Einblicke in den kommenden Datenraum für das öffentliche Auftragswesen, KI im Kontext von Beschaffungsdaten und in ein Portal für offene Daten bot eine Konferenz des Amtes für Veröffentlichungen. Wir waren für Sie vor Ort.

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Eine Bestandsaufnahme der wichtigsten rechtlichen und technischen Fortschritte bei der Erhebung und Verbreitung von Daten über das öffentliche Auftragswesen in Europa – so lautete das Ziel der Veranstaltung, die am 29. und 30. April in Brüssel stattfand. Ihr Titel: „Public Procurement Data Superpowers: Transparency in public procurement – Harnessing artificial intelligence“.

Über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Union, um in Präsenz und digital über die Weiterentwicklung der komplexen Landschaft der Beschaffungsdaten zu beraten. Fachreferenten aus nationalen Behörden, EU-Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und weitere Beschaffungsspezialisten referierten und diskutierten in insgesamt acht Panels.

„Procure smartly“: Bekanntmachungsdaten für mehr Resilienz

In seiner eröffnenden Videobotschaft betonte Johannes Hahn, EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, die hohe und wachsende Bedeutung von Daten als Grundlage für politische Entscheidungen, wissenschaftliche Erkenntnis, journalistische Arbeit und zukunftsweisende Geschäftsmodelle. Die Weiterentwicklung von Tenders Electronic Daily (TED) und dessen Flankierung durch weitere Dienste wie den Data Space, der im weiteren Veranstaltungsverlauf vorgestellt wurde, trügen entscheidend dazu bei.

Daran knüpfte Hilde Hardeman, Generaldirektorin des Amtes für Veröffentlichungen bei der Europäischen Union, mit einer Rückschau auf das bereits seit vierzig Jahren bestehende Angebot TED an. Dieses sei ein immenser Game Changer gewesen, dessen umfangreiches Angebot an strukturierten Daten wertvolle Erkenntnisse ermögliche. Umso wichtiger sei es, diese Daten so effektiv wie möglich für Entscheidungen und weitere Verwertungen zu nutzen.

Kerstin Jorna, die Generaldirektorin der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (GROW) bettete öffentliche Beschaffung und Bekanntmachungsdaten unter dem Motto „Procure Smartly“ in die größeren geopolitischen Zusammenhänge ein.

So seien Bekanntmachungsdaten essentiell bei der Steigerung der Resilienz der Europäischen Union wenn es darum geht zu erkennen, ob und welche Güter und Dienstleistern nur von wenigen oder sogar nur einem Anbieter bezogen werden, aber auch im Kontext von Subventionen aus Drittstaaten oder der Identifizierung des Ultimate Beneficial Owner (UBO), auch wirtschaftlich Berechtigter genannt.

Das kann das neue TED

Im anschließenden Themenblock Data availability erörterte Laura von Weissenberg die Vorteile der jüngst überarbeiteten TED-Website. Ziel sei es gewesen, durch eine leistungsfähigere Suchfunktion, die umfassende Indizierung aller Felder und eine verstärkte Verwendung von Code-Listen, die Funktionalität der Plattform zu verbessern. Dies soll den Zugriff auf und die Analyse von öffentlichen Beschaffungsdaten vereinfachen und verbessern.

Ein weiteres zentrales Element der neuen Website seien ein neues Content-Management-System, gestraffte Inhalte sowie verbesserte Usability und Accessibility, um die Benutzererfahrung signifikant zu steigern.

Anhand von Fallstudien aus Portugal und Albanien wurde anschließend die Thematik der Transparenz in der öffentlichen Beschaffung weiter vertieft:

Claudia Guerreiro von der portugiesischen Organisation IMPIC, die für die Regulierung und Überwachung der Sektoren Bauwesen, Immobilien und öffentliche Märkte zuständig ist, präsentierte die Herausforderungen bei der Sicherstellung der Datenpublikation. In ihrer Analyse beleuchtete sie, wie wichtig ein umfassendes Verständnis des Potenzials der verfügbaren Daten ist. Guerreiro betonte die Notwendigkeit, diese Daten effektiv an die Gemeinschaft zu kommunizieren, um Transparenz in öffentlichen Verträgen zu gewährleisten.

