
Seit rund zwanzig Jahren unterstützt die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global Städte und Gemeinden bei der kommunalen Entwicklungspolitik. Wir sprachen mit der Projektleiterin Fairer Handel und Faire kommunale Beschaffung, Theresa Güldenring, über Einzelkämpfer in Vergabestellen und wie man durch faire Beschaffung effizienter beschaffen kann.
Frau Güldenring, kommunale Entwicklungspolitik, das ist ein Begriff, der vielleicht nicht jedem unmittelbar geläufig ist. Ist das eine Reaktion, die Sie häufig erleben? Und wie erklären Sie, was darunter verstanden werden kann?

Also grundsätzlich beschreibt Entwicklungspolitik das Handeln in globaler Verantwortung und in dem Bewusstsein, dass die Ressourcen unseres Planeten begrenzt sind. Daraus folgt, dass wir nur unter sozialen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten, also nachhaltig agieren können.
Entwicklungspolitik ist geprägt durch die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, und da werden Kommunen beziehungsweise Städte und Gemeinden explizit genannt, im SDG 11. Sie werden also als Akteur wahrgenommen und spielen eine große Rolle.
Was für eine Rolle ist das?
Kommunale Entwicklungspolitik kann Maßnahmen im Inland umfassen, zum Beispiel durch Informations- und Bildungsarbeit, fairen Handel, faire Beschaffung. Und sie kann Maßnahmen im Ausland umfassen, beispielsweise durch die kommunalen Partnerschaften, die wir fördern. Grundsätzlich geht es darum, globale Perspektiven auf die lokale Ebene zu bringen.
Uns ist es wichtig zu vermitteln, dass Kommunen dabei eine Schlüsselrolle innehaben. Dementsprechend unterstützen wir dabei, das Thema auf einzelne Projekte in den Kommunen runterzubrechen, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten umsetzen können.
Welchen Auftrag verfolgen Sie als Servicestelle Kommunen in der Einen Welt? Was für ein Selbstverständnis verfolgen Sie in dem Kontext?
Mit der SKEW möchte die Bundesregierung eine zentrale Ansprechpartnerin für Entwicklungspolitik in Kommunen in Deutschland bieten.
Die Servicestelle, kurz SKEW, arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als Fachbereich von Engagement Global.
Mit der SKEW möchte die Bundesregierung eine zentrale Ansprechpartnerin für Entwicklungspolitik in Kommunen in Deutschland bieten. Kommunale Entwicklungspolitik ist eine freiwillige Aufgabe, weshalb den Kommunen kompetente Ansprechpartner*innen durch die SKEW an die Hand gegeben werden von Bundesseite.
Ehe wir in die Details gehen: Wie lässt sich Ihr Angebotsportfolio zusammenfassen?
Wir unterstützen Gemeinden, Städte und Landkreise und auch kommunale Unternehmen dabei, sich für die globalen Nachhaltigkeitsziele und die Umsetzung der Agenda 2030 lokal einzusetzen.
Dabei bieten wir zum einen finanzielle Unterstützung an, zum anderen aber auch fachliche Beratung, Vernetzung und Weiterbildung. Außerdem gibt es kommunale Partnerschaften, also Partnerschaften zwischen deutschen Kommunen und Kommunen im sogenannten Globalen Süden. Im Handlungsfeld Global Nachhaltige Kommune geht es um Strategieentwicklung zur Umsetzung der Agenda 2030 und es gibt eben das Feld fairer Handel und faire Beschaffung, welches mein Arbeitsbereich ist.
Welchem Selbstverständnis folgen Sie als SKEW in diesen Handlungsfeldern?
Ich glaube, was unsere Arbeit prägt, ist die Augenhöhe mit allen involvierten Akteur*innen: mit den Kommunen, mit dem BMZ als unserer Auftraggeberin, aber eben auch mit den Partner*innen im Globalen Süden. Uns ist es wichtig, gleichberechtigte Partnerschaften zu pflegen, damit wir uns von dem veralteten Bild der „Entwicklungshilfe“ lösen.
