Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Die Digitalisierung von Beschaffungsprozessen und insbesondere die digitale Abbildung bisheriger Formulare fördern manchmal sehr spezielle Fragestellungen zutage. So sprechen verschiedene Formularsätze von einem Zuschlagsschreiben, andere von einem Auftragsschreiben. In wenigen Fällen finden sich in Formularsammlungen sowohl ein Zuschlags- als auch ein Auftragsschreiben.

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Fraglich ist, ob zwischen den beiden Formen der Mitteilung unterschieden werden kann und ob es geboten oder sinnvoll ist, zwei verschiedene Schreiben an den Zuschlagsbieter zu versenden.

I. Einführung

Ein Vertrag kommt mit Angebot und Annahme zustande. Bezogen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge im Wege einer Ausschreibung funktioniert dies – vereinfacht dargestellt – in drei Schritten:

  1. Schritt: Der Auftraggeber schreibt einen Auftrag aus und lädt Bieter dazu ein, ein Angebot abzugeben (sog. invitatio ad offerendum).
  2. Schritt: Der Bieter gibt auf dieser Grundlage sein Angebot ab. Hierzu muss es so beschaffen sein, dass es mit einem bloßen „Ja“ vom Auftraggeber angenommen werden kann.
  3. Schritt: Der Auftraggeber nimmt das Angebot an und erklärt die Annahme gegenüber dem Bieter.

Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Inhalt die vorbehaltlose Akzeptanz des Antrags zum Ausdruck bringen muss (den Sonderfall der abändernden Annahme beschreiben wir hier).

Die abgegebene Willenserklärung wird erst wirksam, wenn sie dem Bieter zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Im Vergabeverfahren stellt der Zuschlag die Annahme des Angebots dar und führt damit den rechtswirksamen Vertragsschluss herbei (§§ 145 ff. BGB). Eines besonderen weiteren Vertragsakts bedarf es nicht. Dementsprechend haben die schriftlichen Unterschriften im Regelfall nur noch deklaratorischen Charakter.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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II. Das Auftragsschreiben

Betrachtet man die verschiedenen Muster der im Einsatz befindlichen Auftragsschreiben, so enthalten diese Informationen darüber, dass der Vertrag mit Zugang dieses Schreibens geschlossen ist. Darüber hinaus werden noch wesentliche Teile des Vertragsinhaltes dargestellt.

Interessant ist, dass das Vergaberecht kein „Auftragsschreiben“ kennt.

III. Das Zuschlagsschreiben

Der Zuschlag ist im Vergaberecht nur sehr rudimentär geregelt. Beispielsweise lautet § 18 Abs. 1 VOB/A:

„Der Zuschlag ist möglichst bald, mindestens aber so rechtzeitig zu erteilen, dass dem Bieter die Erklärung noch vor Ablauf der Bindefrist (…) zugeht.“

Damit geht die VOB/A zumindest davon aus, dass es eine Zuschlagserklärung geben muss.

In der VgV bestimmen § 127 Abs. 1 GWB i.V.m. § 58 Abs. 1 VgV, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird. Abweichend von § 21 Abs. 2 VOL/A-EG a.F. ist für die Zuschlagserteilung in der VgV keine bestimmte Form vorgesehen.

Allerdings wird man aus dem in § 9 VgV geregelten Grundsatz der Verwendung elektronischer Mittel zur Kommunikation ableiten können, dass auch für die Zuschlagserteilung die Textform verwendet werden muss, sofern auch die sonstige Kommunikation im Vergabeverfahren mithilfe elektronischer Mittel gemäß § 10 VgV erfolgt.

Inhaltlich ist die Zuschlagserklärung die vorbehaltlose Annahme des Angebotes gegenüber dem betreffenden Bieter.

IV. Folgerungen

Das Auftragsschreiben und das Zuschlagschreiben haben damit einen identischen Kerngehalt, nämlich die Annahme des betreffenden Angebotes. Dass darüber hinaus im Auftragsschreiben regelmäßig noch spezielle Inhalte wiederholt werden, ändert daran nichts. Denn auch diese Inhalte müssen dem Angebot entsprechen. Vor diesem Hintergrund scheint das oftmals noch gebräuchliche Auftragsschreiben obsolet geworden zu sein.

Vielmehr wird man ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Wiederholung einzelner Angebotsinhalte im Auftragsschreiben oder dem Zuschlagsschreiben ein Gefahrenpotenzial birgt. Wenn hierbei auch nur zufällig andere Inhalte als die des Angebotes wiedergegeben werden, kann es sich um einen sogenannten abändernden Zuschlag handeln, der dann seinerseits als ein Angebot an den Bieter gewertet werden muss. Siehe hierzu den oben verlinkten Beitrag.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

V. Hinweise für die Praxis

Auftraggeber sollten ihre Prozesse dahingehend prüfen, ob sie neben dem Zuschlagsschreiben noch ein Auftragsschreiben versenden. Sollte dies der Fall sein, regen wir an, zu prüfen, gegebenenfalls auf das Auftragsschreiben aus den dargestellten Gründen zu verzichten.

VI. Hinweise für Nutzer des cosinex VMS

Aufgrund der Vorgabe einzelner Vordrucke wurde – je nach ausgewähltem Formularsatz – teilweise sowohl ein Zuschlags- wie ein Auftragsschreiben angeboten.

Mit der Version 12 des cosinex Vergabemanagementsystems und der Umstellung der Mitteilungen an die Bewerber bzw. Bieter weg von einer formularbasierten Datei hin zu einer automatisierten Kommunikation entfällt auch das Auftragsschreiben.

Titelbild: BCFC – shutterstock.com