Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Norbert Dippel stellt anhand eines aktuellen Beschlusses dar, wo die Grenzen dieses weit gefassten Auftragsbezugs liegen.

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Das Leistungsbestimmungsrecht liegt beim Auftraggeber. Er trägt die Verantwortung dafür, dass die von ihm ausgeschriebene Leistung den Bedarf deckt, mithin der Beschaffungserfolg eintritt.

Dogmatisch hängt hiermit auch das Recht des Auftraggebers zusammen, die Zuschlagskriterien zu bestimmen. Denn letztlich sollen die Zuschlagskriterien sicherstellen, dass der Auftraggeber die nach seinen Vorstellungen beste Leistung im Verhältnis zum Preis erhält.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Das Vergaberecht billigt deshalb dem Auftraggeber einen sehr weiten Rahmen zur Definition der Zuschlagskriterien zu. § 127 Abs. 3 GWB steckt hierzu den Rahmen ab:

„Die Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Diese Verbindung ist auch dann anzunehmen, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.“

Der Vergabesenat bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht hat in einem neulich ergangenen Beschluss (vom 11.12.2024, Verg 7 / 24 e) zu den Grenzen der Bestimmungsfreiheit der Zuschlagskriterien Stellung genommen und ist dabei auf verschiedene in der Praxis vorkommende Fallgruppen eingegangen.

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Rahmenvertrag zur Erbringung von Catering-Dienstleistungen im offenen Verfahren aus.

Zuschlagskriterien waren der Preis und die Qualität jeweils zu 50 %. Zur Ermittlung der Qualität sollten mit dem Angebot ein Beispielspeiseplan für zwei Wochen eingereicht werden. In dem Speiseplan war unter anderem zu vermerken, welche Speisen und Zutaten regional und / oder Bio sind. Zu den Bewertungskriterien gehörten auch der Abwechslungsreichtum bei den angebotenen Speisen sowie die Berücksichtigung der kulturellen und religiösen Besonderheiten der potenziellen Nutzer.

Die Leistungsbeschreibung enthielt unter anderem Vorgaben für die anzubietenden Speisen, wonach beim Frühstück beispielsweise Semmeln, Vollkorntoast, Butter, Käse, Frischkäse, 100 % Geflügelwurst etc. anzubieten seien. Beim Mittagessen musste beispielsweise sowohl ein vegetarisches Gericht als auch ein Gericht mit Fleisch (kein Schwein) sowie Obst angeboten werden.

Alle Verpflegungsprodukte sollten mindestens 40 % bio-regionale Lebensmittel enthalten und Fleisch und Fisch mussten mindestens zu 40 % bio-regional sein. Es sollten grundsätzlich Erzeugnisse aus regionalen Produkten angeboten werden.

Die spätere Antragstellerin gab in ihrem Angebot einen Beispielsspeiseplan nicht mit den geforderten zwei warmen Gerichten pro Mahlzeit (vegetarisch und Fleisch/Fisch), sondern nur mit einem warmen Gericht pro Mahlzeit ab und wurde deshalb ausgeschlossen.

Hiergegen wehrte sie sich zunächst mit einem Nachprüfungsantrag. Letztlich hatte der Vergabesenat beim bayerischen Obersten Landesgericht darüber zu entscheiden, ob die qualitative Bewertung anhand eines Musterspeiseplans vergaberechtlich zulässig ist.

II. Der Beschluss

Nach Ansicht des Vergabesenats verstoße das Zuschlagskriterium Beispielspeiseplan gegen § 127 Abs. 3 GWB. Daher sei auch der nachträgliche, auf die Einreichung unvollständiger Beispielspeisepläne gestützte Ausschluss des Angebots vergaberechtswidrig. Insoweit sei das Vergabeverfahren bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht in den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen.

Das Zuschlagskriterium Beispielspeisepläne weise nicht den nach § 127 Abs. 3 GWB zwingend erforderlichen Auftragsbezug aus.

