Zwei befristete Ausnahmetatbestände der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A laufen zum Jahresende aus.

Die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie stellt die Vergabe von Planung und Bau vor Herausforderungen und Chancen gleichermaßen. Unsere Gastautoren Roy Michel und Jan Tenner leiten aus der Richtlinie konkrete Handlungsempfehlungen ab und geben hilfreiche Praxishinweise.

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Die EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) ist bis zum 29. Mai 2026 in nationales Recht umzusetzen. In Art. 7 Abs. 2 EPBD ist eine verpflichtende Ermittlung des Lebenszyklus-Treibhauspotenzials (Global Warming Potential, GWP) für alle neuen Gebäude ab 2030 vorgesehen, für öffentliche Gebäude bereits ab 2028.

Ausgehend von den Daten zum GWP sollen die Mitgliedstaaten Fahrpläne („Roadmaps“) aufstellen, um künftige Emissionsgrenzwerte für Neubauten festzulegen. Die künftigen Grenzwerte sind – unabhängig vom Bauherrn – ab 2030 verbindlich einzuhalten. Bei langfristig angelegten Bauvorhaben sind Bauherrn gut beraten, die Vorgaben der EPBD bereits vor der nationalen Umsetzung bei ihrer Projekt- und Vertragskonzeption zu berücksichtigen.

I. „Guidance“ zur Umsetzung der EPBD nach Annex 13

Für die praktische Umsetzung der EBPD hat die EU‑Kommission am 30. Juni 2025 Auslegungshilfen bereitgestellt. In Annex 13 dieser Guidances wird detailliert erläutert, wie das GWP neuer Gebäude nach Artikel 7 Absatz 2 EPBD ermittelt werden kann. Es werden Hinweise zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Methodik und Systemgrenzen und zu Datenquellen gegeben.

Damit wird die Grundlage für die Datenerhebung geschaffen, die die Mitgliedstaaten für Roadmaps und künftige Grenzwerte nach Artikel 7 Absatz 5 EPBD benötigen. Bis zur nationalen Umsetzung von Anhang III der EBPD dient Annex 13 als Brücke und Referenz für Behörden und Praxis. Für Bauherren liefert Annex 13 damit schon heute eine gute Orientierung, welche Vorgaben zur Nachweisführung und Dokumentation in Projekt‑ und Vertragskonzeption aufzunehmen sind, damit Angaben zum GWP fristgerecht und konform zur EPBD bereitstehen.

Die Autoren

Roy Michel und Jan Tenner sind Rechtsanwälte im Bau- und Immobilienrecht mit den Schwerpunkten Bauvergaberecht und Bauvertragsrecht bei KPMG Law.

II. Kernaussagen des Annex 13

Annex 13 macht greifbar, was hinter Artikel 7 Abs. 2 und 5 steckt: das GWP neuer Gebäude. Vorgeschlagen werden neben einer Methodik nach Level(s) und EN-Normen verlässliche Produktdaten (EPDs) sowie klare Regeln zu Transparenz, Datenqualität und Systemgrenzen – von in der Bausubstanz „verkörperten“ bis zu betrieblichen Emissionen.

Bis Anfang 2027 sollen die Mitgliedstaaten Roadmaps mit ab 2030 für alle Neubauten verbindlichen Grenz- und Zielwerten vorlegen, abgestuft nach Klimazonen und Gebäudetypologien. Konkret sieht Annex 13 die folgenden fünf Schritte vor:

Schritt 0: Allgemeine Überlegungen zum rechtlichen Rahmen.

Bevor Roadmaps zu GWP-Grenzwerten entwickelt werden, braucht es einen klaren rechtlichen Rahmen. Schritt 0 benennt Fristen und zeigt die Grundzüge eines Überwachungssystems und mögliche Zuständigkeiten auf. Nationale Roadmaps sind bis spätestens 1. Januar 2027 zu veröffentlichen und sollen den Pfad zu GWP-Grenzwerten aufzeigen. Ab 2028 sind GWP-Werte bei Neubauten der öffentlichen Hand im Energieausweis auszuweisen.

Die Verpflichtung zur Ausweisung des Lebenszyklus-GWP sowie zur Einhaltung der GWP-Grenzwerte gilt ab 2030 für alle Neubauten. Das Überwachungssystem soll sicherstellen, dass die Einhaltung bereits in der Planung rechnerisch überprüft und am fertigen Bauwerk bestätigt wird. Zudem ist eine frühzeitige Klärung von Rollen und Zuständigkeiten erforderlich – etwa durch Bauaufsichtsbehörden oder eigenständige Institutionen im öffentlichen Bereich sowie durch Planer und Bauherren im privaten Sektor. Forschung und Wissenschaft können flankierend vorgesehen werden, um Daten aufzubereiten und methodische Grundlagen zu liefern.

