
45 Tage nach der vorgezogenen Bundestagswahl haben sich CDU, CSU und SPD auf den Entwurf eines Koalitionsvertrags geeinigt. Wir stellen die Vorhaben zu Vergabe und öffentlicher Beschaffung vor.
I. Vereinfachen, beschleunigen, digitalisieren
Vergaberecht und öffentlicher Beschaffung wird in dem Entwurf soviel Raum eingeräumt wie in wohl keinem Vertragstext einer Koalition zuvor. Allein drei dezidierte Kapitel (Vereinfachung des Vergaberechts und strategisches Beschaffungsmanagement, Wertgrenzen Direktaufträge und Öffentliches Beschaffungswesen) und weitere Bezüge auf diese Themen zeugen davon.
Die Koalitionäre wollen sich dafür einsetzen, das Vergaberecht auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren.
Es gelte der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe. Das Vergaberecht soll auf sein Ziel einer wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung zurückgeführt werden.
II. Befreiungsmöglichkeiten vom Vergaberecht
Geschaffen werden soll überdies die Möglichkeit, sektorale Befreiungsmöglichkeiten vom Vergaberecht zu schaffen. Gelten soll dies insbesondere in Fragen der nationalen Sicherheit und für Leitmärkte für emissionsarme Produkte in der Grundstoffindustrie mit einem Pionierfeld für die Deutsche Bahn.
III. Wertgrenzen und Schwellenwerte
Auf Bundesebene soll die Wertgrenze bei Direktaufträgen für Liefer- und Dienstleistungen auf 50.000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung auf 100.000 Euro erhöht werden. Auf europäischer Ebene wollen sich die Koalitionäre für eine „maßvolle“ Erhöhung der Schwellenwerte und für eine getrennte Betrachtung der Planungsleistungen einsetzen.
IV. Beschaffungswesen und -management
Die Parteien beabsichtigen, das öffentliche Beschaffungswesen systematisch zu optimieren. Implementiert werden soll ein strategisches Beschaffungsmanagement. Behörden sollten künftig auf Rahmenverträge anderer öffentlicher Dienststellen und auf zentrale Einkaufsplattformen zurückgreifen dürfen.
Die Bestellplattform des Bundes („Kaufhaus des Bundes“) soll zu einem digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen gemacht werden, die Vergabeplattformen sollen konsolidiert werden.
V. Eignungsnachweis und Rechtsmittel
Bieter sollten ihre Eignung möglichst bürokratiearm, digital und mittelstandsfreundlich nachweisen können, etwa durch geprüfte Systeme oder Eigenerklärungen.
Beschleunigt werden soll zudem die Vergabe öffentlicher Aufträge auch, indem die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfällt.
VI. Bundestariftreue
Ein Bundestariftreuegesetz soll erneut auf den Weg gebracht werden und für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro gelten. Für Start-ups mit innovativen Leistungen soll es in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab 100.000 Euro gelten. Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen im Rahmen der Bundestariftreue planen die Koalitionäre auf ein „absolutes Minimum“ zu begrenzen.

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VII. Weitere Maßnahmen
Um die Investitionen mit den Mitteln des Sondervermögens Infrastruktur schnell zu tätigen, sollen die Möglichkeiten zur Beschleunigung von Planung und Genehmigung, Beschaffung und Vergabe ausgeschöpft werden.
Die Erledigung standardisierbarer Aufgaben wie Personal, IT, Datenschutz, Vergabe und Beschaffungen, Compliance sowie übergreifende Kommunikationsmaßnahmen wollen die Koalitionspartner in „leistungsfähigen gebündelten Service-Einheiten“ zusammenfassen.
Im ersten halben Jahr der Regierungsarbeit – und damit rund drei Jahre nach dem ersten Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz – soll ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr beschlossen werden.
VIII. Lieferketten
Das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wollen CDU, CSU und SPD abschaffen. Ersetzt werden soll es durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ umsetzt. Die Berichtspflicht nach dem LkSG werde unmittelbar abgeschafft und komplett entfallen.
IX. Weiterer Verlauf
Der Vertragsentwurf muss nun innerhalb der Gremien der Unionsparteien sowie in der SPD-Mitgliedschaft mehrheitliche Zustimmung finden. Im Fall seiner einmütigen Billigung soll der Vertrag Ende April unterzeichnet werden.
X. Quelle und Links
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