Seit dem 9. September befindet sich das Bundestariftreuegesetz in der Ressortabstimmung zwischen den Bundesministerien. Wir nehmen den Referentenentwurf in den Blick.
Es handelt sich um einen gemeinsamen Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Der Referentenentwurf liegt dem cosinex Blog im Bearbeitungsstand vom 05. September 2024 vor.
Der Entwurf verfolgt mit den Worten des Gesetzgebers das Ziel, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu stärken und das Tarifvertragssystem zu stabilisieren. Die „originäre Tarifbindung“ solle geschützt und gefördert, die Zugangsrechte von Gewerkschaften zum Betrieb auf tarif- und betriebspartnerschaftlicher Ebene sollen gestärkt werden.
Neben der Schaffung eines neuen Gesetzes zur Sicherung der Tariftreue bei der Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen des Bundes, kurz Bundestariftreuegesetz (BTTG), sieht der Referentenentwurf außerdem Änderungen an einer Reihe bestehender Gesetze vor. Dazu zählen neben tarifpolitischen Gesetzen auch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie das Wettbewerbsregistergesetz. Beide Änderungsvorhaben nehmen wir genauer in den Blick.
Anwendungsbereich
Gemäß § 1 Anwendungsbereich des Referentenentwurfes gilt das Gesetz ab einem geschätzten Auftragswert oder Vertragswert von 25 000 Euro ohne Umsatzsteuer für die Vergabe und Ausführung öffentlicher Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge durch den Bund. Es gilt ferner für öffentliche Auftraggeber, bei denen der Bund
- die Beteiligung überwiegend verwaltet
- oder die sonstige Finanzierung überwiegend gewährt hat
- oder über die Leitung überwiegend die Aufsicht ausübt
- oder die Mitglieder des zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organs überwiegend bestimmt hat;
Es gilt außerdem für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber, sofern der Bund auf sie einen beherrschenden Einfluss ausübt.
Es gilt nicht für die Vergabe und Ausführung öffentlicher Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge sowie Konzessionen durch ein Land im Rahmen der Auftragsverwaltung für den Bund. Es gilt überdies nur, soweit die jeweilige Leistung zur Ausführung des öffentlichen Auftrags oder der Konzession innerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbracht wird.
Tariftreueversprechen
Mit § 3 Tariftreueversprechen wird festgelegt, dass sowohl Auftragnehmer als auch etwaige Nachunternehmer oder von diesen beauftragte Verleiher mindestens die Arbeitsbedingungen gewähren muss, die die jeweils einschlägige Rechtsverordnung nach § 5 festsetzt.
Derartige Rechtsverordnungen zur Festsetzung der verbindlichen Arbeitsbedingungen (§ 5) werden auf Antrag einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beschlossen. Sie legen die für die Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen geltenden Arbeitsbedingungen fest, soweit diese Gegenstand eines von der Antragstellerin mit einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern abgeschlossenen Tarifvertrags sind.
Kontrollen und Prüfstelle Bundestariftreue
Die Bundesauftraggeber kontrollieren stichprobenartig, ob ein Auftragnehmer sein Tariftreueversprechen nach § 3 wahrt und ein Arbeitgeber seine Pflichten erfüllt (§ 7).
Bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See wird eine Prüfstelle Bundestariftreue eingerichtet. Sie unterstützt die Bundesauftraggeber bei der Kontrolle und führt selbstständig Kontrollen durch.
Die Prüfstelle Bundestariftreue kann von den Bundesauftraggebern eine Aufstellung über von diesen vergebene öffentliche Aufträge und Konzessionen verlangen, wobei diese verpflichtet sind, entsprechende Vergabeunterlagen über vergebene öffentliche Aufträge und Konzessionen zu übermitteln. Die Prüfstelle teilt das Ergebnis ihrer Kontrollen mit und spricht eine Handlungsempfehlung aus.
Der Bundesauftraggeber verpflichtet den Auftragnehmer, mittels geeigneter Unterlagen zu dokumentieren, dass er sein Tariftreueversprechen einhält und die Unterlagen auf Anforderung des Bundesauftraggebers oder der Prüfstelle Bundestariftreue vorzulegen (§ 8).
Präqualifizierungsverfahren
Die Pflichten zum Nachweis der Einhaltung des Tariftreueversprechens nach § 8 gelten nicht für Auftragnehmer, Nachunternehmer und beauftragte Verleiher, wenn diese ein geeignetes Zertifikat einer der in den Vergabeverordnungen genannten Präqualifizierungsstelle vorlegen. Dieses soll nachweisen, dass der Auftragnehmer, Nachunternehmer oder Verleiher seinen Arbeitnehmern mindestens Arbeitsbedingungen einer für die Ausführung des öffentlichen Auftrags oder der Konzession einschlägigen Rechtsverordnung nach § 5 gewährt.
Sanktionen und Nachunternehmerhaftung
Der Bundesauftraggeber vereinbart mit dem Auftragnehmer eine angemessene Vertragsstrafe, die verwirkt ist, wenn der Auftragnehmer das nach § 3 abgegebene Tariftreueversprechen schuldhaft verletzt, oder der Auftragnehmer seine Pflicht nach § 8 schuldhaft verletzt (§ 10).
Der Bundesauftraggeber vereinbart mit dem Auftragnehmer für Fälle des Absatzes 1 ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Auftragsverhältnisses.
