
In Sachsen-Anhalt liegt ein Gesetzentwurf zur Änderung des Tariftreue- und Vergabegesetzes (TVergG LSA) vor, eingebracht von der Regierungskoalition aus CDU, SPD und FDP. Ziel der Novelle sei es, das Vergabeverfahren im Land zu vereinfachen, rechtssicherer auszugestalten und den Aufwand insbesondere für kommunale Auftraggeber zu reduzieren. Die zentralen Änderungen betreffen sowohl Verfahrensfragen als auch die Tariftreuevorgaben.
Der Gesetzentwurf ist nebst begleitenden Dokumenten hier in der Parlamentsdokumentation des Landtags zu finden. Er wurde am 13. Juni in erster Lesung an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus überwiesen, der ihn am 18. erstmals beraten hat. Dem Ausschussprotokoll ist zu entnehmen, dass er sich mehrheitlich für die Durchführung eines schriftlichen Anhörungsverfahrens ausgesprochen hat.
1. Anwendungsbereich und Wertgrenzen – künftig per Verordnung regelbar
Der Anwendungsbereich des Gesetzes bleibt auf Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte beschränkt. Neu ist jedoch: Die bislang gesetzlich festgelegten Wertgrenzen (z. B. 40.000 € bei Dienstleistungen) sollen entfallen. Künftig soll das zuständige Ministerium durch Verordnung festlegen können, ab welchen Auftragswerten die Regelungen des Gesetzes Anwendung finden. Dadurch könne – so die Begründung – schneller auf wirtschaftliche Entwicklungen wie Preissteigerungen reagiert werden.
Auch bei der Losvergabe ist vorgesehen, dass sich der Anwendungsbereich nach dem geschätzten Gesamtwert aller Lose richtet. Bei Einzellosen unterhalb des Schwellenwerts dürfe jedoch abgewichen werden.
Presseberichten zufolge haben sich die Koalitionsfraktionen zudem darauf verständigt, die Wertgrenzen für Bauleistungen bis zum EU-Schwellenwert von derzeit 5,53 Mio. € anzuheben. Darüber hinaus sollen Kommunen künftig Leistungen bis zu 100.000 € freihändig vergeben dürfen. Diese Beträge sind nicht Teil des Gesetzentwurfs selbst, sondern dürften – sofern umgesetzt – per Verordnung geregelt werden.
2. Mehr Spielraum beim Bestbieterprinzip (§ 8)
Das sogenannte Bestbieterprinzip soll rechtlich gefestigt und zugleich flexibilisiert werden: Öffentliche Auftraggeber sollen künftig selbst festlegen können, welche Nachweise und Erklärungen erst vom Bestbieter nach Abschluss der Angebotswertung vorzulegen sind. Damit könnten Bieter entlastet und das Verfahren beschleunigt werden. Die Frist zur Nachreichung soll zwischen drei und zehn Kalendertagen liegen. Auch Nachunternehmer müssten entsprechende Erklärungen vorlegen.
3. Tariftreuepflichten überarbeitet (§ 11)
Die Regelungen zur Tariftreue, zum vergabespezifischen Mindestlohn und zur Entgeltgleichheit sollen vereinfacht und rechtlich präzisiert werden. Für Bau- und Dienstleistungen ist ein Mindeststundenentgelt vorgesehen, das sich an der Entgeltgruppe 1, Erfahrungsstufe 2 des TV-L Ost orientiert.
Neu ist, dass Auftragnehmer nicht mehr selbst den einschlägigen Tarifvertrag benennen müssen. Stattdessen soll es ausreichen, ein Datenblatt des Tariftreue-Portals Sachsen-Anhalt als Anlage beizufügen. Lieferleistungen sollen ausdrücklich von der Regelung ausgenommen sein. Tarifliche Änderungen während der Vertragslaufzeit seien zu berücksichtigen.
4. ILO-Kernarbeitsnormen gestrichen (§ 13 alt)
Die bisherige Regelung zur Berücksichtigung von ILO-Kernarbeitsnormen soll entfallen. Zur Begründung wird auf bereits bestehende Regelungen im europäischen und internationalen Recht verwiesen. Kritiker könnten hierin eine Absenkung sozialer Standards sehen; die Landesregierung verweist hingegen auf eine Verringerung des Verwaltungsaufwands.
5. Kontrollen und Sanktionen konkretisiert (§§ 16–17)
Vorgesehen ist, dass öffentliche Auftraggeber die Einhaltung der Verpflichtungen überprüfen können, insbesondere durch Einsicht in Entgeltabrechnungen. Sanktionen sollen abgestuft nach Schwere des Verstoßes möglich sein: von der Verwarnung über Vertragsstrafen bis hin zur Auftragssperre für maximal sechs Monate. Die Wirksamkeit dieser Mechanismen soll nach einem Jahr evaluiert werden.
6. Fristen nun durchgängig in Kalendertagen
Mit der Neuregelung wird die Berechnung von Fristen im Vergabeverfahren wieder auf Kalendertage umgestellt. Dies entspricht der Regelung des Landesvergabegesetzes Sachsen-Anhalt a. F. und diene der Eindeutigkeit, Transparenz sowie einer rechtssicheren und einfachen Fristberechnung. Die Verwendung von Werktagen führte hingegen zu Unsicherheiten, insbesondere aufgrund regionaler Unterschiede bei Feiertagen und variierenden Arbeitszeiten.
7. Befristung bis Ende 2028
Die Geltungsdauer des novellierten Gesetzes ist bis zum 31. Dezember 2028 befristet. Nach Ablauf dieser Frist würden automatisch die bisherigen Regelungen wieder in Kraft treten – es sei denn, der Landesgesetzgeber beschließt eine Verlängerung oder erneute Änderung.
Einordnung aus Sicht der Vergabepraxis
Der Gesetzentwurf greift mehrere Punkte auf, die in der Vergangenheit aus der Praxis kritisiert worden waren – etwa die Komplexität bei Nachweispflichten, die Handhabung der Schwellenwerte oder Unklarheiten bei der Anwendung der Tariftreuepflichten. Durch die geplanten Änderungen könnten Verfahren einfacher werden – insbesondere bei kleineren Vergaben und in kommunalen Verwaltungen. Die vorgesehene Verordnungsermächtigung bei den Wertgrenzen wird von Befürwortern als Ausdruck neuer Flexibilität gewertet, könnte aber zugleich politische Auseinandersetzungen über deren zukünftige Höhe nach sich ziehen.
Ob das geänderte Gesetz tatsächlich zu einer spürbaren Vereinfachung und zu höherer Beteiligung von Unternehmen führt, wird sich in der Praxis zeigen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vorgesehenen Evaluierung und Befristung.
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Titelbild: Ra Boe / Wikipedia