
Die Textform nach § 126b BGB ist seit der Vergaberechtsreform 2016 maßgeblich für die elektronische Kommunikation bei öffentlichen Ausschreibungen. Wir erläutern die rechtlichen Grundlagen und klären zentrale Fragen zur praktischen Umsetzung – von den Anforderungen an elektronische Unterschriften bis zu den Besonderheiten der E-Vergabe.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 24. Juni 2019 veröffentlicht. Wir haben ihn seitdem mehrmals und zuletzt im März 2025 fachlich geprüft und wo erforderlich überarbeitet.
I. Textform, Schriftform und elektronische Form
Die Textform nach § 126b BGB erlaubt es dem Verwender, mittels einer lesbaren, unterschriftslosen Erklärung elektronisch zu kommunizieren. Sie ist abzugrenzen von der Schriftform nach § 126 BGB und der elektronischen Form nach § 126a BGB (qualifizierte elektronische Signatur).
Bei der Verwendung der Textform – im Vergaberecht und darüber hinaus – treten regelmäßig Unsicherheiten und Fragen auf:
- Wer muss bei der Textform „unterschreiben“?
- Kann oder muss man trotz Textform eingescannte Unterschriften verlangen?
- Reicht die Angabe eines Firmennamens oder muss immer auch eine vertretungsberechtigte Person in Textform unterzeichnen?
II. Die Textform im Vergaberecht
Mit der Vergaberechtsreform 2016, die wiederum die EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht umsetzte, wurde die Textform zur ausreichenden und damit dominierenden Form, um unter anderem Angebote und Teilnahmeanträge elektronisch im Rahmen der E-Vergabe einzureichen.
1. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis
Im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte sind § 53 Abs. 1 VgV sowie § 11 Abs. 4 EU VOB/A von herausragender praktischer Bedeutung. Sie schreiben die Abgabe von Angeboten, Teilnahmeanträgen, Interessenbestätigungen und Interessenbekundungen in Textform vor.
Dabei hat der Normgeber ein festes Regel-Ausnahme-Verhältnis etabliert: Nur höchst ausnahmsweise kann der öffentliche Auftraggeber verlangen, dass die vorgenannten Dokumente mit
- einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur,
- einer qualifizierten elektronischen Signatur,
- einem fortgeschrittenen elektronischen Siegel oder
- einem qualifizierten elektronischen Siegel
zu versehen sind.
Dies kann im Einzelfall erforderlich sein, wenn wegen der zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit zu stellen sind (§ 53 Abs. 3 VgV sowie § 11 Abs. 5 EU VOB/A).
Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist eine vorherige Festlegung des Sicherheitsniveaus, dem Daten genügen müssen, die in direktem Zusammenhang mit der Angebotseinreichung gesendet, empfangen, weitergeleitet oder gespeichert werden.
Die Festlegung dieses Sicherheitsniveaus durch die öffentlichen Auftraggeber muss das Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung sein, wie die Bundesregierung in der Verordnung zur Modernisierung des Vergaberechts schreibt. Abzuwägen sei demnach zwischen den zur Sicherung einer richtigen und zuverlässigen Authentifizierung der Datenquelle und der Unversehrtheit der Daten erforderlichen Maßnahmen einerseits und den von nicht berechtigten Datenquellen stammenden und/oder von fehlerhaften Daten ausgehenden Gefahren.
Diese Abwägung greift nicht nur bei dem eigentlichen initialen Vergabeverfahren. Auch
- im Falle der erneuten Einrichtung elektronischer Kataloge,
- bei der Einreichung von Angeboten im Rahmen von Kleinwettbewerben bei einer Rahmenvereinbarung
- oder beim Abruf von Vergabeunterlagen
kann der öffentliche Auftraggeber in gleicher Weise feststellen und in den Vergabeunterlagen festlegen, dass ein niedrigeres Sicherheitsniveau ausreichend ist1.