Ein Auftragnehmer des Bundesauftraggebers, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, weiterer Nachunternehmer oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung der Entlohnung (§ 11).
Fakultativer Ausschlussgrund
Auftraggeber sollen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen können, wenn ein Verstoß bestandskräftig oder rechtskräftig festgestellt wurde (§ 13).
Hat ein Unternehmen, bei dem ein solcher Ausschlussgrund vorliegt, keine (ausreichenden) Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ergriffen, so darf es für bis zu drei Jahre von der Teilnahme an Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
In Artikel sieht sieht der Referentenentwurf Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor, die wir hier synoptisch darstellen:
Aktuelle Fassung | Neue Fassung |
---|---|
§ 124 Fakultative Ausschlussgründe (2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes | (2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und § 13 des Bundestariftreuegesetzes bleiben unberührt. |
§ 129 Zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen (2) Aufgrund eines Bundesgesetzes zwingend zu berücksichtigende Ausführungsbedingungen nach Absatz 1 müssen in Vergabeverfahren ausnahmsweise nicht verbindlich vorgegeben werden, wenn in einem vorhergehenden Verfahren zur Vergabe desselben öffentlichen Auftrags oder derselben Konzession keine oder keine geeigneten Angebote abgegeben wurden und die Ausführung des öffentlichen Auftrags oder der Konzession zur Bewältigung einer besonderen Krisensituation durch die Bundeswehr, den Zivil- und Katastrophenschutz, die Bundespolizei oder andere Sicherheitskräfte oder in dieser Krisensituation zur Sicherung der Energieversorgung, für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens, zum Erhalt der Bauwerksicherheit oder für die Bundesinfrastruktur unmittelbar und zwingend erforderlich ist. Ein Angebot gilt als ungeeignet im Sinne des Satzes 1, wenn es ohne Abänderung den in den Vergabeunterlagen genannten Anforderungen des öffentlichen Bundesauftraggebers offensichtlich nicht entsprechen kann. Eine Abweichung auf Grundlage des Satzes 1 ist in jedem Einzelfall dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vor Zuschlagserteilung schriftlich anzuzeigen und auf Anforderung schriftlich zu begründen. | |
§ 160 Einleitung, Antrag (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. | (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Ein Unternehmen ist nicht antragsbefugt, soweit es sich auf die Unwirksamkeit einer Rechtsverordnung nach § 5 des Bundestariftreuegesetzes beruft, wenn die Unwirksamkeit dieser Rechtsverordnung nicht durch rechtskräftigen Beschluss nach § 98 Absatz 4 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes festgestellt ist. Das Unternehmen hat darzulegen, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. |
Änderungen des Wettbewerbsregistergesetzes
In Artikel 5 sieht der Referentenentwurf Änderungen des Wettbewerbsregistergesetzes vor, die im Wesentlichen berücksichtigen sollen, dass in das Wettbewerbsregister künftig ferner bestandskräftige oder rechtskräftige Verwaltungsakte eingetragen, die nach § 12 (Feststellung von Verstößen) Absatz 1 des Bundestariftreuegesetzes erlassen worden sind.
Neben die Strafverfolgungsbehörden sowie die Behörden, die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten berufen sind, tritt als mitteilungspflichtige Stelle künftig auch die neu zu schaffende Prüfstelle Bundestariftreue.
Inkrafttreten und Übergangsregelung
Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten. Die Änderung des Wettbewerbsregistergesetzes nach Artikel 5 tritt erst nach Vorliegen der Voraussetzungen für die elektronische Datenübermittlung zwischen der Registerbehörde und der Prüfstelle Bundestariftreue in Kraft.
Gemäß § 15 (Übergangsregelung) berührt das Gesetz keine Vergabeverfahren, die Bundesauftraggeber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits eingeleitet haben.
Reaktionen
Seit Bekanntwerden des Referentenentwurfs positionieren sich immer mehr Verbände und öffentliche Einrichtungen zu dem Vorhaben.
So sieht die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. keine Notwendigkeit für die Einhaltung der Tarifregeln durch Unternehmen, die einen öffentlichen Auftrag des Bundes ab einem Schwellenwert von 25.000 Euro annehmen wollen. Der administrative Aufwand steige auf ein nicht mehr vertretbares Maß. Es könne nicht Aufgabe des Staates sein, Unternehmen aus dem Wettbewerb auszuschließen, die im Rahmen der bestehenden deutschen Gesetze tätig sind, so der Verband.
Niedersachsens Arbeitsminister Dr. Andreas Philippi begrüßt hingegen, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Ressortabstimmung zum Entwurf eines Bundestariftreuegesetzes eingeleitet hat. Als großer Auftraggeber könne und müsse der Bund mit gutem Beispiel vorangehen.
Der FDP-Mittelstandspolitiker Carl-Julius Cronenberg mahnte, das Tariftreuegesetz dürfe „in keinem Fall zu einer Bürokratiebelastung für den Mittelstand werden„.
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi rief dazu auf, das Gesetz schnell zu beschließen. Mit der Tariftreue öffentlicher Aufträge ende ein Teil des Dumpingwettbewerbs auf Kosten der Beschäftigten.
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Titelbild: A.Savin (Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace), FAL, via Wikimedia Commons