
Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Deutschland kritisiert die im Koalitionsvertrag geplanten Vergabereformen scharf. Die vorgesehenen Vereinfachungen kämen einem „Kahlschlag bei vergaberechtlichen Schutzmechanismen“ gleich.
CDU, CSU und SPD räumen der Reform des Vergaberechts in ihrer Koalitionsvereinbarung viel Raum ein. Sektorale Befreiungsmöglichkeiten vom Vergaberecht sind ebenso vorgesehen wie deutlich erhöhte Wertgrenzen und weitere Beschleunigungsmaßnahmen.
Transparency International Deutschland sieht in den geplanten Maßnahmen eine Einschränkung des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge, die Schaffung eines „Einfallstors für ineffiziente Mittelverwendung“ und einen „Katalysator für Korruptionsrisiken“. Gerade vor dem Hintergrund massiv steigender öffentlicher Investitionen im Rahmen der neu geschaffenen Sondervermögen seien dies besonders bedenkliche Pläne.
Obergrenze für Wertgrenzen gefordert
Die Organisation kritisiert insbesondere die Anhebung der Wertgrenzen für Direktvergaben. Freihändige Ausschreibungen und Direktvergaben, bei denen ein erhöhtes Korruptionsrisiko existiere, bräuchten eine erhöhte Rechenschaftspflicht durch konsequente Ex-Post-Transparenz- und Veröffentlichungspflichten.
Bürger und Steuerzahler müssten wissen können, was der Staat von wem, für wie viel, wann und wie kaufe. Dies sei im Moment nur sehr eingeschränkt möglich und die vorgesehenen Maßnahmen würden dies zusätzlich erschweren. Transparency International fordert Wertgrenzen für Direktvergaben in Höhe von maximal 25.000 Euro für die Veröffentlichung.
Weniger Klarheit, weniger Wettbewerb und mehr Fragmentierung
Ein Bürokratieabbau werde über dieses Instrument ohnehin nicht erreicht. Im Gegenteil:
Ohne Ausschreibungen brechen Unternehmen Geschäftsgelegenheiten weg, da keine Transparenz über verfügbare und offen Auftragsmöglichkeiten existiert. Nur wer Kontakte in die Vergabestellen hat, kann sich auf volle Auftragsbücher freuen. Ein solides Geschäftsmodell lässt sich darauf gerade für kleine Unternehmen nicht bauen, was öffentliche Aufträge nur noch unattraktiver macht.
Das Resultat sei weniger Klarheit, weniger Wettbewerb und mehr Fragmentierung.
Weniger Kontrolle durch Rechtsschutzverkürzungen
Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Verkürzung des Rechtsschutzes auf eine Instanz schmälere den von Nachprüfungsverfahren ausgehenden Kontrolldruck signifikant. Die theoretische Möglichkeit der Revision zwinge öffentliche Auftraggeber, ihre Vergabeverfahren ordnungsgemäß und transparent durchzuführen.
Nach den Plänen des Koalitionsvertrags soll bereits nach der ersten Instanz eine endgültige Zuschlagserteilung ermöglicht werden, bevor eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung vorliegt. Es sei zu befürchten, dass diese Rechtsschutzverkürzungen zu insgesamt weniger Kontrolle von Vergabeentscheidungen durch unabhängige Stellen führen werde.
Sektorale Ausnahmen vom Vergaberecht kritisiert
Transparency International Deutschland richtet sich auch gegen die geplante Befreiung einzelner Sektoren vom Vergaberecht, etwa im Verteidigungsbereich oder bei der Deutschen Bahn. Die Befreiung von vergaberechtlichen Vorgaben betreffe ein Beschaffungsvolumen im dreistelligen Milliardenbereich.
Mit dem Bereich der Verteidigung gälte dies für einen Vergabegegenstand mit ohnehin großem Risiko für Korruption und Einflussnahme, da hier teils riesige Einzelauftragsvolumina auf ein kleines Anbieterfeld und naturgemäß eingeschränkte Transparenz träfen. Die Kreierung von Ausnahmen würde das Vergaberecht durchlöchern und gefährliche, sachlich unbegründete Präzedenzfälle schaffen.
Digitalisierung wird begrüßt
Positiv bewertet die Organisation die Weiterführung der Digitalisierung, etwa des „Once-Only“-Prinzips, das es ermögliche, dass vergabebezogene Daten nur noch einmal an staatliche Stellen übermittelt werden müssen. Dies könne die Effizienz des Vergabeprozesses und die Qualität der erhobenen Daten maßgeblich erhöhen.
Transparency International Deutschland will die Prozesse weiterhin aufmerksam begleiten und steht für eine Kommentierung und konstruktive Vorschläge für eine Vereinfachung und Entbürokratisierung des deutschen Beschaffungswesens bei gleichbleibend hohen Integritätsstandards zur Verfügung.
Quelle
Die Stellungnahme Ein Konjunkturprogramm für Korruption. Vergabereform im Koalitionsvertrag kann hier heruntergeladen werden.
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Titelbild: cosinex / ChatGPT