Demnach kann für die Ausschreibung eines Rahmenvertrages eine qualifizierte elektronische Signatur gefordert, für die anschließenden Mini-Wettbewerbe hingegen die Textform vorgeschrieben werden.

Der Autor
Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.
2. Anwendungsfelder
Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.
Oberschwellenvergaben
Wichtigster Anwendungsfall ist die Übermittlung der Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote in Textform (vgl. § 53 Abs. 1 VgV, § 11 EU Abs. 4 VOB/A 2016).
In diesem Bereich darf nur noch in begründeten Ausnahmefällen eine abweichende Verwendung der elektronischen Signatur vorgeschrieben werden, und zwar nur dann, wenn die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen (vgl. § 53 Abs. 3 VgV, § 11 EU Abs. 5 S. 2 VOB/A 2016).
Weitere Anwendungsfälle sind
- die Anfertigung des Vergabevermerks (§ 8 VgV, § 20 EU VOB/A 2016),
- die Unterrichtung der Bewerber und Bieter seitens des öffentlichen Auftraggebers über seine Entscheidungen zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung und der Zuschlagserteilung (§ 62 Abs. 2 VgV),
- die Informationspflicht gegenüber den Bietern und Bewerbern im Zusammenhang mit der Aufhebung von Vergabeverfahren (§ 63 Abs. 2 VgV) und
- die Vorabinformation gem. § 134 GWB.
Unterschwellenvergaben
Für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich regelt § 38 Abs. 1 i.V.m Abs. 3 UVgO, dass der Auftraggeber grundsätzlich fordern muss, Teilnahmeanträge oder Angebote im elektronischen Verfahren in Textform gem. § 126b BGB abzugeben.
Wie im Oberschwellenbereich gibt es Ausnahmen, in denen eine fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signatur gefordert werden kann (bei erhöhter Schutzbedürftigkeit, § 38 Abs. 6 UVgO). Darüber hinaus kann auf die Textform bei Aufträgen unter 25.000 Euro (prognostiziertes Auftragsvolumen), bei Beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb oder bei Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb verzichtet werden (§ 38 Abs. 4 GWB).
Bei Unterschwellenvergaben im Baubereich sieht § 13 VOB/A vor, dass der Auftraggeber die Form der Abgabe der Teilnahmeanträge und Angebote festlegt. Er hat dabei das Wahlrecht, ob sie schriftlich oder auf elektronischem Weg abgeben werden sollen.
Wählt er die Verwendung elektronischer Mittel, kann er – falls erforderlich – verlangen, dass nicht die Textform gem. § 126b BGB sondern fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signaturen oder Siegel verwendet werden müssen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 li. A bis d VOB/A).
III. Voraussetzungen der Textform
Eine Legaldefinition der Textform findet sich in § 126b BGB. Dort heißt es:
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das
- es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
- geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.“
1. Lesbare Erklärung, auf der die Person des Erklärenden genannt ist
Bei Erklärungen in Textform ist keine eigenhändige Unterschrift oder Signatur erforderlich.
Die Zuordnungs- und Abschlussfunktion der Unterschrift wird durch das Erfordernis der Namensangabe des Erklärenden ersetzt. Hier ist darauf zu achten, dass bei natürlichen Personen der natürliche Name (§ 12 BGB), bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften der Firmenname (§ 17 HGB) grundsätzlich ohne Zusatz des natürlichen Namens genannt werden muss2.
Soweit ersichtlich, ist noch nicht geklärt, ob im vergaberechtlichen Kontext neben dem Firmennamen auch die Benennung des Namens der für die Firma handelnden Person gefordert werden darf.
Im Kontext des Verbraucherschutzes (Fernabsatzverträge gem. § 312 c BGB) ist der Gesetzgeber der Ansicht, dass für den Verbraucher aus dem „Informationsdokument“ selbst erkennbar sein muss, von wem die Informationen stammen und wo das Dokument endet.
