läuft also Gefahr, dass die erste Phase dieser Wertungsmethode gänzlich nivelliert wird, wenn sie zu keinen ausreichend großen Unterschieden führt, die dafür sorgen, dass bestimmte Angebote so weit abgeschlagen sind, dass sie nicht weiter berücksichtigt werden.

Dies kann dazu führen, dass nur das zweite Kriterium die Rangfolge definiert und die Methode somit das gleiche Ergebnis liefert wie eine (ausschließliche) Wertung nach dem niedrigsten Preis. Dieses Szenario wird an einem Beispiel in der nachstehenden Übersicht verdeutlicht.

Tabelle 1

Im vorgegebenen Beispiel wird Angebot A gewählt, obwohl es gemäß der Richtwertmethode das Schlechteste und 19,84% schlechter als das beste Angebot C ist, nur weil es damit trotzdem noch knapp innerhalb des Schwankungsbereiches der Angebote liegt, die höchstens 20% vom besten Angebot (C) entfernt sind, und mit diesem Angebot ein um 100 Euro (0,24% (!)) niedrigerer Preis einhergeht.

Vergabestellen sollten angesichts dessen nur dann auf eine solche zweistufige Wertungsmethode zurückgreifen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Angebote hinreichend voneinander abweichen und die Wertungskennzahl breit genug streut, sodass die Vorauswahl über die einfache Richtwertmethode angesichts des Beschaffungsgegenstands bzw. dem mit der Vergabe verfolgten Ziel sinnvoll bzw. wirtschaftlich ist.

Öffentliche Auftraggeber können das skizzierte Problem dadurch eingrenzen, dass ein verhältnismäßig kleiner Schwankungsbereich definiert wird, also beispielsweise nur diejenigen Angebote, deren Wertungskennzahl maximal 5% von der besten Wertungskennzahl entfernt sind, nochmals nach einem gesonderten Einzelkriterium gewertet werden. In der Praxis wird bisweilen zum Teil mit noch niedrigeren Schwankungsbereichen gearbeitet.

Grundsätzlich gilt, dass der Schwankungsbereich bei der Wahl der erweiterten Richtwertmethode in jedem Fall umso enger gesetzt werden sollte, je weniger Angebote erwartet werden. Auch wenn sich zahlreiche Bieter auf die Ausschreibung bewerben, muss sich die Vergabestelle hierbei immer vor Augen halten, dass ein zu großzügig gewählter Schwankungsbereich dazu führen kann, dass sämtliche Angebote innerhalb des Bereiches liegen und nur nach einem einzelnen Kriterium wie z.B. dem Preis entschieden würde. Hierbei besteht auch die Gefahr, dass entgegen der Grundidee des § 58 VgV bzw. § 43 UVgO Zuschlags- in Form von Leistungskriterien realiter nicht hinreichend stark in die Wertung einfließen.

Überblick über die bislang vorgestellten Wertungsmethoden

Zusammenfassend lässt sich die bereits im zweiten Teil begonnene Gegenüberstellung der Wertungsmethoden mit den hier vorgestellten Ansätzen wie folgt erweitern:

Tabelle 2
Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

Hinweise für die Praxis

Wenn Vergabestellen eine Gewichtung von Preis- zu Leistungskriterien aufgrund des Ausschreibungsgegenstands oder der erwarteten Angebote nicht selbst vornehmen können oder möchten, besteht die – richtig angewendet durchaus sinnvolle – Möglichkeit, Kriterien-Preis-Verhältnisse zur Wertung heranzuziehen.

Während die einfache Richtwertmethode hier in den meisten Fällen geeignet erscheint und nur darauf geachtet werden muss, dass Leistung und Preis sich jeweils im gewünschten Rahmen bewegen, also z.B. keine unzureichende Leistung durch einen entsprechend niedrigen Preis wettbewerbsfähig wird (geteiltes Leid ist hier nicht immer halbes Leid), ist bei der Anwendung der erweiterten Richtwertmethode ein erhöhtes Maß an Vorsicht geboten. Nach dieser werden der scheinbar einfache Vergleich des jeweiligen Angebots anhand der angebotseigenen Kriterien (im Rahmen der einfachen Richtwertmethode) und ein angebotsübergreifender Vergleich (anhand eines bestimmten Kriteriums) verknüpft bzw. hintereinander geschaltet. Dadurch kann es je nach Wahl des Schwankungsbereichs dazu kommen, dass unbeabsichtigt ein zu hohes Gewicht auf die erste Wertungsrunde (einfache Richtwertmethode) oder auf die zweite Wertungsrunde (einzelnes Wertungskriterium) gelegt wird.

Dies macht deutlich, dass für die Auswahl der richtigen Wertungsmethode – wenn möglich – im Rahmen der Markterkundung auch darauf geachtet werden sollte, in welchen Schwankungsbereichen (grob) die Angebote im Hinblick auf Preis oder Kriterien voraussichtlich liegen werden. Eine Herausforderung, die gerade bei heterogenen Leistungen sicher nicht einfach ist. Durch eine geschickte Auswahl der Wertungskriterien oder Gestaltung der Kriterienkataloge bzw. der Fragen, für welches Kriterium wie viele Punkte (oder Schulnoten) auch im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl vergeben werden, lässt sich dies u.a. durch die Gestaltung der Vergabeunterlagen durchaus in einem gewissen Rahmen steuern.

Ausblick zum letzten Teil der Reihe

Im nächsten Teil unserer Reihe zu den Kriterien für die Auswahl der für die jeweilige Ausschreibung passenden Wertungskriterien und -methoden setzen wir uns mit weiteren – im Bereich des öffentlichen Auftragswesens eher selten angewandten – Varianten auseinander.

So wird zum einen die Methode der linearen Interpolation vorgestellt und bewertet, darüber hinaus wird aufgezeigt, wie im Zuge der erweiterten Richtwertmethode eine sinnvolle und belastbare Vorauswahl nach der ersten Phase vorgenommen werden kann. Hierzu wird eine Methodik vorgestellt, die in der (Wirtschafts-)Wissenschaft Beachtung und bei der Vergabe komplexer Projekten in der Privatwirtschaft auch bereits Anwendung findet.


Alle Teile der Reihe

  • Teil 1 befasst sich neben einer Einführung mit der Wertungsmethode niedrigster Preis.
  • Teil 2 gibt einen Überblick über die Methoden der Wertungsklasse Preis-Kriterien-Gewichtungen.
  • Teil 3 analysiert die Wertungsklasse der Richtwert-Methoden.
  • Teil 4 stellt weitere, im Bereich des öffentlichen Auftragswesens noch nicht gängige, Wertungsmethoden vor.

Bildquelle: DDRockstar – fotolia.de