
Große europäische Verbände positionieren sich derzeit mit Blick auf die Novellierung der EU-Vergaberichtlinien. Der Gewerkschaftsbund CETUN macht sich unter anderem für das Bestbieterprinzip stark, Verbände aus Architektur und Ingenieurwesen haben eine Luxembourg-Declaration mit Forderungen an das öffentliche Beschaffungswesen beschlossen.
Gewerkschaften fordern Stärkung sozialer Klauseln
Das Central European Trade Union Network (CETUN) hat acht Forderungen an die Reform des Vergaberechts in Europa formuliert. So verlangt CETUN die Stärkung sozialer Klauseln durch Verstärkung von Artikel 18 der Richtlinie 2014/24/EU und die Aufnahme des ILO-Übereinkommens 94 über Arbeitsklauseln in öffentlichen Verträgen. Verbindliche soziale und ökologische Kriterien sollen in alle Vergabeentscheidungen integriert werden, um das Bestbieterprinzip zu etablieren.
Begrenzung von Subunternehmerketten und Ausschluss unlauterer Anbieter
Das Netzwerk fordert zudem den Kampf gegen Sozialdumping durch Begrenzung der Subunternehmerketten auf maximal eine zusätzliche Stufe und die Einführung gesamtschuldnerischer Haftung. Unternehmen, die gegen Arbeitsrechte oder Steuerpflichten verstoßen, sollen konsequent ausgeschlossen werden. Kleine und mittlere Unternehmen sowie regionale Betriebe sollen durch höhere Direktauftragsschwellen besseren Zugang erhalten.
Schutz strategischer Sektoren und öffentlicher Dienstleistungen
Ferner fordern die Gewerkschaften, dass Artikel 85 der Richtlinie 2014/25/EU über die Vergabe in bestimmten Sektoren auch in die beiden anderen EU-Vergaberichtlinien eingebettet wird. Diese Bestimmung erlaubt es, Angebote für Lieferverträge abzulehnen, wenn mehr als 50 Prozent des Warenwerts aus Drittländern stammen. EU-Beitrittskandidaten sollen von solchen Drittländer-Bestimmungen ausgenommen werden, sofern die Beitrittsverhandlungen zu den Kapiteln öffentliche Beschaffung, Sozialpolitik und Beschäftigung sowie Umwelt abgeschlossen sind.
Wesentliche öffentliche Dienstleistungen wie die Wasser- und Abwasserwirtschaft sollen weiterhin von den EU-Vergaberichtlinien ausgenommen bleiben, im Einklang mit der Europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“. Die interkommunale Zusammenarbeit soll gestärkt werden, um erschwingliche, hochwertige öffentliche Dienstleistungen zu sichern.
Luxembourg-Declaration: Architekten und Ingenieure fordern qualitätsbasierte Beschaffung
Am 15. Mai haben sich vier Architekten- und Planerverbände zu der gemeinsamen Konferenz mit dem Titel „Architects + Engineers: Partnership for Resilient Design“ getroffen.
Dort wurde die Notwendigkeit von Reformen hervorgehoben, um eine qualitätsorientierte Beschaffung und eine bessere Unterstützung innovativer, KMU-orientierter Lösungen zu gewährleisten.
Zum Abschluss der Konferenz stellten die vier Verbände die „Luxembourg-Declaration“ zur Vergabe öffentlicher Aufträge vor – eine gemeinsame Verpflichtung zur Verbesserung der Vergabepraktiken in ganz Europa zur Förderung von Designqualität, Nachhaltigkeit und langfristigem Wert.
Verbot der Verwendung des niedrigsten Preises
Die vier europäischen Berufsverbände erheben in der Luxembourg-Declaration weitreichende Forderungen zur Reform der EU-Vergaberichtlinie. Im Zentrum steht das Verbot der Verwendung des niedrigsten Preises als alleiniges Auswahlkriterium für intellektuelle Dienstleistungen. Stattdessen sollen hochwertige Lösungen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis garantiert werden.
Eigene Regeln für intellektuelle Dienstleistungen
Die Verbände fordern die Aufnahme eines besonderen Kapitels für intellektuelle Dienstleistungen in die Vergaberichtlinie. Dieses soll verpflichtende qualitätsbasierte Auswahlkriterien vorschreiben, angemessene Vergabeschwellenwerte definieren sowie Zugangs- und Zulassungsregeln zur Unterstützung der KMU-Beteiligung enthalten. Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten während der Verfahren vereinfacht werden.
Designqualität, faire Bedingungen und KMU-Zugang im Fokus
Für qualitätsorientierte Verfahren verlangen die Organisationen eine verpflichtende Auswahl für intellektuelle Dienstleistungen und die Förderung von Designwettbewerben bei der Beschaffung architektonischer Dienstleistungen. Dabei sollen breitere Umwelt- und Sozialkosten berücksichtigt werden. Gleichzeitig fordern sie das Verbot der Anforderung, Planungsarbeiten während der Vergabephase ohne Bezahlung durchzuführen.
Zur Verbesserung des KMU-Zugangs verlangen die Verbände eine Vereinfachung der administrativen Komplexität und die Prüfung, ob die Aufteilung von Verträgen in Lose positive Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen hätte. Darüber hinaus empfehlen sie flexiblere technische und finanzielle Kriterien, etwa durch die Ausweitung des dreijährigen Referenzzeitraums oder die Reduzierung des Mindestumsatzes.
Quelle und Links
- Luxembourg-Declaration zu öffentlichen Vergabeverfahren
- Towards Fair and Sustainable Public Procurement in Europe
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Titelbild: Christian Lue – Unsplash