So heißt es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (Bundestags-Drucksache 14/7052, S. 191):
„Hierfür genügt es, wenn der Unternehmer auf dem Dokument seinen Namen bzw. bei juristischen Personen die Firma oder auch nur das dem Verbraucher bekannte „Logo“ angibt; eine weitere Konkretisierung dahingehend, wer innerhalb des Unternehmens, also etwa welche Abteilung, welcher Mitarbeiter etc. die Information abgegeben hat, ist selbstverständlich nicht erforderlich.
Die Textform wäre damit gewahrt.
Ähnlich argumentiert der BGH (7. Juli 2010, VIII ZR 321/09) in Bezug auf eine Erklärung nach dem Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG): Es sei allein entscheidend, dass der Empfänger der Erklärung in Textform überhaupt weiß, von wem das Schreiben stammt.
Für diesen Zweck reiche aber bei einer maschinell oder in Textform abgegebenen Erklärung einer juristischen Person die Angabe des Namens der juristischen Person aus. Es wäre eine leere Förmelei, darüber hinaus die Angabe des Namens der natürlichen Person zu verlangen, die das Schreiben unterzeichnet hätte, wenn nicht die Unterschrift wegen der vom Gesetz aus Gründen der Vereinfachung erlaubten Textform oder maschinellen Unterschrift entbehrlich wäre.
Die erleichterte Form diene dem Zweck, den Rechtsverkehr in den Fällen zu vereinfachen, in denen eine Erklärung – etwa aus Informations- oder Dokumentationsgründen – zwar einer textlichen Niederlegung bedarf, aber die Einhaltung der strengeren Schriftform wegen des Erfordernisses der eigenen Unterschrift unangemessen verkehrserschwerend ist.
Dies komme insbesondere bei Vorgängen in Betracht, bei denen die Beweis- und Warnfunktion der Schriftform allenfalls geringe Bedeutung habe und bei denen keiner der Beteiligten und auch kein Dritter ein ernsthaftes Interesse an einer Fälschung der Erklärung haben kann.

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Auf dieser Linie liegt auch das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 05.12.2018 – 24 U 164/17), das unter wörtlicher Anlehnung an das vorstehende BGH-Urteil entschieden hat, dass die Kündigungserklärung eines Leasingvertrages in Textform ohne Unterschrift und Benennung einer natürlichen Person als autorisierter Vertreter gültig ist. Es genüge der Name der juristischen Person des Leasinggebers.
Vergleicht man die beiden vorstehenden Konstellationen mit der Angebotsabgabe in einem Vergabeverfahren, so erscheint die Übertragbarkeit fragwürdig. In einem Vergabeverfahren werden oftmals Angebote von erheblichem Wert unterbreitet, deren Abgabe rechtliche Folgen zeitigt und deren Bearbeitung etc. erhebliche Ressourcen bindet.
Deswegen lässt sich durchaus vertreten, dass der öffentliche Auftraggeber ein besonderes Interesse daran haben kann, den Namen des Erklärenden, der für die Firma handelt, zu erfahren. Hiermit würde auch die Gefahr umgangen, Angebote in die Wertung aufzunehmen, die von offensichtlich nicht vertretungsberechtigten Personen abgegeben wurden.
Zu beachten ist auch, dass die Forderung des Auftraggebers, den Namen der Person zu benennen, nicht auf die Wirksamkeit der Textform durchschlagen muss, wenn der Name fehlt.
Außerdem könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass bei einem gesteigerten Interesse an der Authentizität des Angebotes auch eine elektronische Signatur gefordert werden könne. Letztlich bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit dieser besonderen Konstellation umgeht.
Unerheblich ist, an welcher Stelle der Erklärung die Absenderangabe erfolgt. Typischerweise erfolgt sie bei schriftlichen Erklärungen im Briefkopf, beim E-Mail durch einen Zusatz am Ende des E-Mail.