Wir heißen nicht ohne Grund Servicestelle Kommunen in der Einen Welt, weil wir es wichtig finden zu sagen: Die globalen Herausforderungen betreffen uns alle und enden nicht an der Grenze der Kommune, enden nicht am Ortsschild.
Sind das eher größere Kommunen, die Ihre Angebote wahrnehmen, oder sind auch kleinere darunter?
Es ist schon so, dass sich mehr größere als kleinere oder mittelgroße Kommunen engagieren. Wir versuchen zu fördern und zu vermitteln, dass eben auch kleine Kommunen etwas machen können. Die haben natürlich andere Möglichkeiten, sind personell und finanziell anders aufgestellt, und die haben oft nicht die großen Beschaffungsvolumina.
Daher werben wir dafür, dass sich Kommunen auch zusammentun können und so durch Bündelungseffekte eine größere Wirkung erzielen. Kleinere Kommunen sollten aus unserer Sicht nicht glauben, entwicklungspolitisch nichts ausrichten zu können, nur weil sie klein sind.
Kommen wir zu Ihrem Bereich, der fairen Beschaffung. Was wird darunter verstanden?
Fairer Handel und faire Beschaffung sind nicht einheitlich definiert. Dadurch ist schwierig zu entscheiden, was fair ist und was nicht.
Für unsere Arbeit haben wir eine Arbeitsdefinition gesetzt: Faire Beschaffung verstehen wir als Einkauf der öffentlichen Hand, der neben Preis und Qualität auch Kriterien des fairen Handels in der Herstellung des Auftragsgegenstandes berücksichtigt.
„Im Kontext der kommunalen Entwicklungspolitik ist die Beschaffung ein fassbarer und praktischer Ansatzpunkt“
Im Fokus stehen da vor allem im sogenannten Globalen Süden gefertigte Produkte, also Produkte mit langen globalen Lieferketten, in denen die Einhaltung von Menschenrechten, von Arbeitsstandards in der Regel nicht gewährleistet ist. Das nennen wir sensible Produktgruppen. Dazu zählen zum Beispiel „Klassiker“ wie Textilien und Lebensmittel, also Güter, die global beschafft werden und wo leider bekannt ist, dass die Lieferketten Menschenrechtsverletzungen aufweisen. Darauf fokussieren wir uns in der fairen Beschaffung.
Im Kontext der kommunalen Entwicklungspolitik ist die Beschaffung ein fassbarer und praktischer Ansatzpunkt, denn einkaufen müssen die Kommunen ohnehin, und wenn sie fair einkaufen, haben sie direkt die Möglichkeit, in ihrem alltäglichen Handeln auch Elemente der kommunalen Entwicklungspolitik umzusetzen.
Haben Sie unmittelbar mit Mitarbeitenden von Vergabestellen zu tun, die konkret Ausschreibungen durchführen?
Also im besten Fall sind wir direkt in Kontakt mit den Vergabestellen und den Beschaffer*innen, denn das sind die Leute, die wir unter anderem erreichen möchten. In der Praxis läuft es häufig auch über Multiplikator*innen. Wir haben zum Beispiel die sogenannten Koordinator*innen kommunaler Entwicklungspolitik. Das sind Personalstellen in Kommunen, die über die SKEW anteilig gefördert werden, und die sich explizit mit unseren Themen auseinandersetzen. Oft sind das die Personen, die das Thema in die Verwaltung und in die Vergabestellen bringen. Ähnliches gilt für Rollen wie das Nachhaltigkeits- oder das Umweltmanagement.
Was bieten Sie Beschaffungsstellen konkret an?
Wir haben zum Beispiel ein E-Learning-Angebot, das von den Grundlagen bis hin zur strukturellen Verankerung in der Kommune reicht, damit es nicht bei punktuellen Pilotausschreibungen bleibt, sondern faire Beschaffung wirklich im Handeln der Kommune verankert wird. Das passt gut zu den knappen zeitlichen Ressourcen in Kommunen, weil die das zeitlich flexibel bearbeiten können.
