Hohe Wertgrenzen zur Förderung von Direktkäufen liegen im Trend. Allerdings droht die erhoffte Entbürokratisierung durch den Verlust der Kontrolle über die hauseigene Beschaffung erkauft zu werden. Carsten Klipstein beleuchtet die Risiken des sogenannten Maverick-Buying und zeigt Lösungsansätze auf.

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Während es in der Vergangenheit Flutkatastrophen, gestiegener Flüchtlingszahlen oder einer Pandemie bedurfte, um die Wertgrenzen, bis zu denen Direktkäufe möglich sind, zeitlich befristet zu erhöhen, scheint dies zum Trend zu werden: Kaum ein Bundesland hat die im Zuge der verschiedenen Krisen erhöhten Wertgrenzen und Verfahrenserleichterungen nicht weiter verlängert oder sogar festgeschrieben. Offenkundig wird hierin auch ein Mittel zur Förderung von Flexibilität und zur Reduzierung der Vergabebürokratie angesehen.

Auf den ersten Blick erscheint die Erhöhung der Wertgrenzen für Direktkäufe als vielversprechender Schritt zur Vereinfachung der Beschaffungsprozesse. Die Möglichkeit, kleinere Aufträge direkt zu vergeben, ohne den formellen Vergabeprozess durchlaufen zu müssen, könnte die Effizienz steigern und bürokratische Hürden abbauen.

Allerdings birgt die faktische Dezentralisierung von Beschaffungsvorgängen erhebliche Risiken – insbesondere, wenn Direktkäufe nicht durch eine zentrale Stelle koordiniert werden.

Maverick-Buying und seine Risiken

Maverick-Buying beschreibt das Phänomen des Erwerbs von Waren oder Dienstleistungen durch Mitarbeiter einer Organisation außerhalb von Beschaffungsrichtlinien und -prozessen. Kennzeichnend sind häufig auch fehlende Genehmigungen oder Überprüfungen durch die zuständige Fachabteilungen oder andere relevante Instanzen.

Zu den Risiken des Maverick-Buying zählen uneinheitliche Prozesse, nicht optimal durchgeführte Preisvergleiche, höhere Preise aufgrund kleiner Stückzahlen und nicht genutzte Preisvorteile durch Rahmenverträge.

Ein weiterer und häufig unterschätzter Aspekt des Maverick-Buying ist die fehlende Produktstandardisierung. Wenn innerhalb einer Organisation verschiedene Produkte oder Dienstleistungen ohne klare Standards beschafft werden, kann dies zu zusätzlichen Kosten und zu erhöhter Komplexität führen, insbesondere in Bezug auf Ersatzteilbeschaffung, Wartung oder Lagerhaltung.

Darüber hinaus kann Maverick-Buying zu rechtlichen Problemen führen, insbesondere wenn es um die Einhaltung von Vorschriften und Richtlinien geht.

Die Erhöhung der Wertgrenzen im Bereich der Direktkäufe ist also nur auf den ersten Blick eine einfache Lösung, um Bürokratie abzubauen und Flexibilität zu erhöhen. Tatsächlich birgt sie das Risiko, Maverick-Buying zu fördern und die Kontrolle über die Beschaffungsprozesse zu schwächen, jedenfalls bei gleichzeitiger Dezentralisierung der Beschaffung.

Der Autor

Carsten Klipstein ist Geschäftsführer der cosinex GmbH sowie der GovTech GmbH und CEO der GovTech Gruppe. Als Projektleiter hat er unterschiedlichste E-Government-Projekte geleitet. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zu den Themen Vergaberecht, E-Government und Verwaltungsmodernisieurng.

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Wege aus dem Maverick-Dilemma: Lösungen und Ansätze

In Anbetracht der Herausforderungen des Maverick-Buying und der Risiken, die mit erhöhten Wertgrenzen für Direktkäufe einhergehen können, bedarf es geeigneter Maßnahmen. Im Folgenden werden verschiedene Ansätze beleuchtet:

1. Zentralisierte Beschaffung für spezifische Produktkategorien

Eine Möglichkeit, Maverick-Buying zu reduzieren und die Effizienz der Beschaffungsprozesse zu steigern, besteht darin, eine zentralisierte Beschaffung für bestimmte Produktkategorien einzuführen. Durch die Bündelung von Bedarf und den Abschluss von Rahmenverträgen können Skaleneffekte erzielt und günstigere Konditionen ausgehandelt werden, was auch eine bessere Kontrolle über Produktqualität und -konsistenz ermöglicht.