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2. Abschlussfunktion
Eine der in der Praxis wohl noch nicht vollständig angekommenen Änderungen, die der elektronische Rechtsverkehr mit sich gebracht hat, betrifft die sog. Abschlussfunktion. Zum Verständnis wird hier kurz die Historie der Änderungen aufgezeigt:
Ursprünglich hatte die eigenhändige Unterschrift auch die Funktion des räumlichen Abschlusses eines Textes, die sog. Abschluss- und Deckungsfunktion der Unterschrift. Die Unterschrift befand sich „unter“ dem Geschriebenen, so dass sich der Unterzeichnende den Text darüber zurechnen lassen musste.
Dieser Gedanke stand auch noch zu Beginn der elektronischen Kommunikation Pate: So hat es die Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (Bundestags-Drucksache 14/4987, Seite 20) aus dem Dezember 2000 darlegt. Deshalb muss
für die Textform wegen der entbehrlichen Unterschrift in anderer Weise das Erklärungsende und damit die Ernstlichkeit des Textes deutlich gemacht werden. Dem Erklärenden wird die dafür geeignete Kenntlichmachung überlassen. Das wird üblicherweise durch Namensnennung, einen Zusatz wie „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben.“, durch ein Faksimile, eine eingescannte Unterschrift oder ähnliche den Abschluss kennzeichnende Weise geschehen.
Die Wahrung der Abschlussfunktion entsprach auch der Regelung in § 126b BGB, die bis zum 12. Juni 2014 galt:
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.“
Zu beachten ist allerdings, dass die oben zitierte und seit dem 13. Juni 2014 geltende Fassung des § 126b BGB die Abschlussfunktion nicht mehr enthält.
In erfreulicher Klarheit hat hierzu beispielsweise die VK Sachsen (Beschl. v. 13.03.2023 – 1/SVK/034-22) ausgeführt:
„Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss gemäß § 126b BGB eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Nicht erforderlich ist dabei, dass die Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders einen Abschluss erhält, da diese Forderung im Tatbestand des § 126b BGB mit Novellierung der Norm 2014 aufgegeben wurde.“
Bei der E-Vergabe ist daher entscheidend, dass die übersandten Unterlagen in ihrer Gesamtheit als Angebotsunterlagen bzw. Teilnahmeunterlagen einer namentlich genannten Rechtsperson zugerechnet werden können.
3. Dauerhafter Datenträger
Die Textform ist nur gewahrt, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wurde.
Als solches kommen Urkunden oder sonstige Papierdokumente, Ausdrucke von elektronisch übermittelten Erklärungen (z.B. per Telefax, Computer-Fax oder als E-Post Brief) sowie elektronische Medien wie Festplatte, USB-Stick, CD-ROM, DVD oder Diskette in Betracht3.
Eine bloße Speicherung im Festplatten-Cache erfüllt hingegen nicht das Kriterium der Dauerhaftigkeit.
4. Sonderfall E-Mail
Eine E-Mail genügt zwar grundsätzlich auch den Anforderungen des § 126b BGB, da sie üblicherweise auf der jeweiligen Festplatte des Empfänger-PC oder auf dem entsprechenden Server des Empfängers gespeichert wird. Bei einer Verwendung im Kontext des Vergaberechts gilt es allerdings einige zusätzliche Voraussetzungen zu beachten.
§§ 9 ff. VgV definieren bestimmte Anforderungen an die elektronische Kommunikation, die teilweise in Spezialregelungen noch detailliert werden, so z.B. die verschlüsselte Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten (§§ 54, 55 Abs. 1 VgV; 13 EG Abs. 1 Nr. 2 S. 3 und 4 VOB/A 2016).
Weiterhin muss auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers sichergestellt werden, dass niemand Kenntnis von den Inhalten der Angebote nehmen kann, solange der Öffnungstermin nicht erreicht ist.
Für die praktische Anwendung bedeutet das konkret, dass eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung beim Sendevorgang sowie eine verschlüsselte Aufbewahrung bis zum Submissionstermin gewährleistet sein müssen. Eine E-Mail genügt den Anforderungen, die gem. § 10 VgV an die zu verwendenden elektronischen Mittel zu stellen sind, nicht.
