Mit Markus Söder und Hubert Aiwanger haben sich führende Mitglieder der bayerischen Landesregierung jüngst zum Vergaberecht geäußert.
Söder: „großes Ärgernis – kleine Revolution“
In einer Regierungserklärung, die Markus Söder am 13. Juni vor dem Landtag hielt, kündigte der bayerische Ministerpräsident ein „komplettes Bayern-Update“ mit fast 50 Neuerungen und mehr als 100 Entbürokratisierungsmaßnahmen an.
Im Zuge dessen soll auch das Vergaberecht angepasst werden – laut Söder „ein großes Ärgernis für unsere Wirtschaft“, da es in Bayern bislang strenger ausgelegt werde als die EU vorschreibt.
So sollen für die Dauer von fünf Jahren die Grenzen für Direktaufträge auf 250.000 € netto für Bauleistungen verzehnfacht werden – das wäre die dann bundesweit höchste Wertgrenze.
Die freihändige Vergabe soll nach dem Willen des Ministerpräsidenten künftig auch für weite Teile der kleinen Baumaßnahmen möglich sein. Auch hier wird die Wertgrenze von bislang 100.000 € netto auf eine Million Euro verzehnfacht.
Diese Maßnahmen – laut Söder „eine kleine Revolution im bayerischen Vergaberecht“ – sollen das Bauen beschleunigen und dem heimischen Mittelstand und Handwerk helfen vor.
Aiwanger: Wirtschaftlichkeit durch kurze Transportwege
Die heimische Wirtschaft zu unterstützen ist auch ein Anliegen von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Bereits am 24. Mai plädierte dessen Ministerium per Pressemitteilung dafür, die vorhandenen rechtlichen Spielräume auszuschöpfen, um das wirtschaftlichste Angebot zu bezuschlagen.
„Regionale Anbieter mit einer umwelt- und qualitätsbewussten Produktion kommen bei öffentlichen Ausschreibungen häufig nicht zum Zug“, kritisierte Aiwanger. Stattdessen würden oftmals billigere Angebote den Zuschlag erhalten, bei denen minderwertige Materialien aus anderen Kontinenten zum Einsatz kämen. „In der Gesamtbetrachtung sind jene Baustoffe jedoch vielfach wirtschaftlicher, die in der Region aus nachhaltigen Rohstoffen hergestellt werden und kurze Transportwege haben.“
Als Beispiel nannte der Staatsminister den in Bayern abgebauten und bearbeiteten Naturstein. Das Vergaberecht biete viele Möglichkeiten, um Qualität, Umweltbezug und soziale Kriterien zu berücksichtigen, stellte Aiwanger klar. So könnten Bieter bei der Einhaltung dieser Kriterien gegenüber „Billig-Anbietern“ im Vergabeverfahren bevorzugt werden.
Der Minister appellierte an staatliche und kommunale Beschaffungsstellen, die vorhandenen rechtlichen Spielräume auszuschöpfen. „Damit kann die öffentliche Hand die regionale und europäische Wirtschaft stärken und Nachhaltigkeit vorantreiben“, zeigte sich Aiwanger überzeugt.
Leitfaden „Das wirtschaftliche Angebot“
Hilfestellung gebe der Leitfaden „Das wirtschaftlichste Angebot“ des Wirtschaftsministeriums, über den wir bereits 2019 im cosinex Blog berichteten. In der Tat wird in dem Dokument explizit darauf hingewiesen, dass das billigste Angebot nicht unbedingt das zu bezuschlagende wirtschaftlichste Angebot sein muss. Auch wird vor etwaigen Schadensersatzansprüchen unterlegener Bieter gewarnt.
Diese begrüßenswerte Sensibilisierung für die Aufnahme von Leistungskriterien in die Bewertung wird zudem durch eine Beispielrechnung weiter gestützt, in der das teurere Angebot den Zuschlag erhält, da es hinsichtlich der Leistungskriterien besser und schlussendlich wirtschaftlicher ist.
Auf den ersten Blick scheint Aiwangers Plädoyer für die strategischen Aspekte im Vergaberecht im Widerspruch zu Söders Appell zur Beschleunigung zu stehen. Ob und wie sich diese beiden Auffassungen miteinander vereinbaren lassen, wird die bayerische Landesregierung sicher zu klären wissen.
Quellen
- Bayerischer Landtag: Ministerpräsident stellt „Modernisierungs- und Beschleunigungsprogramm Bayern 2030“ vor
- Regierungserklärung „Modernisierungs- und Beschleunigungsprogramm Bayern 2030“
- Pressemitteilung Wirtschaftlichkeit bei öffentlichen Vergaben von Bauleistungen
Verwandte Beiträge
Titelbild: Stefan Obermeier | Bildarchiv Bayerischer Landtag