
Inzwischen liegt die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates zum Vergabebeschleunigungsgesetz vor. Wir stellen die seitens des Gesetzgebers erwarteten Entlastungen vor.
Das Vergaberecht zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren lautete die Zielsetzung, der sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verschrieben haben. Der Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge stellt den voraussichtlich zentralen Versuch dar, diesen Zielen in dieser Wahlperiode gerecht zu werden. Wie gut das gelingen kann, darüber soll die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrat (NKR) Auskunft geben.
Gemäß § 6 Abs. 1 NKRG gibt der NKR Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung bei deren Einbringung in den Bundestag beziehungsweise bei der Zuleitung an den Bundesrat ab.
Mit der nun vorliegenden Bundestagsdrucksache 21/1934 kann entsprechend auch die NKR-Stellungnahme zum Vergabebeschleunigungsgesetz gelesen werden. Sie ist vor allem hinsichtlich der darin getroffenen Einschätzungen bezüglich Anzahl und Dauer von Vergabeverfahren interessant. Der Normenkontrollrat bewertet dabei die Einschätzungen seitens des Ministeriums.
Die Vergaberechtsreformen des Bundes 2025



49,4 Stunden Bearbeitungszeit pro Verfahren
So wird etwa davon ausgegangen, dass infolge der Erhöhung der Direktauftragswertgrenze auf künftig 50.000 Euro rund 125.000 Aufträge ohne Vergabeverfahren durchgeführt werden können. Dies führe bei einem Erfüllungsaufwand (etwa für das Erstellen eines Angebots und Einreichen von Nachweisen) in Höhe von 664 Euro/Verfahren zu einer jährlichen Entlastung für die Wirtschaft in Höhe von rund 87,7 Mio. Euro.
Auf Verwaltungsebene wird von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit der Vergabestellen von 49,4 Stunden pro Verfahren
ausgegangen, so dass der obige Wegfall von 125.000 Aufträgen eine Entlastung in Höhe von rund 274,2 Mio. Euro ergebe.
450.000 Unternehmen, die sich regelmäßig bewerben
Einzelnachweise, die wie der Auszug Handelsregister mehrfach verwendet werden können, müssen nach dem Willen des Gesetzgebers künftig nicht erneut eingereicht werden. Bei geschätzten rund 450.000 Unternehmen, die sich regelmäßig auf öffentliche Ausschreibungen bewerben, und einer Zeitersparnis pro Unternehmen von rund 30 Minuten gelangt das Ministerium im Einklang mit dem NKR zu einer geschätzten weiteren Entlastung von rund 8,7 Mio. Euro pro Jahr.
12.000 Eignungsprüfungen entfallen
Weitere Entlastungen für die Verwaltung sollen sich aus dem Wegfall von rund 13.000 Eignungsnachweisen ergeben, die künftig nur noch von aussichtsreichen Bewerbern erbracht werden müssen (290.000 Euro für den Bund, und 654.000 Euro für Länder und Kommunen), sowie aus dem Umstand, dass rund 12.000 Eignungsprüfungen entfallen, weil die Eignungsprüfung bei Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb zukünftig nach der Angebotsprüfung stattfindet, also nur noch für den erfolgreichen Bieter (694.000 Euro für den Bund und 2,3 Mio. Euro für die Länder und Kommunen).
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65 Minuten je Leistungsbeschreibung
Durch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Vereinfachungen von Leistungsbeschreibungen benötigen Vergabestellen aus Sicht des NKR zukünftig weniger Zeit zum Erstellen von Leistungsbeschreibungen. Bei jährlich rund 23.300 Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich und einer Bearbeitungszeit von 65 Minuten je Leistungsbeschreibung ergebe dies eine jährliche Entlastung von rund 1,2 Mio. Euro für die Verwaltung (313.000 Euro seitens Bund, 850.000 Euro Länder und Kommunen).
Vergabekammern: 14 Stunden pro Verfahren
Auch beim Rechtsschutz werden beeindruckend genaue Schätzungen vorgelegt: Verfahrensentscheidungen erfordern künftig keine voll besetzte Verfahrenskammer mehr, sodass zwei Kammermitglieder weniger benötigt werden. Bei jährlich rund 760 Entscheidungen pro Jahr und einem Zeitaufwand von 14 Stunden pro Verfahren ergebe dies eine jährliche Entlastung von rund 987.000 Euro für die Verwaltung.
Keine ausreichende Datenbasis
Im Einklang mit dem Wirtschaftsministerium hält der NKR zudem fest, dass für einige Vorgaben keine ausreichende Datenbasis zur
Verfügung stehe und ein hoher Gestaltungsspielraum die Quantifizierung daher erschwere. Die tatsächlich zu erwartende Entlastung für Wirtschaft und Verwaltung werde voraussichtlich sogar unterschätzt, würde aus Sicht von Ministerium und NKR also höher ausfallen.
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Die Zeitangabe der Leistungsbeschreibung finde ich interessant. Eine Leistungsbeschreibung muss immer erstellt werden und die sollte auch gut ausgearbeitet werden und das bedarf Zeit. Wenn hier auf Qualität verzichtet wird, wird es interessant. Die eingesparten Kosten die in dem Artikel aufgeführt werden, werden durch überteuerte Angebote aufgrund fehlenden Wettbewerbs nicht in der angegebenen Höhe zu erwarten sein. Ob man tatsächlich mehr Leistung erhält, ist fraglich. Ich gehe von mehr Ausgaben bei gleichbleibender bis sogar sinkender Leistung aus. Und eine Förderung der KMU sehe ich auch nicht.
Da (zum Glück) Wettbewerbsgrundsatz, Tranzparenzgrundsatz, Gleichbehandlungsgrundsatz weiter gelten und Aufträge weiterhin an geeignete Firmen vergeben werden müssen und jede Entscheidung zu dokumentieren ist sehe ich für die Vergabestellen keinen zeitlichen Vorteil. Vieles was jetzt ggf. manuell dokumentiert und abgelegt werden müsste, dokumentiert derzeit das VMS automatisch. Ich sehe auch keinen zeitlichen Vorteil einer Angebotseinholung per Mail im Gegensatz zu einer Angebotseinholung über eine Vergabeplattform, welche ja auch formlose Verfahren ohne feste Fristen und ohne die zwingende Einbindung einer Submissionsstelle anbietet.
Die Entlastung der Vergabestellen ist richtig, aber dafür haben die Fachbereiche wieder mehr Arbeit. Es wird also nur hin und her geschoben.
Wenn für die Leistungsbeschreibungen künftig durchschnittlich nur noch 65 Minuten aufgewandt werden, wird es zwangsläufig mehr Diskussionen über das Vertragssoll geben. Die Juristen, die bei den Vergabekammern eingespart werden, werden dann möglicherweise vor den Landgerichten wieder gebraucht.
Die schöne neue Vergabewelt wirkt auf den ersten Blick effizient, birgt jedoch erhebliche Risiken für die Qualität, die Rechtssicherheit und letztlich auch für die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Aufträge. Was als Entlastung verkauft wird, kann sich schnell als zusätzliche Belastung erweisen – für Verwaltung, Bieter und Gerichte gleichermaßen. Es bleibt spannend.