
Die EU-Kommission hat jüngst den summary report zur öffentlichen Konsultation über die Evaluierung der EU-Vergaberichtlinien veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen deutliche Kritikpunkte an den aktuellen Regelungen, insbesondere hinsichtlich Flexibilität und Vereinfachung.
Über Zahl und geographische Verteilung der Rückmeldungen hatten wir bereits berichtet. Seit dem 14. Mai liegt auch der Summary report zu der Konsultation vor, der Rückschlüsse über das qualitative Feedback der Teilnehmenden erlaubt.
Kritik an Flexibilität und Komplexität der Regelungen
Die Ergebnisse der Konsultation zeigen eine deutliche Kritik an den bestehenden Regelungen. 49 % der Befragten sind der Ansicht, dass die Richtlinien das öffentliche Vergabesystem nicht flexibel genug gestalten. 54 % meinen, die Richtlinien hätten keine einfacheren Regeln für das öffentliche Beschaffungswesen etabliert.
Positiver wird die Digitalisierung des öffentlichen Auftragswesens bewertet: 42 % der Befragten stimmen zu, dass die E-Vergabe den Verwaltungsaufwand reduziert hat, 38 % sehen eine Beschleunigung der Beschaffung von Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen. Unternehmen bewerten die Vorteile der Digitalisierung dabei positiver als öffentliche Auftraggeber.
Mehr Transparenz, weniger Korruption
Zu den positiven Aspekten der Richtlinien zählt die erhöhte Transparenz im Vergabeverfahren. 62 % der Befragten stimmen zu, dass die Richtlinien die Transparenz durch einen geeigneten Rahmen für die Veröffentlichung von Ausschreibungen in allen Phasen des Vergabeverfahrens erhöht haben. Zudem sind 38 % der Ansicht, dass die Richtlinien zur Reduzierung von Korruption beigetragen haben.
Während die Regeln zur Transparenz (z.B. EU-weite Veröffentlichung über Tenders Electronic Daily „TED“) von 48 % der Befragten als weiterhin relevant und angemessen angesehen werden, betrachten ebenso viele Befragte (48 %) die Regeln zur Verfahrensflexibilität als nicht mehr zeitgemäß.
Marktzugang und Wettbewerb
In Bezug auf die Marktzugangsziele der Richtlinien sind die meisten Befragten (46 %) der Meinung, dass die Richtlinien nicht zu mehr Wettbewerb auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten geführt haben. Diese Ansicht wird von 54 % der öffentlichen Auftraggeber geteilt, aber nur von 34 % der Unternehmen.
Die meisten Befragten (53 %) glauben jedoch, dass die Richtlinien die Gleichbehandlung von Bietern aus anderen EU-Ländern in allen Verfahrensphasen und die objektive Bewertung von Angeboten gewährleisten. Nur 12 % stimmen dem nicht zu.
38 % der Befragten sind der Meinung, dass die Richtlinien es einfacher gemacht haben, sich aus dem Ausland auf öffentliche Aufträge zu bewerben. Diese Mehrheitsmeinung wird von den öffentlichen Auftraggebern nicht geteilt: 42 % stimmen dem nicht zu.
Strategische Beschaffung: unterschiedliche Wahrnehmungen
Öffentliche Auftraggeber stimmen zu, dass die Richtlinien die Beschaffung umweltfreundlicher (56 %), sozial verantwortlicher (55 %) und innovativer (45 %) Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen gefördert haben. Andere Befragtengruppen sind jedoch weniger positiv eingestellt. So sind Unternehmen der Meinung, dass die Richtlinien die Beschaffung umweltfreundlicher (46 %), sozial verantwortlicher (50 %) und innovativer (54 %) Leistungen nicht gefördert haben.
Bei der Frage, ob die Richtlinien die Unternehmen zu größeren Anstrengungen bei der Erfüllung von Umweltstandards, der Berücksichtigung sozialer Aspekte und dem Einsatz innovativer Lösungen angeregt haben, überwiegt die Skepsis. 33 % der Befragten sind der Auffassung, dass die Richtlinien Unternehmen nicht motiviert haben, Umweltstandards zu erfüllen, 38 % sehen keine Förderung sozialer Aspekte und 39 % keine verstärkte Nutzung innovativer Lösungen.
Kritik an Resilienz und strategischer Autonomie
Die meisten Befragten glauben nicht, dass die Richtlinien geeignet sind, zur strategischen Autonomie der EU beizutragen. 42 % halten die Richtlinien für nicht zweckmäßig in dringenden Situationen. Ebenso viele meinen, dass sie bei größeren Lieferengpässen (z.B. Unterbrechungen der Lieferkette während einer Gesundheits-, Energie- oder Sicherheitskrise) nicht geeignet sind. 38 % sind zudem der Ansicht, dass die Richtlinien nicht sicherstellen, dass Sicherheitserwägungen von den Auftraggebern angemessen berücksichtigt werden.
Quelle und nächste Schritte
Der Report kann auf der Website zur Public procurement directives – evaluation unter der Zwischenüberschrift Summary report Ares (2025)3894320 als PDF heruntergeladen werden.
Ihrem Zeitplan zufolge will die Kommission bereits im dritten Quartal 2025 einen Vorschlag zur Evaluation der Richtlinien annehmen („Commission adoption Planned for Third quarter 2025„). Das kann sicherlich als ambitioniert bezeichnet werden. Über den Fortgang der Überarbeitung werden wir gewohnt aktuell im cosinex Blog berichten.
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Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash