Im dritten Teil unserer Beitragsreihe nimmt Norbert Dippel die Voraussetzungen, Potenziale und Fallstricke des Open-House-Verfahrens in den Blick.

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Nach der Rahmenvereinbarung mit mehreren Teilnehmern und dem dynamischen Beschaffungssystem ist das Open-House-Modell das dritte Beschaffungsinstrument in unserer Beitragsreihe. Abschließen werden wir die Reihe mit einer vergleichenden Betrachtung der verschiedenen Beschaffungsinstrumente.

I. Grundlegendes

Open-House-Verfahren sind dem Vergabepraktiker vor allem aus den Bereichen der Arzneimittel- oder Hilfsmittelversorgungsverträge bekannt. Tatsächlich ist ihr Anwendungsbereich aber nicht exklusiv vorgegeben, so dass Open-House-Verfahren auch in anderen Bereichen Anwendung finden können.

Beispielsweise hat die Niederlassung Südbayern der Autobahn GmbH 2024 in einem Pilotprojekt getestet, alle Planungsleistungen für Ingenieurbauwerke gemäß HOAI auf Grundlage eines Rahmenvertrages im Open-House-Verfahren zu vergeben. Nachdem der Test positiv verlief, soll das Vorgehen nunmehr ausgeweitet werden.

Vereinfacht formuliert liegt ein Open-House-Verfahren vor, wenn ein öffentlicher Auftraggeber mit allen Unternehmen Verträge abschließen will, die die nachgefragte Leistung zu den von ihm vorgegebenen Bedingungen anbieten.

Vergaberechtlich gesehen besteht die Besonderheit darin, dass keine Auswahlentscheidung durch den öffentlichen Auftraggeber stattfindet. Damit gibt es auch keinen Wettbewerb zwischen den Unternehmen, da jedes Unternehmen zu den ausgeschriebenen Konditionen dem jeweiligen Vertrag beitreten beziehungsweise einen solchen abschließen kann.

Hierzu hat der EuGH in einem Vorlageverfahren des OLG Düsseldorf festgestellt, dass kein öffentlicher Auftrag im Sinne der EU-Vergaberichtlinien vorliegt, wenn der Vertrag es Wirtschaftsteilnehmern während der gesamten Laufzeit gestattet, diesem beizutreten und wenn er dazu verpflichtet, die betreffenden Waren zu den im Vorfeld festgelegten Bedingungen zu liefern (EuGH-Urteil vom 2.6.2016, C-410/14).

Nach Ansicht des EuGH sind die Auswahl eines Angebotes und damit auch die Auswahl eines Auftragnehmers Elemente, die untrennbar mit dem Begriff des öffentlichen Auftrags verbunden sind. Wenn aber eine Auswahlentscheidung fehlt, weil mit jedem geeigneten Unternehmen der entsprechende Vertrag geschlossen wird, sei dies nicht als Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu qualifizieren.

Bereits die EU-Vergaberichtlinie 2014 enthält in den Erwägungsgründen eine Formulierung, die Open-House-Verfahren von der Anwendung des Vergaberechts freistellt:

„Ebenso sollten Fälle, in denen alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe – ohne irgendeine Selektivität – berechtigt sind, (…) Nicht als Auftragsvergabe verstanden werden, sondern als einfache Zulassungssysteme.“

Damit unterliegen Open-House-Verfahren keinen vergaberechtlichen Bindungen. Gleichwohl müssen allgemeine Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und der Transparenz beachtet werden.

Grundsätzlich ist die Entscheidung, statt eines Vergabeverfahrens nach der Vergabeverordnung ein vergaberechtsfreies Open-House-Verfahren durchzuführen, im Ermessen des Auftraggebers. Unternehmen haben keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber ein Open-House-Verfahren durchführt.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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II. Voraussetzungen

Für die Durchführung eines Open-House-Verfahrens müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Bekanntmachung

Aus dem Transparenzprinzip folgt, dass die Durchführung eines Open-House-Verfahrens – die Binnenmarktrelevanz unterstellt – entsprechend bekannt gemacht werden muss. In der Bekanntmachung müssen die wesentlichen Informationen des Verfahrens enthalten sein. Das Bundesland Berlin hat hierzu Formulare entwickelt, die Hilfestellungen bieten können.

