Die Erhöhung der Wertgrenzen für Direktaufträge auf der Ebene der Bundesländer wird zum Trend. Der jüngste Vorstoß kommt aus Baden-Württemberg, wo die Wertgrenze für Direktaufträge auf beeindruckende 100.000 EUR angehoben wurde.

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Die Hintergründe der jeweiligen landesrechtlichen Anpassungen scheinen nahezu identisch: Während die Anforderungen an die strategische Beschaffung, etwa Nachhaltigkeit, Tarifbindung oder Innovation, öffentliche Auftraggeber inhaltlich immer mehr fordern, soll die Ausweitung der Direktkäufe von formalen vergaberechtlichen Anforderungen entbinden.

Diese Entwicklung verspricht Vereinfachungen im Beschaffungsprozess, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich. So gelten für jeden Beschaffungsvorgang Regularien, unabhängig von der gewählten Vergabeart.

In diesem Beitrag beleuchten wir die Hintergründe, Chancen und potenziellen Fallstricke dieser Entwicklung.

Abgrenzung des Direktauftrags von der Vergabe

Die meisten Bundesländer bringen – ergänzt um eigene Vorgaben – für die Beschaffung im Bereich der Unterschwellenvergabe sowohl die UVgO als auch die VOB/A zur Anwendung.

§ 14 UVgO und § 3a Abs. 4 VOB/A sehen vor, dass Leistungen bis 1.000 EUR beziehungsweise 3.000 EUR unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit „ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden“ können.

Damit handelt es sich schon nach der Legaldefinition des Direktauftrags gerade nicht um ein Vergabeverfahren. Vielmehr werden solche Direktaufträge vor die Klammer des Unterschwellenvergaberechts gezogen.

Rotationsprinzip

Die beiden in Rede stehenden Bestimmungen sehen vor, dass Auftraggeber zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln sollen. Gemäß der Faustformel zum verwaltungsrechtlichen Ermessen „Soll ist Muss, wenn kann“ wird damit ein Rotationsprinzip unter Anbietern mindestens angemahnt. Mit diesem Wechselgebot soll dem „Hoflieferantentum“ begegnet werden. Zur Vermeidung des Vorwurfs eines etwaigen Organisationsverschuldens sollten öffentliche Auftraggeber hier klare Regelungen implementieren und zumindest auch stichprobenartig kontrollieren, ob Wechsel stattfinden.

Der Autor

Carsten Klipstein ist Geschäftsführer der cosinex GmbH sowie der GovTech GmbH und CEO der GovTech Gruppe. Als Projektleiter hat er unterschiedlichste E-Government-Projekte geleitet. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zu den Themen Vergaberecht, E-Government und Verwaltungsmodernisieurng.

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Vorgaben für den Direktkauf

Haushaltsrechtliche Vorgaben für den Direktkauf

Die allgemeinen haushaltsrechtlichen Anforderungen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ergeben sich aus dem Haushaltsrecht des Bundes und der Länder. Sie zielen vereinfacht gesagt darauf ab, dass der konkrete Bedarf begründet und im Hinblick auf den konkreten Auftrag die Sparsamkeit – meist mittels eines formlosen Preisvergleichs – sichergestellt wurde.

Dabei gilt aus Sicht vieler Haushälter: Je höher der Auftragswert, desto fundierter sollte die Begründung ausfallen und auch der Preisvergleich dokumentiert werden.

Teilweise finden sich in den Verwaltungsvorschriften des Bundes oder auch der Länder weitergehende Anforderungen an die Durchführung eines Wirtschaftlichkeitsvergleichs. Beispielsweise ist in Mecklenburg-Vorpommern vor Vergabe eines Direktauftrages eine Markterkundung durchzuführen, wenn der Auftragswert 2 000 Euro (Bauauftrag) oder 1 000 Euro (Liefer- und Dienstleistungsauftrag) übersteigt. Dabei kann auf allgemein zugängliche Auskünfte wie zum Beispiel Internetrecherchen, Kataloge, Telefonauskünfte oder formlose E-Mail-Anfragen zurückgegriffen werden. Die Markterkundung ist zu dokumentieren.

Vorgaben der Vergabestatistikverordnung für Direktaufträge

Für alle klassischen öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 99 GWB, also auch Länder und Kommunen, gelten für alle öffentlichen Aufträge ab 25.000 EUR die Meldepflichten nach der Vergabestatistikverordnung (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VergStatVO).

Die Vergabestatistik stellt nicht darauf ab, ob die Beschaffung über einen Direktauftrag oder eine Vergabe erfolgt ist. Kurzum: Meldungen an die Vergabestatistik binnen 60 Tagen nach Auftragserteilung (§ 1 Abs. 2 VergStatVO) gelten auch bei Direktaufträgen über 25.000 EUR.

Abfragen im Wettbewerbsregister

Während die Meldung an die Vergabestatistik ex-post erfolgen kann, sieht das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) bei Aufträgen öffentlicher Auftraggeber ab einem geschätzten Auftragswert von 30.000 EUR vor, dass vor Zuschlagserteilung eine Abfrage erfolgen muss, ob im Wettbewerbsregister Eintragungen zu dem Bieter vorliegen, dem der Auftrag erteilt werden soll. Die hierfür erforderliche Zeit sollte auch bei der Planung von Direktaufträgen berücksichtigt werden.

Binnenmarktrelevanz und Direktaufträge

Während das deutsche (Unterschwellen-)Vergaberecht zwischen einem (Direkt-)Auftrag und einer Vergabe differenziert, stellt das europäische Vergaberecht allein auf den Umstand ab, ob ein öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Leistungsaustausch mit einem Privaten eingegangen ist. Auch hier ist die Frage, ob die Auftragserteilung mittels Direktauftrag oder Vergabe erfolgt ist, unerheblich.

Damit gelten auch die europarechtlichen Anforderungen insbesondere in Form einer Ex-ante-Bekanntmachung an die Transparenz volumenmäßig größerer Direktaufträge, die bei einer anzunehmenden Binnenmarktrelevanz angezeigt ist.

Ex-post-Veröffentlichung von Direktaufträgen

Erörterungswürdig scheint die Frage, wie mit den Vorgaben zur Ex-post-Bekanntmachung eines (Direkt-)Auftrags umzugehen ist. Gemäß § 30 Abs. 1 UVgO informiert der Auftraggeber nach der Durchführung einer Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb für die Dauer von drei Monaten über jeden so vergebenen Auftrag ab einem Auftragswert von 25 000 Euro ohne Umsatzsteuer auf seinen Internetseiten oder auf Internetportalen. Gemäß § 20 Abs. 3 VOB/A liegen die Wertgrenzen für eine ex-post-Bekanntmachung bei 25.000 EUR (beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb) bzw. bei 15.000 Euro (freihändige Vergabe).

Nimmt man an, dass die Verordnungsgeber nicht davon ausgegangen sind, dass sich der Anwendungsbereich des Direktauftrags in der UVgO von ursprünglich 1.000 EUR wie in Baden-Württemberg verhundertfachen könnte, spricht einiges für eine planwidrige Regelunglücke.

Denn es ist nicht erklärlich, warum bei Vergabeverfahren ohne Bekanntmachung aus Transparenzgründen eine ex-post-Bekanntmachung durchgeführt werden muss, während dies bei Direktaufträgen unterbleiben könnte. Das Interesse an der Transparenz ist schließlich unabhängig von der Klassifizierung als Direktauftrag identisch. Damit spricht viel für eine analoge Anwendung der entsprechenden Vorgaben. In der Folge wäre bei Direktaufträgen ab 15.000 bzw. 25.000 EUR eine Ex-post-Veröffentlichung angezeigt.

Weitere Aspekte

Gerade dann, wenn öffentliche Aufträge im Umfang von 100.000 EUR oder mehr (etwa bei der Nutzung von Privilegien bei der Vergabe an Start-ups) vergeben werden sollen, können weitere Aspekte eine Rolle spielen. Diese sind beispielhaft:

  • Prüfung der Eignung und Leistungsfähigkeit des Anbieters: Auch bei großen Direktaufträgen kann es angezeigt sein, die Eignung und Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers zu prüfen.
  • Korruptionsprävention: Gerade wenn große Direktaufträge dezentral vergeben werden sollen, bestehen häufig korruptionspräventive Vorgaben, wonach die Fachbereiche angehalten sind, die Transparenz und Dokumentation der Auftragsvergaben zu dokumentieren.
  • Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit: Unabhängig von der Frage der Binnenmarktrelevanz kann bei großen Direktaufträgen entsprechend der Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen eine angemessene Dokumentation angezeigt sein.
  • Prüfung der Schätzung des prognostizierten Auftragsvolumens: § 3 VgV enthält umfassende Regelungen zur Bestimmung des prognostizierten Auftragsvolumens, die regelmäßig über Verweisungsnormen auch im Unterschwellenvergaberecht Anwendung finden. Gerade hohe Grenzen für Direktaufträge könnten dazu verleiten, zusammengehörige Aufträge sachwidrig zu splitten, um so eine wettbewerbliche Vergabe zu umgehen.

Fazit: Bürokratieabbau oder Mehraufwand durch höhere Wertgrenzen?

Die Erhöhung der Wertgrenzen für Direktaufträge bietet potenziell Erleichterungen für öffentliche Auftraggeber. Jedoch zeigt sich, dass bei größeren Direktaufträgen zahlreiche Vorschriften weiterhin gelten, insbesondere im Hinblick auf die Dokumentation und Transparenz. Wie umfangreich die Vorteile größerer Direktaufträge etwa gegenüber Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb sind, müssen öffentliche Auftraggeber ausgehend von ihren Anforderungen individuell bewerten.

Direktkauf: Zentral oder dezentral organisieren?

Für viele öffentliche Auftraggeber, die wir mit unseren Lösungen und insbesondere dem Vergabemanagementsystem (VMS) bei der Abbildung interner Prozesse begleiten dürfen, galt bislang: Direktkäufe erfolgen regelmäßig dezentral durch die Bedarfsträger beziehungsweise den Fachbereich.

Gerade bei Direktkäufen im wirtschaftlichen Umfang von 25.000 EUR und mehr lohnt es, diese Aufgabenverteilung angesichts der sonstigen Berichts- und Dokumentationspflichten zu hinterfragen. So werden viele Berichtspflichten wie die Vergabestatistikmeldung regelmäßig erst ab einer „förmlichen“ Verhandlungsvergabe angeboten, da erst ab dieser Verfahrensart hinreichend viele Angaben erfasst werden

Über Best-Practice-Workshops bieten unsere Projekt-Teams öffentlichen Auftraggebern, die unsere Lösung nutzen, die Möglichkeit, die Abbildung ihrer Prozesse und Anforderungen mit erfahrenden Senior-Projektleitern neu zu bewerten und auch die individuelle Konfiguration sowie die abgebildeten Prozesse neuen Gegebenheiten anzupassen. Bei Interesse steht unser Team Produktberatung für Rückfragen und Anforderungen zur Verfügung.

Titelbild: yns plt – Unsplash