Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Ein aktuelles Urteil des VG Berlin fügt der Thematik der Auskunftsersuchen nach Informationsfreiheitsgesetzen im Kontext von Vergabeverfahren eine neue Facette hinzu.

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Ein wesentliches Merkmal des Vergaberechts ist das Transparenzprinzip. Insbesondere Bewerber und Bieter sollen Zugang zu den relevanten Informationen eines Vergabeverfahrens erhalten. So wird der öffentliche Auftraggeber beispielsweise in § 134 GWB verpflichtet, die unterlegenen Bieter über die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes zu informieren.

Praktisch fällt dies schwer, ohne einen Bezug zu dem Angebot des Zuschlagskandidaten herzustellen. Mit Blick auf das Konkurrenzangebot bestimmt beispielsweise § 62 Abs. 2 Nr. 3 VgV explizit, dass auf Verlangen eines Bewerbers oder Bieters dieser „über die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots“ zu informieren ist.

Bei Angeboten konkurrierender Bieter oder Bewerber besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem in Rede stehenden vergaberechtlichen Informationsanspruch einerseits und dem Schutz von dessen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen andererseits. Konkrete Angebotspreise müssen deshalb auch im Rahmen der vorgenannten Auskünfte nicht mitgeteilt werden.

Dabei gibt es „findige“ Bieter und auch beratende Kanzleien, die über Umwege versuchen, an die entsprechenden Informationen zu gelangen. Auf Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes oder der Länder hatten in der Vergangenheit schon mehrfach Wettbewerber versucht, nähere Auskünfte über Vergabeverfahren zu erhalten. Dies blieb in der Regel erfolglos. Nunmehr hat ein Unternehmen in Berlin versucht, auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes an entsprechende Informationen zu gelangen.

Hierzu hat das VG Berlin in einem kürzlich ergangenen Urteil (vom 29.01.2024, 2 K 41 / 23) Stellung genommen.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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I. Der Sachverhalt

Die Klägerin vertreibt Wasserspender und Trinkwasserbrunnen. Das Land Berlin hat im Rahmen des Projekts „Aktionsprogramm Trinkwasserbrunnen“ die Errichtung und den Betrieb von Trinkwasserbrunnen und Wasserspendern finanziert. Die Beklagte, die Berliner Wasserbetriebe, errichtet und betreibt auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung mit der Senatsverwaltung und Rahmenvereinbarungen mit den Bezirksämtern solche Brunnen und Wasserspender.

Nach erfolglosem Widerspruchverfahren beantragt die Klägerin ihr unter anderem zu den folgenden Fragen Akteneinsicht zu gewähren:

  • Wie viele Trinkbrunnen hat sie (Anmerkung: die Beklagte) 2021, 2020 und 2019 beschafft?
  • Welche Preise wurden für die Trinkbrunnen vereinbart?
  • Sofern auch die Wartung der Trinkbrunnen durch Dritte erfolgt, welche Preise wurden für diese Wartung vereinbart?
  • An welches Unternehmen bzw. an welche Unternehmen wurde der Auftrag erteilt und zu welchem Gesamtpreis?
  • Welche Höchstmenge wurde vereinbart?
  • Was ist die Laufzeit der Rahmenvereinbarung bzw. deren Aufstockung?
  • Wann wurden die ursprünglichen Rahmenvereinbarungen ausgeschrieben?

Nachdem die Beklagte die Auskunft verweigert hat, reichte die Klägerin nach erfolglosem Widerspruch Klage ein.

II. Das Urteil

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch sei § 18a Abs. 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 des Umweltinformationsgesetzes – UIG. Danach habe jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben, wobei insbesondere die zwei folgenden Voraussetzungen geprüft wurden:

1. Auskunftspflichtige Stelle der öffentlichen Verwaltung

Die Beklagte sei als Anstalt des öffentlichen Rechts eine Stelle der öffentlichen Verwaltung im Sinne des Umweltinformationsgesetzes. Dabei könne offenbleiben, ob die begehrten Informationen der der Beklagten übertragenen öffentlichen Aufgabe der Wasserversorgung Berlins oder ihrer Teilnahme am marktwirtschaftlichen Wettbewerb zuzurechnen sei. Denn die Informationspflicht erstrecke sich auch auf das verwaltungsprivatrechtliche und fiskalische Handeln öffentlicher Stellen.

2. Die begehrten Informationen sind Umweltinformationen

Nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a Alt. 1 UIG sind Umweltinformationen unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken.

Die Aufstellung und der Betrieb von Trinkwasserbrunnen und Wasserspendern wirke sich auf Umweltbestandteile, insbesondere auf Luft, Atmosphäre und Wasser aus. Der Verbrauch von Leitungswasser verursache – worauf die Beklagte selbst auf ihrer Website hinweist – im Gegensatz zu abgepacktem Mineralwasser weniger CO2-Ausstoß und Abfall.

Die in Rede stehende Beschaffung bereite die Aufstellung der Brunnen und Wasserspender vor und weise damit den erforderlichen Umweltbezug auf.

3. Entgegenstehende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Dem Informationszugang stünden teilweise der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen.

Nach dem maßgeblichen Verständnis des Wettbewerbsrechts erfassten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

Die Beklagte könne sich auch in ihrer Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts auf den einfachgesetzlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen, weil sie sich bei der Beschaffung und Wartung von Trinkwasserbrunnen und Wasserspendern in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Betätigungssituation befinde wie ein privater Betroffener. Beim Erwerb der Brunnen und Wasserspender und bei einer etwaigen Beauftragung der Wartung durch Dritte werde die Beklagte privatrechtlich tätig und unterliege dabei marktwirtschaftlichen Preisbildungsmechanismen.

Die Beklagte habe ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Sie habe nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass die Preise für die Beschaffung und Wartung der Trinkwasserbrunnen und Wasserspender exklusives kaufmännisches Wissen darstellen und ihre Offenlegung geeignet sei, ihre Wettbewerbsposition nachteilig zu beeinflussen. Insbesondere seien bei einer Bekanntgabe der Preise auch negative Folgen bei anstehenden Beschaffungen zu befürchten. Die zwischen der Beklagten und ihren Vertragspartnern vereinbarten Preise für die Beschaffung und (im Fall der Beauftragung Dritter) die Wartung der Trinkwasserbrunnen sowie der Gesamtpreis für die Beschaffung der Wasserspender seien deshalb schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Beklagten.

Dagegen unterfielen die Anzahl der in den Jahren 2019–2021 beschafften Brunnen sowie das/die bei der Beschaffung von Wasserspendern beauftragte/n Unternehmen, die vereinbarte Höchstmenge, die Laufzeit der Rahmenvereinbarung und der Aufstockung sowie das Datum der ursprünglichen Rahmenvereinbarung nicht dem Geheimnisschutz. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welcher konkrete Nachteil bei einer Offenlegung dieser Informationen droht. Der Verweis darauf, Informationen über Vertragskonditionen seien grundsätzlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, mache die Darlegung der Wettbewerbsrelevanz der konkret begehrten Informationen nicht entbehrlich.

III. Hinweise zur Praxis

Das vorstehende Urteil zeigt einmal mehr, dass unser Recht auf einem stimmigen Gesamtsystem beruht: Sowohl der vergaberechtliche Rechtsschutz als auch das Umweltinformationsgesetz des Landes Berlin messen die Weitergabe von wettbewerbsrelevanten Informationen anhand der identischen Messlatte, nämlich dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Schlagwortartig formuliert gilt: Der Informationsanspruch endet dort, wo die schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter betroffen sind.

Titelbild: BCFC – shutterstock.com