2. Offenheit

Das Open-House-Verfahren muss sämtlichen Unternehmen für die Dauer der ausgeschriebenen Leistung offenstehen. Dies bedeutet, dass den Unternehmen ein jederzeitiges Beitrittsrecht gewährt werden muss. Es wäre damit unzulässig, das Open-House-Verfahren zeitlich eng zu begrenzen, wenn die tatsächlichen Leistungen über einen längeren Zeitraum erbracht werden sollen.

3. Abschließend definierte Regeln für den Vertragsbeitritt

Der Auftraggeber muss im Rahmen eines Open-House-Verfahrens eindeutige Regeln für den Vertragsschluss und den Vertragsbeitritt festlegen.

Dies betrifft schon die Eignungskriterien. Sie müssen eindeutig beschrieben sein. Sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch auf Seiten des Auftraggebers gibt es keine Möglichkeit, von diesen gemachten Kriterien abzuweichen.

Ebenso bedarf es einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Damit eignen sich Open-House-Verfahren denklogisch nicht zur Beschaffung von Innovationen, kreativen Leistungen oder Leistungen, bei deren Beschaffung Verhandlungen durchgeführt werden müssen.

Insoweit kann durchaus Anlehnung an die Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung im offenen Verfahren genommen werden. Jedenfalls muss die Leistung so genau beschrieben werden, dass der Bieter die von ihm zu erbringende Leistung kaufmännisch vernünftig kalkulieren kann.

Auch die Vergütung wird vom Auftraggeber festgelegt und ist nicht verhandelbar. Bei den Zulassungsverfahren der Autobahn GmbH werden die Planungsleistungen auf der Grundlage der Mindestsätze der HOAI ohne Zu- und Abschläge vergütet. In anderen Fällen, zum Beispiel der COVID-Maskenbeschaffung, wurde ein bestimmter Preis pro Maske vorgegeben.

Die einseitig vom Auftraggeber vorgegebenen Bedingungen des Verfahrens bedeuten gleichzeitig, dass die Unternehmen keinerlei Möglichkeit haben, auf deren Inhalt Einfluss zu nehmen. Vertragsverhandlungen sind damit ausgeschlossen. Der Beitritt zu dem Open-House-Vertrag bzw. der Vertragsschluss vollzieht sich, wenn der öffentliche Auftraggeber das Angebot des entsprechenden Unternehmens annimmt.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Praxishinweis: AGB-Kontrolle im Auge behalten

Wie gezeigt, haben bei Open-House-Verfahren grundsätzlich alle Unternehmen, welche die Verfahrensbedingungen erfüllen, einen Anspruch auf Vertragsbeitritt und gleichberechtigten Marktzugang. In der Beschaffungspraxis dürfte dies nur für ein begrenztes Feld von Anwendungsfällen zutreffen.

Neben den Arzneimittelrabattverträgen sind der breiten Öffentlichkeit Open-House-Verfahren wohl insbesondere im Zusammenhang mit der Maskenbeschaffung während der COVID-Pandemie bekannt.

Unabhängig davon gilt: Wer ein Open-House-Verfahren durchführt, sollte unbedingt die AGB-Kontrolle im Auge behalten.

Das geht aus einem kürzlich ergangenen Urteil (vom 19.07.2024, 6 U 101/23) des OLG Köln hervor, das die Fallstricke eines entsprechenden Verfahrens zum Gegenstand hatte.

Wesentlicher Knackpunkt der Entscheidung war die Annahme, dass die ausschließlich von dem Auftraggeber vorformulierten Bedingungen des Open-House-Verfahrens der AGB-Kontrolle unterfallen. Im konkreten Fall war die allein im Rahmen einer Formularvereinbarung getroffene Vereinbarung über das Vorliegen eines absoluten Fixgeschäftes gemäß AGB-Kontrolle unwirksam (§§ 305c BGB ff.).

Insofern hat der BGH bereits entschieden, dass eine Formularbestimmung, die der Vereinbarung den Charakter des Fixhandelskaufs beimisst, ebenso überraschend im Sinne von § 3 AGB-Gesetz (jetzt § 305c BGB) wie unangemessen im Sinne von § 9 AGB-Gesetz (jetzt § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) ist, wenn nicht die Voraussetzungen eines Fixgeschäftes auf der Grundlage der individualvertraglichen Abrede vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.1990 – VIII ZR 292/88), da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist. Für den Fall war dies entscheidend, da deshalb auch ein Vergütungsanspruch für die verspätet gelieferte Ware erhalten geblieben ist.

Beitragsreihe Beschaffungsinstrumente

Titelbild: benjamin lehman – Unsplash