Den Auftakt unserer Reihe zu Beschaffungsinstrumenten mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern bildete der Grundsatzartikel zur Rahmenvereinbarung. In diesem Beitrag stellen wir dynamische Beschaffungssysteme vor.

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Gerade bei wiederkehrenden Beschaffungsvorhaben kann neben den Rahmenverträgen mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern auch das dynamische Beschaffungssystem eine für den Auftraggeber sinnvolle Lösung zur Bewältigung seiner Aufgaben sein. Wie ein derartiges Beschaffungssystem funktioniert und was es von einem Rahmenvertrag mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern unterscheidet, wird in diesem Artikel erläutert.

I. Grundlegendes

Das dynamische Beschaffungssystem (nachfolgend DBS) gehört zu den besonderen Methoden und Instrumenten in einem Vergabeverfahren. Nach der Definition des Gesetzgebers ist ein DBS ein zeitlich befristetes, ausschließlich elektronisches Verfahren zur Beschaffung marktüblicher Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen (s. § 120 Abs. 1 GWB).

In Abgrenzung zur Rahmenvereinbarung weist es die Besonderheit auf, dass es den interessierten Unternehmen für den gesamten Zeitraum seiner Einrichtung zur Verfügung steht. Sie können dem DBS also auch noch nach dessen Einrichtung beitreten. Demgegenüber ist der Kreis der potenziellen Leistungserbringer nach Abschluss einer Rahmenvereinbarung begrenzt.

1. Anwendungsbereich

Im Oberschwellenbereich sind DBS in §§ 22 ff. VgV und §§ 20 f. SektVO explizit vorgesehen. Auch im Bereich der VOB/A EU ist der Einsatz eines DBS möglich (s. § 2 VgV sowie § 4 b EU Abs. 1 VOB/A). Zu beachten ist, dass in § 4 a VOB/A VS, der VSVgV und der KonzVgV entsprechende Regelungen fehlen.

Für die Vergaben im Unterschwellenbereich stellt § 17 Abs. 1 UVgO zunächst klar, dass Auftraggeber für die Beschaffung marktüblicher Leistungen ein dynamisches Beschaffungssystem nutzen können. Die folgenden Abs. 2-6 enthalten hierzu nähere Regelungen. Für Bauaufträge fehlt eine entsprechende Regelung. Allerdings streitet das Argument, dass das stärker reglementierte Oberschwellenvergaberecht diese Möglichkeit eröffnet und es deshalb in dem „freieren“ Unterschwellenvergaberecht auch möglich sein müsse, für die Anwendung im Bereich des ersten Abschnitts der VOB/A.

2. Zwei selbstständige Verfahrensschritte

Das DBS ist keine Verfahrensart, sondern ein Beschaffungsinstrument, das nach den Regelungen des nichtoffenen Verfahrens vergeben wird. Folglich wird das DBS in zwei selbstständigen Verfahrensschritten ausgeschrieben und vergeben.

Zunächst erfolgt die Einrichtung des Beschaffungssystems: Wie bei einem Teilnahmewettbewerb werden auch hier die Vergabeunterlagen bekannt gemacht und wird die Eignungsprüfung durchgeführt. Unternehmen, die die Eignungsanforderungen erfüllen, werden in einen Pool geeigneter Unternehmen aufgenommen. Zu beachten ist allerdings, dass potenzielle Bewerber während der gesamten Zeit, in der das DBS eingerichtet ist, die Möglichkeit haben, einen Teilnahmeantrag abzugeben.

Im darauffolgenden Verfahrensschritt erfolgt der Aufruf zum Wettbewerb über die Einzelaufträge. In diesem rein elektronischen Verfahren werden die Bieter zur Abgabe des jeweiligen Angebotes aufgefordert und der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot in Bezug auf den jeweiligen Einzelauftrag erteilt.

Im Zusammenspiel dieser beiden Verfahrensschritte kann die besondere Situation auftreten, dass über ein DBS schon mehrfach Einzelaufträge vergeben wurden und ein Bieter erst in Bezug auf die noch ausstehenden Einzelaufträge seinen Teilnahmeantrag einreicht. Anders als bei einer Rahmenvereinbarung kann er somit erst später in den Pool der zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern Unternehmen aufgenommen werden.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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II. Dynamische Beschaffungssysteme in der VgV

Nachfolgend wird das dynamische Beschaffungssystem aus Gründen der Übersichtlichkeit anhand des Regelungsgehalts der VgV dargestellt.

1. Verfahrensgegenstand: Marktübliche Leistungen

Die Bedarfsdeckung über ein DBS ist nur hinsichtlich marktüblicher Leistungen zulässig. Gem. § 120 Abs. 1 GWB sind das Leistungen, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen.

Diese etwas kompliziert formulierte Voraussetzung besagt im Kern, dass die Leistung nach Art und Zuschnitt in dieser Form auf dem Markt ohne größeren Individualisierungsaufwand beschafft werden kann. Zu bejahen ist dies, wenn sie bereits so gehandelt bzw. nachgefragt wird (beispielsweise als Kauf üblicher Verbrauchgüter wie Büromöbel, Computer-Hardware oder Baustoffe). Daneben können fest beschriebene Standardschulungen oder definierte Dienstleistungen über ein DBS abgewickelt werden.

Faktisch stellt schon die Abwicklung als nichtoffenes Verfahren mit dem geltenden Verhandlungsverbot eine Begrenzung der Leistungsgegenstände dar. Jedenfalls sind Leistungen, die erst mit hohem Individualisierungsaufwand an die Vorstellungen des öffentlichen Auftraggebers angepasst werden müssen, ohne Verhandlungen kaum anzubieten. Ebenso scheiden innovative oder kreative Leistungen aus, die regelmäßig in Verhandlungsverfahren vergeben werden.

2. Die Bedarfsdeckung über ein DBS

a. Bekanntmachung

Möchte der Auftraggeber ein DBS einrichten, muss er – wie im nichtoffenen Verfahren – zunächst eine Bekanntmachung veröffentlichen. Darin informiert er insbesondere, für welchen Zeitraum und für welche Leistungen das DBS eingerichtet wird (§ 23 Abs. 1 VgV). Dabei kann das DBS auch in verschiedene Kategorien aufgeteilt werden.

Eine besondere Bedeutung kommt den Eignungskriterien zu, da diese die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Pool der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Unternehmen darstellen. Unterteilt der Auftraggeber sein DBS in verschiedene Kategorien (etwa Computerhardware und Drucker) können sich die Eignungskriterien hinsichtlich der verschiedenen Kategorien unterscheiden (§ 23 Abs. 4 VgV).

b. Teilnahmefrist und Eignungsprüfung

Für die Einreichung der Teilnahmeanträge gilt die übliche Frist von 30 Tagen ab Bekanntmachung. Sobald die Aufforderung zur Angebotsabgabe für die erste einzelne Auftragsvergabe im Rahmen eines DBS abgesandt worden ist, gelten keine weiteren Fristen für den Eingang der Teilnahmeanträge (§ 24 Abs. 2 VgV). Es können also während der gesamten Laufzeit des DBS Teilnahmeanträge gestellt werden.

Nach der initialen Prüfung der Teilnahmeanträge muss über die nachfolgenden Teilnahmeanträge innerhalb von zehn Arbeitstagen nach deren Eingang entschieden werden. Ausnahmsweise, insbesondere wenn Unterlagen geprüft oder nachgefordert werden müssen, kann die Frist auf 15 Arbeitstage verlängert werden.

Die für geeignet befundenen Unternehmen werden in einen Pool aufgenommen, und bei den anstehenden Einzelvergaben zur Auftragsvergabe aufgefordert. Die nicht geeigneten Unternehmen werden über das negative Ergebnis der Eignungsprüfung informiert.

Wie geschildert, handelt es sich bei dem DBS um ein offenes System, so dass der Pool geeigneter Unternehmen während des Zeitraumes des eingerichteten DBS anwachsen kann.

c. Einzelabrufe

Möchte der Auftraggeber einen Einzelauftrag erteilen, fordert er sämtliche geeigneten Bieter zur Angebotsabgabe auf. Hat der Auftraggeber sein DBS in verschiedene Kategorien unterteilt, dürfen nur diejenigen Unternehmen aufgefordert werden, die in der jeweiligen Kategorie geeignet sind.

Im Rahmen der Angebotsaufforderung übermittelt er alle (noch nicht übermittelten) Vergabeunterlagen, die zur Vergabe des jeweiligen Einzelauftrages erforderlich sind. Hierzu können insbesondere Angaben zur Beschaffenheit oder Stückzahl, aber auch Liefertermine gehören.

Die Angebotsfrist beträgt mindestens 10 Tage und kann im Einvernehmen mit den Bietern festgelegt werden (§ 24 Abs. 4 VgV). Die betreffenden Angebote müssen elektronisch abgegeben werden. Nach Prüfung und Wertung wird der Zuschlag – wie in einem nicht offenen Verfahren – auf das jeweilige wirtschaftlichste Angebot erteilt.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Hinweise für die Praxis

Bei meinen Schulungen und Beratungen werde ich öfter damit konfrontiert, dass die Vergabestelle aufgrund der Vielzahl der durchzuführenden Einzelvergaben keine Zeit für die Entwicklung und Umsetzung neuer strategische Beschaffungsansätze hat.

Das daraus resultierende Dilemma ähnelt dem Lamento der Holzfäller: „Wenn wir schärfere Sägen hätten, könnten wir schneller Bäume fällen. Da wir aber so viele Bäume fällen müssen, haben wir keine Zeit für das Schärfen.“

Diese Spirale kann nur mit einem einmaligen Kraftakt durchbrochen werden. Das sich neigende Jahr bietet die Gelegenheit, mit einem frischen Ansatz in das neue Jahr zu gehen. Das hier dargestellte DBS bietet Raum zur weiteren Optimierung.

Gern können Sie mich dazu kontaktieren.