5. Abrufbarkeit der Erklärung im Internet
Die bloße Veröffentlichung einer Erklärung im Internet entspricht für sich genommen nicht den Erfordernissen der Textform, da es sich hierbei regelmäßig nicht um einen dauerhaften Datenträger handelt.
Es genügt daher nicht, wenn die Informationen von der Website heruntergeladen oder ausgedruckt werden können. Der Unternehmer muss sie entweder dem Bieter / Bewerber in Textform zuschicken oder der Verbraucher muss sie sich selbst speichern oder ausdrucken.
Mit dem Speichern bzw. Ausdruck ist die Textform gewahrt. Eine Sonderkonstellation bilden die in elektronischen Vergabeverfahren regelmäßig zur Anwendung kommenden Vergabeplattformen.
Die Informationen werden dort zumeist in verfahrensindividuellen Bereichen oder sog. Projekträumen eingestellt. Bewerber oder Bieter können die Informationen dort einsehen und ggf. herunterladen.
Bewährte Vorteile sind unter anderem, dass nicht nur der Zugriff der Bieter dokumentiert werden kann, sondern auch die Datenintegrität und Vertraulichkeit sichergestellt sind.
Ob und inwieweit dies zulässig ist, war Gegenstand eines Beschlusses der Vergabekammer (VK) Südbayern (Beschluss vom 29.03.2019; Az: Z3-3-3194-1-07-03/19).
IV. Übermittlung und Absenden in Textform
Angebote, Interessenbekundungen etc. müssen in Textform „übermittelt“, unterlegene Bieter gem. § 134 GWB informiert werden. Hinsichtlich des Fristlaufs wird auf das „Absenden“ der Information abgestellt (§ 134 Abs. 2 GWB).
Zur besonderen Problematik des Versendens bzw. des Zugangs der betreffenden Dokumente bei Nutzung einer E-Vergabe-Plattform setzt sich ein weiterer Beitrag in unserem Blog auseinander.
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Fussnoten
- Koch in Beck´scher Vergaberechtskommentar, Band 2, § 53 VgV Rz. 21
- Vgl. Junker in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 126b BGB, Rn. 19 f.; bestätigt durch BGH, Urt. v. 01.07.2014, VIII ZR 72/14, juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.12.2018, I 24 U 164/17, juris
- Vgl. Junker in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 126b BGB, Rn. 35.
Sehr geehrter Herr Dippel,
vielen dank für den immer noch aktuellen Artikel.
Wie beurteilen Sie die Rechtsgrundlagen dazu in der Unterschwelle inkl. für die Direktaufträge (neu bis 15.000 €) nach UVgO (Sie zitieren oben nur Oberschwellenvorschriften)?
Vielen Dank,
Nicole Weiss
Sehr geehrte Frau Weiss,
wir bedanken uns für den Hinweis und haben daraufhin den Blog-Artikel inhaltlich um Ausführungen zu der Textform bei Unterschwellenvergaben ergänzt(unter der Zwischenüberschrift 2. Anwendungsfelder).
Mit freundlichen Grüßen
Die Redaktion
Sehr geehrter Herr Dippel,
was ist mit der Textform in Bezug auf das Zuschlagsschreiben?
Gelten dafür auch diese Regelungen? Ist es für eine wirksame Auftragserteilung tatsächlich ausreichend, wenn aus dem Zuschlagsschreiben der Name des Auftraggebers (= bei juristischer Person, der Name des Unternehmens) erkennbar ist?
Viele Grüße
Kathrin Ferchland
Sehr geehrte Frau Ferchland,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Hierzu verweisen wir gerne auf unseren Beitrag Der steinige Weg zur medienbruchfreien Vergabe: Unterschrift auf Auftragsschreiben erforderlich? aus Oktober 2024.
Mit freundlichen Grüßen
Wolf Witte
Ein wirklich sehr guter Beitrag zum Thema E-Vergabe. Vielen Dank!
Hallo,
dies ist bestimmt ein interessanter Diskurs für Juristen.
Für Nutzer des cosinex Bietertools ist die folgende Information aber unter Umständen hilfreicher:
Sofern die Textform in Ihrem Verfahren erlaubt ist, tragen Sie einfach Ihren Namen im Workflowschritt der Verifizierung ein und reichen anschließend das Angebot ein.
Eine weitere Authentifizierung ist nicht notwendig.
Quelle: https://service.deutsche-evergabe.de/kb/a6/was-bedeutet-die-textform-nach-126-b-bgb.aspx
Sehr geehrter Herr Gödeker,
leider sind die Dinge doch differenzierter zu betrachten. Gerade die von Ihnen zitierte Formulierung aus dem Serviceportal der Deutsche eVergabe / Fa. Healy Hudson scheint uns in dieser Hinsicht gefährlich „einfach“ bzw. undifferenziert. Dies nicht nur weil offen bleibt, ob mit „Ihr Name“ auch bei juristischen Personen (nur) der Name des Erklärenden und/oder der Name der juristischen Person bzw. Firma gemeint ist. Besonders schwierig wird es, wenn Vergabestellen abweichend von den Vorgaben der Vergabeplattform in der Ausschreibung eigene, weitergehende Vorgaben machen. In dieser Hinsicht empfehlen wir Ihnen unseren aktuellen Beitrag zu einem Beschluss des OLG Karlsruhe im cosinex-Blog unter https://blog.cosinex.de/2020/06/30/olg-karlsruhe-zu-besonderen-anforderungen-an-das-aufbringen-der-textform/
Beste Grüße
Ihr Redaktions-Team
Sehr geehrter Herr Dippel,
vielen Dank für die ausführliche Antwort auf meine Frage vom 13. Mai 2020. Gleichwohl ergibt sich m.E. aus dem Gesagten und Zitierten ein Widerspruch:
Der Palandt-Kommentar sagt ja ausdrücklich, dass Texte, die in das Internet eingestellt, dem Empfänger aber nicht (persönlich) übermittelt worden sind, nur dann der Textform i.S. des § 126b BGB entsprechen, wenn es tatsächlich zu einem Download (abspeichern oder ausdrucken) kommt. Bei einem Screenshot erfolgt nach meinem Verständnis zwar kein Download, durch die Funktionalität des Screenshots gelingt aber ein Abspeichern und in Folge auch ein Ausdrucken des abgespeicherten Textes.
Und Sie selbst sagen ja auch in Ihrem Beitrag als Fazit: „Mit dem Speichern bzw. Ausdruck ist die Textform gewahrt“
Nachvollziehbar ist nach meinem Verständnis dann doch eher das Urteil des EFTA-Gerichtshofs v. 27.1.2010, der die zitierten kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen beschreibt, die zur Textform führen können. Dafür scheitert es m.E. aber eher an der ersten Voraussetzung , da die Veröffentlichung auf einer Internet-Seite keine persönlich gerichtete Information an einen konkreten Empfänger, sondern eine an die breite Öffentlichkeit gerichtete Information darstellt.
Kann es sein, dass die juristischen Erfassungsmöglichkeiten den technischen Entwicklungen hinterherhinken, wie man dies in der gegenwärtigen vergaberechtlichen Rechtsprechung zu Fragen der funktionalen Äquivalenz von Verfahrensschritten im virtuellen Raum beobachten kann?
Beste Grüße
Michael Wankmüller
Zitat: „Die bloße Veröffentlichung einer Erklärung im Internet entspricht für sich genommen nicht den Erfordernissen der Textform, da es sich hierbei regelmäßig nicht um einen dauerhaften Datenträger handelt. Es genügt daher nicht, wenn die Informationen von der Website heruntergeladen oder ausgedruckt werden können. Der Unternehmer muss sie entweder dem Bieter / Bewerber in Textform zuschicken oder der Verbraucher muss sie sich selbst speichern oder ausdrucken. Mit dem Speichern bzw. Ausdruck ist die Textform gewahrt.“
Frage: Entspricht u.U. die Möglichkeit des „Screenshots“ von der Erklärung auf einer Internetseite der Textform, da dieser dauerhaft gespeichert werden kann?