Zentral ist dabei die Auswahl geeigneter Warengruppen. Da, wo hohe Preisschwankungen erwartet werden, liegen Rahmenverträge mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern oder dynamische Beschaffungssysteme nah. Über Mini-Wettbewerbe können aktuelle Preise abgefragt werden. Gerade diesen steht aber nicht selten Aufwand gegenüber. Für die Beschaffung von zwei Druckern im Wert von 500 EUR wird auch der Aufwand eines (doch im gewissen Umfang förmlichen) Mini-Wettbewerbs in keinem günstigen Verhältnis stehen.

Zudem gilt es zu prüfen, welche Produktgruppen unabhängig vom beschafften Wert nur durch zentrale Vergabestellen oder Beschaffungseinheiten vergeben werden sollten. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Softwarelösungen, bei denen Datensicherheit und Datenschutz unabhängig davon zu bewerten sind, ob eine einfache Cloud-Lösung für die Buchung von Räumen beschafft wird, oder ein ERP-System.

2. Festlegung klarer Produktstandards und -anforderungen

Zur Reduzierung der Vielfalt beschaffter Produkte und zur Vermeidung von Inkompatibilitäten sollten klare Produktstandards und -anforderungen festgelegt werden. Dies erleichtert nicht nur die Lagerhaltung und Wartung, sondern ermöglicht auch die bessere Vergleichbarkeit von Angeboten und eine effizientere Nutzung von Rahmenverträgen.

Als Beispiel soll erneut die Beschaffung von Druckern und die damit häufig verbundene Bevorratung von Tonern dienen. So können beispielsweise bestimmte Druckertypen als Behördenstandard festgelegt werden. Dabei kann offenbleiben, wo diese – nach einem Preisvergleich – beschafft werden.

3. Transparente Vertragsbedingungen und -anforderungen

Die Festlegung klarer Vertragsbedingungen und -anforderungen ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle Beschaffungsvorgänge den rechtlichen Vorschriften entsprechen und die erwartete Qualität erfüllen. Dies beinhaltet auch die Festlegung von Compliance-Richtlinien und die Überwachung der Einhaltung dieser Richtlinien durch Lieferanten.

Zu bedenken ist, dass bei kleineren Beschaffungen über Online-Marktplätze wie Amazon oder Mercateo nur selten die Liefer- und Vertragsbedingungen der jeweiligen Behörde sinnvoll durchgesetzt werden können. Es bedarf daher auch einer praxisnahen Vorgabe, wann und gegebenenfalls bis zu welcher Wertgrenze von zentralen Vorgaben wie den eigenen Einkaufsbedingungen abgewichen werden darf.

4. Effektives Bedarfsmanagement und Erfassung von Bedarfsmeldungen

Durch die Einführung eines effektiven Bedarfsmanagements und die Erfassung von Bedarfsmeldungen können Beschaffungsvorgänge besser koordiniert und gesteuert werden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Identifizierung von Beschaffungsbedarf, eine optimierte Ressourcennutzung und eine verbesserte Planung von Beschaffungsaktivitäten.

5. Dokumentation und Überwachung von Direktvergaben

Eine systematische Erfassung von Direktvergaben, einschließlich kleinerer Aufträge, ist von entscheidender Bedeutung, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherzustellen. Dies ermöglicht eine bessere Überwachung des Beschaffungsverhaltens, die Identifizierung von Optimierungspotenzialen und die Einhaltung von Compliance-Vorschriften.

6. Revision der Dezentralisierung von Direktkäufen

Letztlich ist eine regelmäßige Überprüfung der Entscheidung zur Dezentralisierung von Direktkäufen unerlässlich. Es ist wichtig zu analysieren, ob die erzielten Flexibilitätsvorteile die potenziellen Risiken von Maverick-Buying und den Verlust der Kontrolle über die Beschaffungsprozesse ausgleichen.

Die vorgenannten Lösungsansätze sind Beispiele, um die Vorteile höherer Wertgrenzen für Direktkäufe und der Dezentralisierung von Beschaffungsprozessen zu nutzen und den Risiken des Maverick-Buying zu begegnen.