Jonaid Myzyri von der Öffentlichen Beschaffungskommission Albaniens führte durch die Problematik der Transparenz in der öffentlichen Beschaffung. Myzyri legte dar, wie die öffentliche Zugänglichkeit dieser Daten dazu beiträgt, Korruption zu bekämpfen und eine größere Rechenschaftspflicht im öffentlichen Sektor zu fördern.

Beide Präsentationen unterstrichen die zentrale Rolle, die die Datenveröffentlichung spielt, um Transparenz und Effizienz in der öffentlichen Beschaffung zu fördern. Sie machten deutlich, dass eine offene Kommunikation und der Einsatz moderner Technologien entscheidend sind, um die Potenziale der Daten voll auszuschöpfen und eine breite Akzeptanz und Beteiligung der Gemeinschaft zu erreichen.

Erfahrungsberichte aus Belgien und Finnland

Michaël De Winne von der belgischen Behörde FPS BOSA gab einen Einblick in die Umsetzung von eForms in Belgien, die interessante Parallelen zum deutschen Weg aufwies: Auch dort wurde die Möglichkeit eines nationalen Tailorings in Anspruch genommen, die in ein Belgian Development Kit (BDK) mündete – analog zum deutschen GDK.

HILMA heißt Finnlands nationales Bekanntmachungsportal, das von der Organisation Hansel betrieben wird und im Besitz des finnischen Finanzministeriums ist. Petteri Pohto gab Einblicke in die dortige Implementierung von eForms.

Ein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Benutzerzentrierung, um die Datenqualität zu verbessern und die Benutzeroberfläche so zu gestalten, dass Benutzer korrekte Informationen so schnell und einfach wie möglich eingeben können. eForms können zu komplexen Validierungsfehlern führen, die zu Frustration seitens der Nutzer und zur Verlangsamung des Bekanntmachungsprozesses führen können.

Daher hat sich Hansel dafür entschieden, sämtliche möglichen Validierungsfehler durch das automatisierte Ausfüllen (mittels des „Robotti Ruttunen“) von 50.000 Bekanntmachungen auszulösen und die Benutzeroberfläche bei jeder auftretenden Fehlermeldung entsprechend anzupassen.

Geschäftsmodelle auf Grundlage von TED

Szenarien zur Nutzung von Beschaffungsdaten standen im anschließenden Themenblock im Vordergrund. Fünf reusers of TED-Data stellten ihre Geschäftsmodelle und Nutzungsversprechen vor, die sich sämtlich im Bereich der Analyse, Aufbereitung und des Tender Monitoring von Beschaffungsdaten für Kunden aus der Privatwirtschaft bewegten. Das semantische Anreichern oder Vereinfachen von Bekanntmachungen mittels KI sowie das automatische Empfehlen inhaltsähnlicher Bekanntmachungen standen dabei im Vordergrund.

Jenseits des Ein-Bieter-Problems

Im anschließenden Themenblock wurde die Verwendung von Beschaffungsdaten durch Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutiert.

Besonders hervorzuheben ist hier der Vortrag „Beyond the single bidder problem“ von Tünde Tátrai, Corvinus Universität Budapest. In ihrer Datenanalyse zur Problematik der Ausschreibungen mit lediglich einem Angebot hob sie Effekte hervor, die sich positiv und negativ auf die Anzahl von Angeboten auswirken könnten.

Positiv seien demnach:

  • Art der Vergabestelle – regional, lokale Behörde
  • Aufteilung des Auftragsgegenstands in Lose
  • Vertragswert – hoch
  • KMU-Beteiligung – wenn viele Bieter vorhanden sind, sind viele davon KMUs
  • Verhandlungsmöglichkeiten
  • Vergabekriterium – niedrigster Preis
  • Vertragsdauer – länger

Negativ wirkten sich hingegen aus:

  • Art der Vergabestelle – Ministerium
  • Art des Auftragsgegenstands – Dienstleistung, Lieferung
  • Zu detaillierte Aufteilung des Auftragsgegenstands in Lose
  • Vertragswert – niedrig
  • EU-finanzierte Projekte
  • Beschleunigtes Verfahren
  • Vergabekriterium – wirtschaftlich günstigstes Angebot
  • Vertragsdauer – kürzer

Data Space und offene Daten

Der zweite Veranstaltungstag wurde durch einen Vortrag von Marc Christopher Schmidt von der Generaldirektion für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU eröffnet, in dem er den „Datenraum für das öffentliche Auftragswesen“ (Public Procurement Data Space, PPDS) vorstellte.