Sehr geehrter Herr Wankmüller,
zunächst bedanken wir uns für die von Ihnen aufgeworfene Frage. Im Kern ging es darum, ob u.U. die Möglichkeit des Screenshots von der Erklärung auf einer Internetseite der Textform genügt, da dieser dauerhaft gespeichert werden kann?
Hierauf hat der wohl gängigste Kommentar für das Zivilrecht eine eindeutige Antwort, weshalb wir die Passage nachfolgend wörtlich zitieren: „Bei Texten, die in das Internet eingestellt (Homepage), dem Empfänger aber nicht übermittelt worden sind, ist § 126b BGB dagegen nur gewahrt, wenn es tatsächlich zu einem Download (abspeichern oder ausdrucken) kommt, andernfalls nicht. (BGH NJW 10, 3566 Tz 19, EuGH EuZW 12, 638, BT-Drucks 17/12637, S. 44).“ (Ellenberger in Palandt, 79 Aufl., 2020, § 126b Rz. 3)
Daraus folgt, dass allein die Schaffung der Möglichkeit, einen Screenshot anzufertigen, die Textform unzweifelhaft nicht wahrt. Erst durch Ausdruck oder (dauerhafte) Speicherung kann die Textform gewahrt werden.
Wir erlauben uns, Sie noch auf ein Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 27.1.2010 hinzuweisen, das regelmäßig auch vom BGH zitiert wird. Darin hat er festgestellt, dass auch eine Internet-Website ein dauerhaftes Medium im Sinne des § 126 b BGB sein kann, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:
• Als erstes Kriterium muss das Medium dem Empfänger ermöglichen, persönlich an ihn gerichtete Informationen zu speichern.
• Das zweite Kriterium ist, dass das fragliche Medium dem Empfänger ermöglichen muss, die für ihn bereitgestellten Informationen so zu speichern, dass diese während eines für den Informationszweck angemessenen Zeitraums abgerufen werden können.
• Das dritte Kriterium ist, dass das Medium die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Daten ermöglichen muss.
Spätestens an dem dritten Kriterium dürfte eine auf einer Homepage bereitgestellte Information scheitern. Im vergaberechtlichen Kontext wurde die Frage der „Bekanntmachung im Internet / Wahrung der Textform“ im Kontext einer Entscheidung der VK Südbayern erörtert. Hierzu dürfen wir Sie auf unseren Blog-Beitrag verweisen:
https://blog.cosinex.de/2019/05/21/mitteilung-nach-§-134-gwb-ueber-vergabeplattformen-zulaessig/
Sprechen Sie uns gern an, falls Sie weitere Fragen haben.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für das anstehende Wochenende
Norbert Dippel
Ergänzend vielleicht noch der Hinweis auf den Artikel von Dr. Kay-Uwe Rhein „Tückische Textform“ im VergabeNavigator 3/2019, S. 13, zum gleichen Thema. Der Autor empfiehlt eine Klarstellung in den Vergabeunterlagen, welche Angaben zur Wahrung der Textform erwartet werden und verweist auf das Beispiel in den Formblättern 211, 213 des VHB Bund.
Hallo,
zu dem sehr übersichtlichen und auch nichttechniker-freundlichen Beitrag eine kleine Förmelei zum Abschnitt Abschlussfunktion: Hier ist vermutlich nicht der „sog E-Mail Disclaimer“ sondern die „E-Mail-Signatur“ gemeint?
Sehr geehrter Herr Reiss-Gerwig,
vielen Dank für Ihren Hinweis! Da haben Sie natürlich vollkommen Recht. Dies haben entsprechend in dem Beitrag direkt einmal angepasst.
Mit besten Grüßen
Ihr Redaktions-Team