Schritt 1: Festlegung der Methodik und Umwelt-Daten

Schritt 1 des Annex 13 betont die Bedeutung von Methodik und Daten. Für die Berechnung des GWP sollen Mitgliedstaaten auf europäische Normen zurückgreifen und klar festlegen, welche Lebenszyklusphasen berücksichtigt werden. Standardisierte Werkzeuge können den Aufwand in der Praxis verringern und die Vergleichbarkeit erhöhen.

Ebenso entscheidend sind verlässliche Umweltdaten: Bauprodukte, Gebäudekomponenten und Energiequellen müssen in nationalen oder europäischen Datenbanken erfasst, regelmäßig aktualisiert und transparent zugänglich gemacht werden. Forschung, Industrie und Behörden sollten hier eng zusammenarbeiten. Nur mit klarer Methodik und soliden Daten lassen sich GWP-Grenzwerte glaubwürdig entwickeln und umsetzen.

Schritt 2: Sammlung von GWP-Daten über den Lebenszyklus von Gebäuden

In Schritt 2 geht es um die systematische Erhebung von Gebäudedaten. Zunächst sollen die Mitgliedstaaten ihren Gebäudebestand analysieren und typische Neubauten identifizieren. Dafür werden Rohdaten wie Flächen, Materialien oder Energiekonzepte gesammelt. Darauf aufbauend erfolgen Berechnungen des Lebenszyklus-Treibhauspotenzials, die Durchschnittswerte und Bandbreiten für unterschiedliche Gebäudetypen sichtbar machen. So entsteht eine solide Datenbasis, mit der sich realistische und zugleich ambitionierte Grenzwerte entwickeln lassen.

Schritt 3: Analyse der gesammelten GWP-Daten

Schritt 3 beschreibt, wie die Ergebnisse der GWP-Berechnungen analysiert werden sollen. Mitgliedstaaten sollen Durchschnittswerte, Bandbreiten und Unterschiede zwischen Gebäudetypen transparent machen und so erkennen, welche Bauweisen besonders emissionsintensiv sind und wo Einsparpotenziale liegen.

Diese Analyse liefert nicht nur technisches Wissen, sondern auch die Grundlage für politische Entscheidungen: Nur wenn sichtbar wird, wo der Gebäudesektor steht, können realistische und zugleich ambitionierte Grenzwerte entwickelt werden.

Schritt 4: Festlegung von Grenzwerten

Im letzten Schritt 4 sind GWP-Grenzwerte festzulegen. Annex 13 empfiehlt, diese auf Basis der vorliegenden Berechnungen realistisch, aber ambitioniert zu gestalten und dabei verschiedene Gebäudetypen zu berücksichtigen.

Ein stufenweiser Ansatz erleichtert den Übergang – es geht kurzfristig um erreichbare, aber langfristig um ambitionierte Ziele. Bei den Zielen handelt es sich um eine Reihe von Grenzwerten, die mit dem Jahr 2030 beginnen und tendenziell abnehmen, z. B. ein Grenzwert im Jahr 2030, gefolgt von einem niedrigeren Wert im Jahr 2033, einem noch niedrigeren im Jahr 2036 usw.

Die Grenzwerte sollen regelmäßig überprüft und an neue Entwicklungen angepasst werden. Transparenz steht im Vordergrund: Nur wenn klar ist, wie die Werte ermittelt und festgelegt wurden, können sie Akzeptanz finden und Wirkung entfalten.

III. Empfehlungen für die Praxis

Mit den fünf konkretisierenden Stufen zur Festlegung von Grenzwerten für Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen von Gebäuden hat die Europäische Union den Mitgliedstaaten konkrete Schritte für die nationale Umsetzung der EPBD an die Hand gegeben. Das Ziel der Einhaltung von künftigen GWP-Grenzwerten und die hierfür erforderliche Ermittlung des Lebenszyklus-Treibhauspotenzials muss bei umfangreichen Bauvorhaben in den Planungs- und Bauverträgen bereits jetzt mitgedacht werden.

Richtlinien wie die EPBD binden zwar zunächst nur die Mitgliedsstaaten und keine einzelnen Bauherren oder Auftragnehmer. Gleichwohl wird Deutschland die Ziele der EPBD künftig – voraussichtlich im Gebäudeenergiegesetz (GEG) – in nationales Recht umsetzen (müssen). Ein Warten auf die nationale Umsetzung ohne vertragliche Berücksichtigung kann gerade bei umfangreichen und zeitaufwändigen Bauprojekten mit hohen Risiken verbunden sein. Erfolgt die bauliche Fertigstellung erst nach dem 1. Januar 2030, muss der Neubau trotzdem den künftigen Vorgaben auf Grundlage der EPBD gerecht werden.

Leistungsbeschreibung

Bereits im Vergabeverfahren sollte in der Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB) transparent gemacht werden, welche Leistungspflichten der Auftragnehmer zu erfüllen hat und mit welchen personellen, technologischen und materiellen Ressourcen er sich für die Auftragsausführung aufstellen muss. Bereits jetzt definieren § 15 GEG für Wohngebäude bzw. § 18 GEG für Nichtwohngebäude Anforderungen an die Energieeffizienz neuer Gebäude. Eine Pflicht zur Ermittlung des Lebenszyklus-Treibhauspotentials sowie höhere Standards als in der aktuellen Fassung des GEG können in Erwartung der künftigen Grenzwerte durch die EPBD bereits vor der nationalen Umsetzung als Planungsziel vereinbart und das Vergabeverfahren daran orientiert werden.