Letztlich müssen diejenigen, die die Ausschreibung machen, auch wissen, wie man das vergaberechtsicher verankert. Deswegen decken wir Themen wie die Sensibilisierung und die Motivation bis zur praktischen Umsetzung ab. Eine wichtige Komponente ist das Sensibilisieren: Warum ist das Thema wichtig? Was kann man in dem Bereich überhaupt umsetzen? Welche Gütezeichen gibt es?
Nun müssen Vergabestellen hinsichtlich der sogenannten strategischen Aspekte schon viel beachten. Sie sprachen Motivation an: Ist die Überwindung groß und erleben Sie dann motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
„Die Umstellung auf die faire Beschaffung regt überhaupt erst mal dazu an, Beschaffung strategischer zu denken“
Auf jeden Fall, ja. Aber das ist tatsächlich eine der Fragen neben ‚Was kostet das denn?‘, die uns gestellt wird: ‚Wer soll das alles noch machen?‘ Und die hat auch ihre Berechtigung. Viele haben das Gefühl, allein da zu stehen und fragen sich, wo sie Informationen finden und ob sie sich allein darum kümmern und sich weiterbilden müssen.
Es gibt auch einen ganz praktischen Nutzen, der zur Motivation beitragen kann: Wir stellen fest, dass Kommunen, die sich mit nachhaltiger, fairer Beschaffung auseinandersetzen, eher effizienter beschaffen. Denn die Umstellung auf die faire Beschaffung regt überhaupt erst mal dazu an, Beschaffung strategischer zu denken und zu überlegen, wie man sich aufstellen will.

Weil Sie das Einzelkämpferdasein ansprachen: Welche Rolle spielt in ihrem Angebot die Vernetzung?
Der Austausch unter Kommunen ist auf jeden Fall einfacher geworden. Wir haben dafür viel auf Onlineformate umgestellt, weil die Kommunen nach Angeboten suchen, die sie niedrigschwellig und schnell in den Alltag integrieren können.
Wir haben zum Beispiel eine Online-Dialogreihe, wo sich unser Netzwerk Faire Beschaffung neben den weiter stattfindenden Präsenztreffen niedrigschwellig austauschen kann. Viele Mitarbeiter*innen müssten also nicht länger das Gefühl haben, im stillen Kämmerlein alleine ihre Einkäufe zu tätigen.
Was würden Sie als ein besonders häufig nachgefragtes Angebot der SKEW im Bereich der fairen Beschaffung bezeichnen?
„Wir haben bereits über 1200 Beispiele und das Angebot wächst stetig“
Da würde ich den Kompass Nachhaltigkeit nennen. Das ist ein Webportal, das Informationen rund um nachhaltige und faire Beschaffung in Kommunen bündelt. Es bietet Hintergrundwissen, verlinkt viele Leitfäden und erklärt Begriffe wie die sensiblen Produktgruppen.
Ein Herzstück sind die Praxisbeispiele, wo Kommunen, die wir zum Teil beraten haben, uns im Nachgang ihre Ausschreibungsunterlagen von Beschaffungen, die sie ökosozial getätigt haben, zur Verfügung stellen.
Die sind gegliedert nach verschiedenen sensiblen Produktgruppen, man kann beispielsweise nach Kommunengröße oder nach Bundesland filtern. Wir haben da bereits über 1200 Beispiele und das Angebot wächst stetig.
Ein weiteres sehr gut angenommenes Angebot des Kompass Nachhaltigkeit ist unser Gütezeichenfinder. Auch da kann ich nach Produktgruppen filtern und mir glaubwürdige und seriöse Gütezeichen anzeigen lassen.
Entwickeln Sie das Angebot auch weiter?
Wir entwickeln den Kompass stetig weiter und passen die Bedarfe an. Seit 2023 haben wir einen geschützten Login-Bereich, Mein Kompass, da können sich Kommunen und kommunale Unternehmen registrieren und ihre Beschaffungen erfassen, einschließlich der Kriterien, die sie gefordert haben. So lässt sich die Umsetzung der sozialen und ökologischen Beschaffung monitoren.
Bald wird es auch eine Online-Community geben, die ist im Moment noch in der Testphase. Auch da werden sich Kommunen online austauschen können.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Güldenring.
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Titelbild: Christian Schneider-Bröcker