Ist Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung rückläufig?

Die Bertelsmann Stiftung hat im Juli 2024 eine Studie zur Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung veröffentlicht. Das Fazit: Der Staat nutze sein Transformationspotenzial bislang nicht aus; Nachhaltigkeit sei in der öffentlichen Beschaffung rückläufig.

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Erstellt wurde Studie von der Universität der Bundeswehr München im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die sie in ihrer Reihe Focus Paper veröffentlicht hat. Die Autoren sind Alessa Kozuch, Christian von Deimling und Michael Eßig.

Implementierungsdefizit bei nachhaltiger Beschaffung?

Die Autoren folgen der Leitfrage, ob es ein Implementierungsdefizit bei der nachhaltigen öffentlichen Beschaffung gibt. Diverse Datenquellen lassen diesen Schluss zu: So zeige die Vergabestatistik für Deutschland, dass Nachhaltigkeit in nur 11 % der untersuchten kommunalen Vergabebekanntmachungen genutzt wird.

Auch die Untersuchung des Europäischen Rechnungshofes der TED-Daten der Jahre 2011 bis 2021 ergab, dass in sämtlichen Mitgliedstaaten der Großteil der Aufträge nach wie vor an das Angebot mit dem niedrigsten Preis vergeben wird. Die Häufigkeit des Zuschlagskriteriums „niedrigster Preis“ nahm in den meisten Staaten, so auch in Deutschland, im analysierten Zeitraum sogar zu.

17 % nutzen Nachhaltigkeit in Zuschlagskriterien

Im Rahmen der Studie wurde eine eigene Untersuchung anhand von TED-Daten durchgeführt. Laut ihr werden nachhaltige Zuschlagskriterien, die das Potenzial eines echten Wettbewerbs der Bieter um das beste Angebot zur Nachhaltigkeit versprechen, in nur 17 % der untersuchten Vergabebekanntmachungen (über den gesamten Zeitraum 2011 bis 2023) genutzt.

Dabei berücksichtigten die Autoren, dass Nachhaltigkeitskriterien im Vergabeverfahren an verschiedenen Stellen verankert werden können: bei der Leistungsbeschreibung, den Eignungskriterien, den Zuschlagskriterien und/oder bei den Ausführungsbedingungen.

Der Großteil der bisher inkludierten Nachhaltigkeitskriterien in Vergaben oberhalb der Schwellenwerte sei in der Leistungsbeschreibung verankert worden. Das Potenzial, einen Nachhaltigkeitswettbewerb unter den Anbietern zu fördern, hätte hingegen die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in den Zuschlagskriterien.

Der Anteil sei sogar rückläufig: Während im Jahr 2014 noch 23 % der untersuchten Vergabebekanntmachungen nachhaltige Zuschlagskriterien enthielten, zeigt dieser Anteil seit 2019 eine rückläufige Tendenz und lag zwischen den Jahren 2020 bis 2023 bei nur noch 14 bis 15 %.

Ursachen und Lösungen

In einem Workshop mit acht Kommunalvertretern wurden Defizite und Lösungsansätze der Implementierung nachhaltiger Beschaffung aus Praxissicht diskutiert.

Dabei wurden auf Grundlage einer Literaturanalyse Defizit- und Lösungskataloge bewertet und priorisiert.

Als wichtigste Ursache wurde von den Teilnehmern ein Professionalisierungsdefizit angesehen, welches die fehlende Aus- und Weiterbildung des Beschaffungspersonals sowie mangelndes Wissen über Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Vorschriften beschreibt.

Auch ein Sicherheitsdefizit, das fehlende Rechtssicherheit bei der Implementierung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung bezeichnet, sowie ein Veränderungswillensdefizit wurden als relevant identifiziert. Letzteres soll fehlenden Mut oder Willen zur Durchführung der Implementierung und Widerstand gegen Veränderungen beschreiben.

Auf Seiten möglicher Lösungen erhielten Training & Ausbildung, Zentralisierung und verbindliche Regelungen höchste Bewertungen.

„n²“ der öffentlichen Beschaffung

Die Autoren halten es im Ergebnis für angebracht, nicht nur von nachhaltiger Beschaffung, sondern auch von nachhaltiger Implementierung nachhaltiger Beschaffung zu sprechen („“ der öffentlichen Beschaffung).

“ erfordere eine konzeptionelle Integration, also einen gesamtheitlichen Implementierungsplan, der Bundes-, Landes- und kommunale Ebene miteinander verzahnt.

Es stelle sich die Frage, ob nicht eine Art „nationaler Aktionsplan“ für die nachhaltige Implementierung nachhaltiger Beschaffung im Sinne einer konzertierten Aktion sinnvoll wäre, der sich nicht auf das Vergaberecht beschränken dürfe. Vielmehr sei ein Wirkungszusammenhang zu adressieren, bei dem das Vergaberecht auf der Makroebene den Rahmen schafft, während auf der Mikroebene – also bei den (kommunalen) Beschaffungsstellen selbst – Strukturen und Prozesse geschaffen sowie Beschaffungsaktivitäten gesteuert und geführt werden.

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