
Das Zwei-Umschlag-Verfahren findet besonders bei Planungsleistungen zur Qualitätssteigerung Anwendung. Welche Bundesländer das Verfahren noch ermöglichen und wie es im cosinex Vergabemanagementsystem digital umgesetzt wird, erläutern wir in diesem Beitrag.
Das Zwei-Umschlag-Verfahren ermöglicht die Durchführung von Angebotsprüfung und qualitativer Wertung, ohne dabei Kenntnis von den Angebotspreisen zu erhalten. Mit ihm kann der Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Angebotspreise gesteuert und der Personenkreis eingegrenzt werden, der Zugriff auf die Preise erhalten soll. Das Vorgehen findet insbesondere im Zusammenhang mit Planungsleistungen Anwendung, lässt sich aber auch auf andere Bereiche und Anwendungsfälle übertragen.
Zweck und typischer Verlauf des Verfahrens
Mit dem Zwei-Umschlag-Verfahren sollte im Bereich der Planungsleistungen eine Verbesserung der Qualität der gestalterischen Lösung und damit eine weitere Abwendung von einem reinen Preiswettbewerb erreicht werden.
In der vom Verband Beratender Ingenieure (VBI) vorgebrachten Variante werden dafür zuerst die technischen und gestalterischen Lösungen bewertet. Anhand von Bewertungskriterien werden beispielsweise die drei besten Lösungen ermittelt.
Erst von diesen werden anschließend die dazugehörigen Umschläge mit den Preisangaben geöffnet. Nach einem vorher festgelegten Schlüssel werden dann technische und gestalterische Lösung und Preis gewichtet und so das wirtschaftlichste Angebot ermittelt.
Möglichkeiten und vergaberechtliche Grenzen des Zwei-Umschlag-Verfahrens
Zwar ist die Bestimmung zur Dokumentation der Angebotspreise im Angebotsöffnungstermin infolge der E-Vergabe und der durch sie technisch regelmäßig ausgeschlossenen Manipulationsmöglichkeit der Angebotspreise aus korruptionspräventiver Sicht nicht mehr nötig.
Möglich scheint eine Nutzung des Verfahrens im Bereich der „Sonstigen Verfahren“, also der Ausschreibungen, die nicht nach Maßgabe vergaberechtlicher Vorgaben durchgeführt, aber ebenfalls im VMS optional abgebildet werden können
Je nach den Zielen der Vergabestelle kann also die grundsätzliche Trennung der Preisangaben von den sonstigen Angebotsinhalten auch für eine Reihe weiterer Prozesse und Anforderungen Anwendung finden.
Gleichwohl ist die Anwendung des Verfahrens hinsichtlich der Bestimmungen zur Angebotsöffnung im Einzelfall kritisch zu hinterfragen. So sieht § 14 Abs. 2 Nr. 1 lit. b EU VOB/A ausdrücklich vor, dass die Endbeträge im Öffnungstermin zu protokollieren sind.
Im Bereich der VgV fehlt nach Ablösung des § 17 EG VOL/A zwar eine entsprechende explizite Bestimmung in § 55 VgV (Angebotsöffnung) bzw. § 8 VgV (Dokumentation und Vergabevermerk).
In der Literatur wird allerdings davon ausgegangen, dass das Dokumentationsgebot nach wie vor verlange, unter anderem die Endbeträge der Angebote in das Öffnungsprotokoll aufzunehmen.
Regelungen in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern
Zwei Landestariftreuegesetze räumen derzeit die Anwendung des Zwei-Umschlag-Verfahrens ein.
Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HTVG) in der Fassung vom 12. Juli 2021 sieht für Planungsleistungen unter den in § 16 Abs. 3 HTVG genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Anwendung des Zwei-Umschlag-Verfahrens bereits ausdrücklich vor. Der Umschlag mit dem Preis wird dementsprechend erst nach vorläufig abschließender Wertung sowie Reihung und Ausschluss der Leistungsangebote geöffnet.
Auch das novellierte Tariftreue- und Vergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern, welches am 1. Januar 2024 in Kraft trat, sieht vor, dass zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, Angebote getrennt nach Leistung und Entgelt gefordert werden können. Geschehen könne dies in zwei verschlossenen Umschlägen (Zwei-Umschlag-Verfahren) oder in einer elektronischen Entsprechung.
Digitale Umsetzung des Zwei-Umschlag-Verfahrens
Was in der vordigitalen Zeit bzw. bei postalischer Angebotsabgabe – vergleichbar der Einreichung der Urkalkulationen – über eine Umschlag-in-Umschlag-Methode (Zwei-Umschlag-Verfahren) recht einfach realisierbar war, bedarf bei einer elektronischen Abbildung der Kommunikation und Prozesse neuer Funktionen.

Bei der Erfassung der Verfahrensangaben einer Ausschreibung kann im Menüpunkt „Angebote“ ausgewählt werden, ob ein Zugriff auf sogenannte „Preisdokumente“, also der Dokumente, die Angaben zu Preisen beinhalten (können), bis zu einer manuellen Freigabe durch einen entsprechend berechtigten Nutzer während der Angebotsprüfung/-wertung gesperrt werden soll.

Eine Freigabe dieser Preisdokumente für die weitere Wertung muss anschließend explizit durch hierfür berechtigte Benutzer vorgenommen werden und wird entsprechend protokolliert.
Unter dem Menüpunkt „Freischaltung Preisdokumente“ im Bereich „Angebotsprüfung / -wertung“ können – beispielsweise nach einer Angebotsprüfung und Wertung qualitativer Aspekte sowie ggf. einer Anpassung der Personen, die Zugriff auf die Vergabeakte erhalten – die Preisdokumente unter Protokollierung des Zeitpunkts und des Nutzers, der die Freigabe erteilt, angebotsübergreifend freigegeben werden.
Für die Nutzung der Funktion ist keine Anpassung der bestehenden Konfigurationen erforderlich, da sie bereits im Produktstandard zur Verfügung steht.
Verbesserte Abbildung Ihrer Prozesse
Diese und zahlreiche in den letzten Versionen hinzugekommene Funktionen helfen Nutzern unserer Lösungen dabei, ihre Prozesse noch differenzierter elektronisch zu unterstützen.
Vergabestellen, die mit unserer Unterstützung die Nutzung dieser oder weiterer neuer Funktionen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Anforderungen planen und einführen oder einen Überblick über die Änderungen der letzten Versionen erhalten möchten, bieten wir eintägige Best-Practice-Workshops an.
Im Rahmen dieser Workshops stellen erfahrene Projektleiter der cosinex die Neuerungen vor, beantworten konkrete Fragestellungen und geben individuelle Tipps in Bezug auf die Anwendungsgebiete der Teilnehmer.
Der Workshop erfolgt vor Ort und ist für bis zu zwölf Teilnehmer konzipiert. Bei Interesse senden Sie uns eine E-Mail an produktberatung@cosinex.de.
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