In dem Datenraum sollen künftig Daten aus allen öffentlichen Beschaffungsquellen konsolidiert werden, um deren Interoperabilität durch eine gemeinsame Semantik mittels der eProcurement Ontology (ePO) zu ermöglichen.

Ziel des PPDS sei es, analytische Fähigkeiten bereitzustellen, um evidenzbasierte Entscheidungen von Käufer, Lieferanten und politischen Entscheidungsträgern unterstützen. Die Datenversorgung werde dabei durch die Mitgliedstaaten und das Amt für Veröffentlichungen erfolgen.

Zusätzlich sollen diese Daten mit Informationen aus anderen Datenräumen wie etwa zum Green Deal angereichert werden. Werkzeuge für Datenanalyse und Datenqualität sollen zur Verfügung stehen, damit Datenverbraucher je nach ihren spezifischen Bedürfnissen, Interessen und Berechtigungen auf die Daten zugreifen können.

Die Timeline sieht vor, mit dem System bereits im Sommer dieses Jahres an den Start zu gehen. Interessierte Mitgliedsstaaten, die sich an das PPDS anschließen wollen, werden Unterstützung erhalten.

Ab dem Jahr 2025 plant man, weitere Verbindungen zu Mitgliedstaaten und bestehenden EU-Datenquellen herzustellen sowie Daten aus dem gesamten Beschaffungszyklus zu verlinken.

Eine weitere Neuentwicklung wird der Public Procurement Open Data Web Service sein, den Ioannis Rousochatzakis vom Amt für Veröffentlichungen vorstellte. Mit ihm werde die TED-Datenanalyse auch für Berater, Forschende, Journalisten und Bürger erleichtert.

Während die bestehende TED-API ausschließlich die Suche nach Metadaten und den Download im XML-Format ermöglicht, soll das Open Data-Portal die Recherche anhand sämtlicher Bekanntmachungsdaten und deren Download in diversen Formaten wie JSON und Excel ermöglichen.

Ausblick: Beschaffungsdaten und künstliche Intelligenz

Einen Ausblick auf mögliche Einsatzszenarien von KI im Kontext von Beschaffungsdaten boten die Vorträge der Session Harnessing AI. Die Vortragenden vom Amt für Veröffentlichungen stellten Nutzungsszenarien vor, die bereits erprobt worden seien. Dazu zählten das Erkennen von Duplikaten, fehlenden Werten und auffällig hohen oder niedrigen Werten ebenso wie das Anreichern von Bekanntmachungen durch die Ergänzung weiterer CPV-Codes, die Identifizierung ähnlicher Ausschreibungen basierend auf Kontext und Sprache der Beschreibungstexte sowie der Einsatz von KI zur Ermittlung von Benchmark-Werten für die Bewertung von Ausschreibungen.

Dieser Ansatz wurde kontrovers diskutiert: Albert Sanchez Graells von der Universität Bristol verwies im abschließenden Vortrag der Konferenz auf rechtliche Fallstricke. Der Titel „If we had the data, would AI help foster transparency?” verwies darauf, dass sich nahezu alle Betrachtungen der vorherigen Sessions auf den Oberschwellenbereich beschränkten, wohingegen der deutlich umfangreichere Bereich unterhalb der Schwellenwerte noch nicht verfügbar ist – jedenfalls bis er in den zu schaffenden Public Procurement Data Space integriert ist.

Viele KI-Szenarien, die derzeit diskutiert werden, seien rechtlich mindestens fragwürdig, so Sanchez Grealls, was vor allem an der deren Intransparenz liege. Dazu zählte er das automatisierte Ausflaggen oder Aussortieren vermeintlich fehlerhafter oder aus anderen Gründen auffälliger Ausschreibungen (predictive red-flag): Er sei gespannt, wie dieses Vorgehen gegenüber einer ausschreibenden Stelle im Ernstfall rechtlich sauber begründet werde.