1. Grundsätzliches zum Auftragsbezug

Ein Auftragsbezug sei dann zu bejahen, wenn sich die Zuschlagskriterien in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferleistungen oder Dienstleistungen beziehen. Zur Verdeutlichung verweist der Vergabesenat auf schon anerkannte Fallgruppen.

a. Keine „Hausaufgaben“

So dürften bei der Bewertung von geforderten Konzepten für die Auftragsausführung oder von Planungen nicht lediglich die „Fähigkeiten“ der Bieter bewertet werden. Der nötige Auftragsbezug fehle, wenn von den Bietern verlangt werde, mit ihrem Angebot abstrakte Übungsaufgaben („Hausaufgaben“) zu lösen, die dann bewertet würden.

b. keine „Warenkörbe“

Der nötige Auftragsbezug fehle auch in einem Fall, in dem im Rahmen der Angebotsabgabe für einen „Warenkorb“ Preise und Konditionen aufzulisten waren, diese aber für die beabsichtigte Zusammenarbeit unverbindlich blieben und nicht einmal in einem groben Rahmen garantiert wurden.

Mit der Abfrage eines solchen „Warenkorbs“ sollte letztlich der Bewerber herausgefiltert werden, der am besten geeignet erschien, in Zukunft für den Auftraggeber günstige Konditionen auszuhandeln. Eine derartige Anforderung sei als ein Eignungs- und nicht als ein Zuschlagskriterium anzusehen und am ehesten mit einer (Selbst-)Referenz zu vergleichen.

Grundsätzlich stellte der Vergabesenat fest, dass die notwendige Verbindung mit dem Auftragsgegenstand fehle, wenn bei der Zuschlagserteilung Kriterien herangezogen würden, die ausschließlich die in § 122 Abs. 1 und 2 GWB genannten Aspekte der Eignung beträfen, ohne dass ihnen eine Bedeutung für die Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrags zukomme.

2. Auf den Fall bezogen

Auf der Sachverhaltsebene verweist der Vergabesenat zunächst darauf, dass mit dem Angebot Beispielspeisepläne für zwei Wochen beizufügen seien. Im Rahmen der Auftragsdurchführung müssten dann aber Speisepläne jeweils wöchentlich im Voraus erstellt und vorab eingereicht werden.

Es lasse sich den Vergabeunterlagen nicht entnehmen und sei ersichtlich nicht gewollt, dass die Beispielsspeisepläne Vertragsinhalt werden. Insbesondere wäre das Angebot desselben Essens im Zwei- Wochen-Rhythmus mit der Forderung nach einer abwechslungsreichen Kost nicht vereinbar. Im Übrigen behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht, dass sie dies gewollt hätte.

Auch sei an keiner Stelle der Vergabeunterlagen vorgesehen, dass bestimmte Bestandteile der Beispielspeisepläne eine verbindliche (Mindest-)Vorgabe oder Messlatte für die bei Auftragsdurchführung verwendeten Speisepläne werden sollen. Damit bleiben die Beispielspeisepläne letztlich nur eine Art „Übungsaufgabe“ oder „Selbstreferenz“. Diese gebe zwar Aufschluss über die Leistungsfähigkeit des Bieters und dessen theoretische Fähigkeit, die Vorgaben der Leistungsbeschreibung zu erfüllen, beeinflusse aber die konkret zu erbringende Leistung nicht.

Im Ergebnis betrifft die Anforderung von Beispielspeiseplänen daher nur die Eignung und stelle gerade kein zulässiges (qualitatives) Wertungs- und Zuschlagskriterium dar.

Es sei nicht erkennbar, dass sich aus den Beispielspeiseplänen einklagbare Anforderungen für die Auftragsdurchführung ableiten ließen. Die bewerteten Beispielspeisepläne seien damit für die konkrete Vertragsdurchführung ohne Bedeutung.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Hinweise für die Praxis

Mit dem oben zitierten § 127 Abs. 3 GWB billigt der Gesetzgeber dem Auftraggeber einen weiten Rahmen zu, welche Zuschlagskriterien er dem Vergabeverfahren zugrunde legt. Der Auftragsbezug kann dabei auch nur mittelbar vorhanden sein (beispielsweise „produziert mit grünem Strom“, fair gehandelt oder etwaige andere Nachhaltigkeitsgesichtspunkte.

Eines hat der Vergabesenat aber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: Der Auftragsbezug muss gegeben sein. Betreffen die Kriterien lediglich die Eignungsebene, können sie nicht als Zuschlagskriterium verwendet werden.

Titelbild: BCFC – shutterstock.com