Eignungs- und Zuschlagskriterien

Werden im Rahmen der Eignung unternehmensbezogene Referenzen abgefragt, ist darauf zu achten, die Referenzanforderungen mit Blick auf die erst künftige Geltung der Grenzwerte nach der EPBD marktgerecht zu wählen. Auf Zuschlagsebene können Konzepte abgefragt und bewertet werden, in denen die Bieter die planerische und konstruktive Umsetzung der künftigen Grenzwerte aufzeigen. Mit vorgeschalteten Markterkundungsverfahren – die sich je nach Projektgröße empfehlen – kann die Projekt- und Vergabekonzeption mit dem Markt diskutiert und validiert werden.

Risikoverteilung

 Werden die Vorgaben der EPBD vertraglich vereinbart, wird sich der jeweilige Auftragnehmer auf Leistungsebene der Lebenszyklus-Treibhauspotenzial-Ermittlung und dem Erfüllen der EPBD-Grenzwerte nicht damit entziehen können, die Leistung sei ihm unzumutbar (§ 650b Abs. 1 BGB) oder sein Betrieb sei auf derartige Leistungen nicht ausgerichtet (§ 1 Abs. 4 VOB/B). Denn bereits jetzt gibt das GEG Effizienzstandards für Gebäude vor, die nur um Grenzwerte bei der Lebenszyklusbewertung des GWP für neue Gebäude ergänzt werden. Eine Planungsleistung nach den Vorgaben der EPBD ist umso mehr zumutbar, wenn die Ziele der EPBD bereits im Vergabeverfahren als Leistungsinhalt transparent gemacht wurden und keine Bieterfrage oder etwaiger Verhandlungsbedarf hierzu angemeldet wurde.

Die EPBD belässt den Mitgliedsstaaten als sog. „teilharmonisierte Richtlinie“ Umsetzungsspielräume. Soweit Bieter die nationale Umsetzung durch das GEG im Vergabeverfahren noch nicht abschließend einkalkulieren konnten (etwa weil die genauen Grenzwerte erst im Jahr 2028 oder 2029 ermittelt werden), können Vergütungsanpassungen berechtigt sein. Kommt eine Anpassung in Betracht, wird der Auftragnehmer seinen vermehrten oder verminderten Aufwand anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn nachzuweisen haben (§ 650c Abs. 1 BGB), sofern keine andere Regelung vereinbart wurde.

Vertragsdurchführung

Mit der frühzeitigen vertraglichen Vereinbarung der Ziele der EPBD können Auftraggeber sicherstellen, dass der Auftragnehmer zur konkreten Leistung auch nach der nationalen Umsetzung verpflichtet bleibt. Somit können ein Auswechseln des Auftragnehmers bzw. die Vergabe zusätzlicher Leistungen während des Projekts vermieden und die Terminsicherheit gesteigert werden. Ebenso reduziert sich das Nachtragspotential, was zur Kostenstabilität beiträgt.

IV. Fazit

Bis zum 29. Mai 2026 sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Vorgaben der EPBD in nationales Recht umzusetzen. Bis dahin besteht zwar keine Pflicht für Bauherrn, Planer oder bauausführende Unternehmen, die Vorgaben der EPBD einzuhalten. Sämtliche Gebäude, die nach dem 1. Januar 2030 fertiggestellt werden, müssen aber dennoch den künftigen Grenzwerten für das Lebenszyklus-Treibhauspotential neuer Gebäude entsprechen. Verstöße gegen das GEG können zur Rückforderung von Fördermitteln führen. Auch kann ein Abweichen von den Vorgaben des GEG eine Ordnungswidrigkeit darstellen und zu Bußgeldzahlungen führen. Neben etwaigen Sanktionen ist das Einhalten der GEG-Standards für jedes Gebäude – neben einer potenziellen Reduktion der Betriebskosten – ein wertbildender Faktor.

Die EPBD führt eine regulatorische Lösung zugunsten des Klimaschutzes ein, die viele Freiheiten in der Umsetzung belässt. Die EPBD schafft jedoch keinen Wettbewerb zugunsten von weitergehenden Innovationsanreizen. Dabei will die aktuelle Bundesregierung Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammenbringen und auf Innovationen setzen (Koalitionsvertrag, Zeile 901 f.). „Die erreichbare CO₂‑Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden“ (Koalitionsvertrag, Zeile 755 f.). Dazu wäre die EPBD weiterzuentwickeln, indem in der Vergabe ein Wettbewerb um Nachhaltigkeit durch einen CO₂-Schattenpreis geschaffen wird.

Titelbild: Shivendu Shukla – Unsplash