Die Bundesrepublik kündigte an, Änderungsbedarfe im EU-Rechtsrahmen vorzulegen. Sie betreffen unter anderem die Schwellenwerte sowie ein kohärentes vergaberechtliches Gesamtregelungssystem. Das geht aus dem aktuellen Überwachungsbericht hervor, den unter anderem Deutschland jüngst vorgelegt hat.

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Rechtsgrundlage

Gemäß Artikel 83 der Richtlinie 2014/24/EU sowie entsprechender Artikel der übrigen Vergaberichtlinien sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, der Kommission alle drei Jahre einen Überwachungsbericht vorzulegen.

Der Bericht soll Informationen enthalten

  • über die häufigsten Ursachen einer falschen Anwendung oder Rechtsunsicherheit, einschließlich möglicher struktureller oder wiederkehrender Probleme bei der Anwendung der Vorschriften,
  • über das Ausmaß der Beteiligung von KMU an der öffentlichen Auftragsvergabe
  • und über Vorbeugung, Aufdeckung und angemessene Berichterstattung über Fälle von Betrug, Bestechung, Interessenkonflikten und sonstigen schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten im Bereich des öffentlichen Auftragswesens.

Derartige Berichte lagen bislang aus den Jahren 2018 und 2021 vor; seit Kurzem stellt die Kommission auch die aktuellsten Berichte mit dem Veröffentlichungsjahr 2024 auf dieser Seite zur Verfügung.

Vergleichbarkeit kaum möglich

Die Sinnhaftigkeit der Verfügbarmachung dieser Daten in Form zahlreicher PDF-Dateien, die zudem überwiegend ausgefüllte Formulare sind, kann gerade in Zeiten von eForms und Public Procurement Data Space sicher hinterfragt werden.

Eine Vergleichbarkeit der Unterlagen ist jedenfalls mit vertretbarem Aufwand kaum möglich. Gleichwohl lohnt ein Blick in die Einreichung, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Bundesrepublik angefertigt hat (Direktlink zum PDF).

Vergabestatistik: Manuelle Arbeiten im größeren Umfang

Neben den in den Richtlinien genannten und oben zitierten Punkten werden seitens der Kommission auch quantitative Schlüsselindikatoren (Gesamtzahl und Gesamtwert) für die Vergabe öffentlicher Aufträge in den Jahren 2021 bis 2023 abgefragt. Allerdings liegen Deutschland für das Jahr 2023 noch keine plausibilisierten Daten vor.

Damit steht die Bundesrepublik allerdings nicht alleine da. Finnland hat an der Stelle beispielsweise geantwortet: „number missing due to eForms transition.“ Gefragt nach der Methodik der Datenerhebung verweist das BMWK auf die Vergabestatistik. Hier sorgen „inhaltliche Unstimmigkeiten“ offenbar nach wie vor für „manuelle Arbeiten im größeren Umfang“.

Hauptprobleme: Fehlende Rechtskenntnis und Unsicherheit

Eine falsche Anwendung der Vergabeverordnungen oder generelle Rechtsunsicherheit bei verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens ist laut BMWK in Deutschland kein strukturelles oder durchgehendes Problem.

Wo sie vereinzelt doch auftritt, zählten fehlende Rechtskenntnis oder Unsicherheit damit, wie Rechtsnormen anzuwenden sind, zu den Hauptursachen. Auch die Nichteinhaltung von Fristen, die Nichtveröffentlichung von Eignungskriterien oder eine nicht hinreichende Dokumentation könnten vorkommen, seien aber ebenfalls kein strukturelles Problem.

Zu den Verfahren, mit denen festgestellte Probleme abgemildert werden sollen, zählt das Ministerium

  • das Vier-Augen-Prinzip,
  • interne Qualitätssicherung,
  • die Fachaufsicht (inkl. Leitfäden/Fachaufsichtskonzept),
  • die (stichprobenartige) Überprüfung von Vergaben, z.B. durch Rechnungsprüfungsstellen, Justiziariat, unabhängige Prüfstellen,
  • Entwicklung und Fortschreibung von Maßnahmenkonzepten zur Verbesserung der Vergabepraxis,
  • hinreichende Personalausstattung, mehr vergaberechtlich qualifiziertes Personal,
  • die Einrichtung und Nutzung zentraler Vergabestellen (Spezialisierung, Bündelung von Know-how und Erfahrungswissen, gezielte Beratungskompetenz); Rahmenvertragsplanung für verschiedene Bedarfsträger öffnen
  • sowie Schulungen und Fortbildungen (Vergaberecht und Korruptionsprävention).

EU-Rechtsrahmen: Deutschland wird Vorschläge einbringen

Gefragt nach spezifischen Rechtsvorschriften des EU-Vergaberechts, die Probleme aufwerfen, antwortet das Ministerium mit einer sehr umfassenden Liste von teils sehr spezifischen Praxisproblemen. Diese beruhen offenbar auf Rückmeldungen sowohl von Bundesministerien und -behörden als auch von den Bundesländern, die im Vorfeld der Beantwortung eingeholt wurden.

Darüber hinaus würden derzeit auch insgesamt Änderungsbedarfe im EU-Rechtsrahmen auf Grundlage der Konsultation zum Reformvorhaben im nationalen Vergaberecht geprüft. Entsprechende Vorschläge werde Deutschland auf europäischer Ebene einbringen.

Kommt die Nachsteuerung der EU-Schwellenwerte?

Über einzelne Bedarfe zur Anpassung der bestehenden EU-Vergaberechtsrichtlinien hinaus werde dies auch eine Anpassung der Schwellenwerte betreffen. Vor rund einem Jahr hatte das Wirtschaftsministerium dem Ansinnen der Länder zur Einführung eines Sonderschwellenwertes eine Absage erteilt.

Allerdings stimmte man den Ländern in der Auffassung zu, dass der lediglich an Wechselkursentwicklungen orientierte Mechanismus zur Anpassung der vergaberechtlichen Schwellenwerte im Wesentlichen Inflations- und sonstige Preisentwicklungen nicht abdecke. Hier sei grundsätzlich über eine Nachsteuerung nachzudenken.

Die Bundesregierung hatte daher angekündigt, das Thema „im gebotenen völkerrechtlichen Rahmen und innerhalb der handelspolitischen Zuständigkeit der Europäischen Union mit entsprechender Mandatierung der Europäischen Kommission zu adressieren“.

Kohärentes Gesamtregelungssystem

Auch werde „die Herstellung eines kohärenten, klaren und damit anwenderfreundlichen vergaberechtlichen Gesamtregelungssystems auf EU-Ebene“ ein weiteres wichtiges Thema sein. Hier wird Bezug genommen auf „zahlreiche neue EU- Sektordossiers mit Beschaffungsbezügen“, womit die diversen neuen Verordnungen und Richtlinien gemeint sein dürften, die wir in unserer Rubrik Blick nach Brüssel betrachten. Dazu zählen etwa die Entwaldungsverordnung, die Batterieverordnung oder die Energieeffizienz-Richtlinie.

Quellen und Links

Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash