Die Europäische Kommission hat ihre Bewertung der Vergaberichtlinien veröffentlicht. Demnach seien gesetzte Ziele nur teilweise erreicht worden. Die Evaluierung bildet den Auftakt zur angekündigten Überarbeitung der EU-Vergabevorschriften.

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Das Arbeitsdokument zur Evaluierung der drei zentralen Vergaberichtlinien hat die Kommission am 14. Oktober 2025 vorgelegt. Untersucht wurden die Richtlinie 2014/23/EU über Konzessionen, die Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe sowie die Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe in den Bereichen Wasser, Energie, Verkehr und Postdienste. Die Bewertung umfasst den Zeitraum von 2016 bis 2024.

Methodik und Datengrundlage

Die quantitative Analyse der Evaluierung basiert auf TED-Daten, die hauptsächlich öffentliche Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte erfassen. Diese wurden mit mehreren nationalen Beschaffungsdatenbanken und Daten Dritter kombiniert, etwa Unternehmenseigentumsdaten zur Schätzung der KMU-Beteiligung an öffentlichen Aufträgen.

Die Kommission beauftragte zusätzlich mehrere Studien zur Unterstützung der Evaluierung. Feedback von Stakeholdern wurde im Rahmen einer öffentlichen Konsultation gesammelt. Die Mitgliedstaaten wurden zudem zur E-Vergabe-Infrastruktur befragt.

Vereinfachung und Flexibilisierung nicht gelungen

Die Reform von 2014 sollte die Vergabeverfahren vereinfachen und flexibilisieren. Diese Ziele wurden nach Einschätzung der Kommission nur teilweise erreicht. 54,1 Prozent der Befragten in der öffentlichen Konsultation gaben an, dass die Richtlinien nicht zu einfacheren Regeln geführt hätten. 69 Prozent der lokalen und regionalen Behörden berichten von gestiegener Komplexität durch zusätzliche nationale Anforderungen bei der Umsetzung der EU-Richtlinien.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer zwischen Angebotsfrist und Zuschlagserteilung stieg von 58 Tagen (2006–2010) auf 62 Tage (2017–2024). Besonders die Vorbereitungs- und Bewertungsphasen hätten sich verlängert.

Offenes Verfahren dominiert weiterhin

Die Nutzung des offenen Verfahrens stieg von 73 Prozent vor der Reform auf 82 Prozent im Zeitraum 2017–2024. Das nicht offene Verfahren ging im gleichen Zeitraum von 11 auf 2 Prozent zurück. Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung sanken von 7 auf 5 Prozent. Die Nutzung von Rahmenvereinbarungen und dynamischen Beschaffungssystemen nahm hingegen zu.

KMU-Beteiligung verbessert

Die Maßnahmen zur besseren Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen zeigten hingegen Wirkung. KMU gewannen 71 Prozent der in TED veröffentlichten Aufträge im Zeitraum 2017–2024 (55 Prozent nach Wert), verglichen mit 64 Prozent vor der Reform 2014 (47 Prozent nach Wert).

Die durchschnittliche Anzahl der Gebote sank allerdings von 5,4 (2006–2010) auf 3,4 (2017–2024). Bei Aufträgen über 20 Millionen Euro, die 62,1 Prozent des Gesamtvergabevolumens ausmachen, liegt die durchschnittliche Gebotszahl bei 9,2.

Grenzüberschreitende Vergaben bleiben begrenzt

Nur etwa 4 Prozent des Auftragswertes und 2 Prozent der Anzahl der Vergaben gingen direkt an Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder Drittländern. Die indirekte grenzüberschreitende Beschaffung macht etwa 20 Prozent der Gesamtbeschaffung aus, wobei 80 Prozent davon innerhalb der EU und 20 Prozent außerhalb der EU erfolgen.

Nachhaltige Beschaffung kommt voran

Die Nutzung umweltfreundlicher Beschaffungskriterien variiert stark zwischen den Mitgliedstaaten. 14 Mitgliedstaaten berichteten, dass durchschnittlich 25 Prozent ihrer Aufträge grüne Beschaffungskriterien enthielten. Die Anwendung sozialer Kriterien ist schwer messbar, gewinnt aber an Bedeutung. Die Innovationsbeschaffung bleibt auf sehr niedrigem Niveau.

Während 56 Prozent der öffentlichen Auftraggeber glauben, dass die Richtlinien umweltfreundliche Beschaffung fördern, sind Wirtschaftsteilnehmer skeptischer. Nur ein Drittel erkennt verstärkte Bemühungen bei Umweltstandards.

Digitalisierung mit gemischten Ergebnissen

Die Einführung digitaler Beschaffungsinstrumente wird von 42 Prozent der Befragten als Entlastung wahrgenommen, 38 Prozent sehen sie als schneller an. Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (European Single Procurement Document, ESPD) erfüllte jedoch nicht die beabsichtigten Ziele. Nur 18 Mitgliedstaaten haben digitale Beschaffungssysteme mit anderen Systemen integriert.

Fragmentierung durch sektorspezifische Vorschriften

Die rasche Zunahme von Beschaffungsvorschriften in sektorspezifischen Rechtsakten – von Energie über Digital bis Umwelt – hat den Rechtsrahmen fragmentiert. Dies führt zu Inkonsistenzen bei Terminologie, Anwendungsbereich und Berichtspflichten. Vergabestellen warnen vor der wachsenden Komplexität durch überlappende Rechtsrahmen.

Transaktionskosten gestiegen

Die durchschnittlichen Kosten eines Vergabeverfahrens werden auf 1 Prozent des Auftragswertes geschätzt. Diese stiegen von etwa 34.600 Euro (2008–2010) auf rund 43.200 Euro (2019–2024) in konstanten Preisen. Jedes zusätzliche Gebot führt jedoch zu einer durchschnittlichen Preisreduzierung von 2,5 Prozent.

Ausblick

Die Evaluierung bestätigt, dass die Ziele der 2014er Richtlinien weiterhin relevant sind, teilweise sogar relevanter als 2014. Vereinfachung und Modernisierung der öffentlichen Auftragsvergabe seien angesichts der Wettbewerbsherausforderungen Europas und der hohen bürokratischen Belastung noch wichtiger geworden.

Die Kommission schließt mit dem Befund, dass die aktuellen Vergabevorschriften die Agilität, Kohärenz und strategische Ausrichtung vermissen lassen, die für eine wirksame Reaktion auf aktuelle und künftige Herausforderungen erforderlich sind. Es ist davon auszugehen, dass diese Bewertung in die laufende Überarbeitung der Richtlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge einfließt.

Wir werden einzelne Aspekte der sehr umfangreichen Evaluation in separaten Blogbeiträgen beleuchten, sofern wir ihnen für die Leser unseres Blogs und für Nutzer unserer Lösungen die erforderliche Relevanz beimessen.

Quelle und Links

Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash