Die Europäische Kommission wird künftig Mindestanforderungen bei der umweltorientierten Vergabe öffentlicher Aufträge festschreiben. Dies betrifft Zuschlagskriterien, Bedingungen für die Auftragsausführung und Zielvorgaben, etwa den Rezyklatanteil bei der jährlichen Beschaffung.
Ziele und Inhalte der Verordnung
Seit dem 18. Juli ist europäische Ökodesign-Verordnung in Kraft. Sie gilt als wesentliches Element des Europäischen Green Deal und setzt neue Regeln für nachhaltige Produkte. Dabei umfasst sie auch Vorschriften zur umweltorientierten Vergabe öffentlicher Aufträge.
Die Verordnung löst die bisherige Ökodesign-Richtlinie ab und soll sicherstellen, dass Produkte länger halten, Energie und Ressourcen effizienter nutzen, leichter repariert und recycelt werden können und mehr recycelte Materialien enthalten.
Außerdem soll sie die Wettbewerbsbedingungen für nachhaltige Produkte im EU-Binnenmarkt verbessern und die globale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen stärken, die nachhaltige Produkte anbieten.
Die Richtlinie erhielt am 22. Dezember 2023 grünes Licht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Das Europäische Parlament hat die vorläufige Einigung am 23. April 2024 formell gebilligt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck attestierte der Verordnung eine hohe politische Bedeutung, da sie an der Schnittstelle von Wirtschaft, Umwelt, Klima und Verbraucherschutz und im Besonderen Ressourcenschutz angesiedelt sei.
Rechtsgrundlage für produktspezifische Verordnungen
Die Ökodesign-Verordnung stellt selbst keine Anforderungen an die betroffenen Produkte. Sie beinhaltet lediglich Kriterien für neue Produktregulierungen, die in Form von nachgeordneten produktspezifischen Verordnungen erlassen werden.
Um den betroffenen Unternehmen ausreichend Zeit für die Umgestaltung ihrer Produkte einzuräumen, sollen diese Regelungen zukünftig grundsätzlich erst nach einer Übergangszeit von 18 Monaten nach Inkrafttreten der jeweiligen Produktverordnung angewendet werden. Den Bedürfnissen von kleinen und mittleren Unternehmen soll dabei besonders Rechnung getragen werden.
Die Europäische Kommission wird bis März 2025 in einem Arbeitsplan alle Produktgruppen festlegen, für die in den nächsten Jahren entsprechende Produktverordnungen erarbeitet werden sollen. So habe die Kommission die Arbeit an einer Stahl-Produktverordnung bereits begonnen.
Umweltorientierte Vergabe öffentlicher Aufträge
Welche Vorschriften in diesem Kontext für die Vergabe öffentlicher Aufträge künftig gelten sollen, regelt Artikel 65 der Verordnung.
Er sieht vor, dass die Kommission mittels Durchführungsrechtsakten Mindestanforderungen festlegen kann. Dabei kann es sich um technische Spezifikationen, Zuschlagskriterien die Auftragsausführung oder Zielvorgaben handeln.
Diese Mindestanforderungen werden je nach Sachlage festgelegt, um Anreize für das Angebot an und die Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Produkten zu schaffen.
Zuschlagskriterien umfassen „je nach Sachlage“ eine Mindestgewichtung im Vergabeverfahren, die zwischen 15 % und 30 % beträgt. So sollen sie „einen erheblichen Einfluss“ auf das Ergebnis des Vergabeverfahrens haben. Auch soll so die Auswahl der ökologisch nachhaltigsten Produkte begünstigt werden.
Öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber wären laut den Erwägungsgründen der Verordnung beispielsweise verpflichtet, vorzuschreiben, dass die Produkte der Bieter bestimmte Anforderungen im Hinblick auf den CO2-Fußabdruck erfüllen.
Hinsichtlich der Zielvorgaben ist geplant, dass ein Anteil von mindestens 50 % der auf der Ebene der öffentlichen Auftraggeber oder der Auftraggeber durchgeführten Beschaffungen oder der auf nationaler Ebene aggregierten Beschaffungen auf Jahres- oder Mehrjahresbasis in Bezug auf die in Unterabsatz 4 genannten ökologisch nachhaltigsten Produkte durchgeführt werden muss.
Nicht den Wettbewerb einschränken
Vermieden werden solle gleichwohl, dass der Wettbewerb künstlich eingeschränkt wird und bestimmte Wirtschaftsteilnehmer begünstigt werden. So soll die Kommission bei der Prüfung der wirtschaftlichen Durchführbarkeit die bestmöglichen auf dem Markt verfügbaren umweltverträglichen Produkte und Lösungen berücksichtigen – im Grunde also eine erfolgreiche Markterkundung durchführen.
Berücksichtigt werden sollen ferne die Auswirkungen der Anforderungen auf den Wettbewerb sowie der Umstand, dass verschiedene öffentliche Auftraggeber in verschiedenen Mitgliedstaaten über unterschiedliche Haushaltskapazitäten verfügen oder anderen Sachzwängen, etwa im Zusammenhang mit den Klimabedingungen oder der Netzinfrastruktur, unterliegen könnten.
Der Artikel 65 im Wortlaut
(1) Öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber vergeben im Einklang mit der Richtlinie 2014/24/EU bzw. der Richtlinie 2014/25/EU öffentliche Aufträge gemäß den Mindestanforderungen nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels für die Beschaffung von Produkten, die unter einen gemäß Artikel 4 erlassenen delegierten Rechtsakt fallen, oder von Bau- oder Dienstleistungen, wenn diese Produkte für Tätigkeiten verwendet werden, die Gegenstand solcher Aufträge sind (im Folgenden „Mindestanforderungen“).
(2) Die Mindestanforderungen werden je nach Sachlage festgelegt, um Anreize für das Angebot an und die Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Produkten zu schaffen, die unter einen gemäß Artikel 4 erlassenen delegierten Rechtsakt fallen, wobei der Wert und das Volumen der für die betreffenden Produktgruppen vergebenen öffentlichen Aufträge und die wirtschaftliche Durchführbarkeit der Beschaffung ökologisch nachhaltigerer Produkte durch öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber, ohne dass unverhältnismäßige Kosten entstehen, zu berücksichtigen sind.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, mittels Durchführungsrechtsakten Mindestanforderungen in Form von technischen Spezifikationen, Zuschlagskriterien oder für die Auftragsausführung oder Zielvorgaben festzulegen.
Die Mindestanforderungen werden in Bezug auf die Produktaspekte festgelegt, die in dem gemäß Artikel 4 erlassenen, für die betreffenden Produktgruppen geltenden delegierten Rechtsakt behandelt werden, soweit dies für diese Produktgruppen relevant ist.
Die Mindestanforderungen beruhen auf den beiden höchsten Leistungsklassen, den höchsten Punktzahlen oder, falls diese nicht verfügbar sind, auf den bestmöglichen Leistungswerten, die in dem gemäß Artikel 4 erlassenen, für die betreffenden Produktgruppen geltenden delegierten Rechtsakt festgelegt wurden.
Die Zuschlagskriterien umfassen je nach Sachlage eine Mindestgewichtung im Vergabeverfahren, die zwischen 15 % und 30 % beträgt, sodass sie einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis des Vergabeverfahrens haben und so die Auswahl der ökologisch nachhaltigsten Produkte begünstigt werden kann.
Die Zielvorgaben sehen vor, dass ein Anteil von mindestens 50 % der auf der Ebene der öffentlichen Auftraggeber oder der Auftraggeber durchgeführten Beschaffungen oder der auf nationaler Ebene aggregierten Beschaffungen auf Jahres- oder Mehrjahresbasis in Bezug auf die in Unterabsatz 4 genannten ökologisch nachhaltigsten Produkte durchgeführt werden muss.
Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 73 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.
Quellen und Links
- Presseartikel: Ökodesign-Verordnung: Neue Regeln für nachhaltige Produkte in Kraft
- Verordnung (EU) 2024/1781 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte, zur Änderung der Richtlinie (EU) 2020/1828 und der Verordnung (EU) 2023/1542 und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EGText von Bedeutung für den EWR.
- BMWK: Ökodesign-Verordnung und grüne Leitmärkte
Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash