Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Der Vergabesenat bei dem OLG Rostock hat sich jüngst mit der Frage befasst, wann ein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 103 GWB vorliegt. Auch über den Rechtsweg bei derartigen Streitigkeiten war zu entscheiden. Norbert Dippel stellt den Beschluss vor.

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Zumeist ist die Frage, ob ein öffentlicher Auftrag vorliegt, einfach zu beantworten: Beschafft ein öffentlicher Auftraggeber Waren, Dienstleistungen oder Bauleistungen auf dem Markt, liegt ein öffentlicher Auftrag vor. Veräußert der öffentliche Auftraggeber Waren oder Grundstücke oder verpachtet er Grundstücke, tritt er nicht als Nachfrager, sondern als Anbieter auf, weshalb grundsätzlich kein öffentlicher Auftrag vorliegt.

Schwierig kann es werden, wenn die Verpachtung von Grundstücken zu einem bestimmten Zweck sowie mit der Erbringung bestimmter weitere Leistungen verknüpft wird, von denen die öffentliche Hand profitiert. Der Vergabesenat bei dem OLG Rostock hat sich jüngst (Beschluss vom 23.11.2023, 17 Verg 3 / 23) mit diesem Themenkomplex am Beispiel der Verpachtung von Grundstücken zum Betrieb eines Campingplatzes beschäftigt. Neben der Frage, ob ein öffentlicher Auftrag vorliegt, war über den Rechtsweg bei derartigen Streitigkeiten zu entscheiden.

I. Der Sachverhalt

Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft verpachtet seit Jahrzehnten ein Grundstück an der schönen Ostsee, das für den Betrieb eines Campingplatzes genutzt wird. Vor Auslaufen des Pachtvertrages machte er seine Absicht bekannt, das Grundstück erneut zum Betrieb eines Campingplatzes mit einer Laufzeit von 25 Jahren zu verpachten.

Mit der Verpachtung sollte unter anderem ein Rückbauplan bestimmter bestehender Anlagen verfolgt werden sowie eine Reduzierung der Pachtfläche ungesetzt werden, die erforderliche Einzäunung erfolgen, ein Stellplatzplan einschließlich Vorgaben zur Verkehrslenkung und zu Umweltauflagen realisiert werden sowie Vorgaben zur Unterhaltung und Instandsetzung der baulichen Anlagen befolgt werden.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Nachdem die Antragstellerin – die den Campingplatz derzeit betreibt – erfahren hat, dass ihr Angebot lediglich den dritten Platz belegt, stellte sie einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer: Sie vertrat die Auffassung, es hätte eine EU-weite Ausschreibung erfolgen müssen. Es würden zahlreiche pachtuntypische Leistungen verlangt. Im Vordergrund stünde die Einräumung des Rechts zum Angebot von Campingleistungen. Der Nationalpark würde letztlich Campingdienstleistungen beschaffen.

Sie beantragte unter anderem die hilfsweise Feststellung, dass der geschlossene Pachtvertrag nach § 135 Abs. 1 GWB wegen dem Unterlassen einer Ausschreibung unwirksam ist. Ebenso wurde hilfsweise beantragt, den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Greifswald, hilfsweise an das Landgericht Stralsund zu überweisen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen, weshalb die Antragstellerin nunmehr sofortige Beschwerde eingelegt hat.

II. Der Beschluss

Nach Ansicht des Vergabesenats ist die zulässige sofortige Beschwerde in der Sache ohne Erfolg, weil der ursprüngliche Nachprüfungsantrag – wie von der Vergabekammer zutreffend ausgeführt – bereits unzulässig war.

Nach § 155 GWB ist der Vergaberechtsweg nur eröffnet, wenn es um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession im Sinn der §§ 97 ff. GWB geht.

Eine Konzession stelle das angestrebte Vertragsverhältnis mit Blick auf das fehlende Betriebsrisiko nicht dar. Auch fehle es an einem Beschaffungsbezug. Schwerpunktmäßig gehe es um den Betrieb eines Campingplatzes. Nach dem Gesamtgepräge der Vertragsbeziehungen stehe für die öffentliche Hand die Geldeinnahme deutlich im Vordergrund. Damit war zu prüfen, ob es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt.

1. Pachtverhältnis ist kein öffentlicher Auftrag

Der Vergabesenat stellt eingangs fest, dass der Nationalpark bei dem zu vergebenden Pachtvertrag nicht als Nachfrager auftrete. Vielmehr sei er Verpächter und nicht Pächter. Damit fehle es bereits an einer Beschaffung. Schon allein deshalb sei die Vergabe des Pachtvertrages kein öffentlicher Auftrag.

2. Zusätzliche Verpflichtungen als öffentlicher Auftrag

Auch die in Aussicht genommenen zusätzlichen Verpflichtungen des Pächters könnten eine Einordnung des Vertragsverhältnisses als öffentlicher Auftrag nicht rechtfertigen.

a. Zum unmittelbaren Interesse am Betrieb des Campingplatzes

Eingangs stellt der Vergabesenat grundsätzlich fest: Ein öffentlicher Auftrag könne im Zusammenhang mit der Überlassung eines Grundstücks durch einen öffentlichen Auftraggeber ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn der Vertragspartner zugleich Bau- oder andere Verpflichtungen übernehmen soll, an denen die öffentliche Hand ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat. Allerdings liege auch dann der Beschaffungsvorgang nicht in dem grundstücksbezogenen Geschäft, sondern in dem Auftrag und den mit ihm verfolgten Zielen, deren Verwirklichung die Überlassung des Grundstücks dient.

Gemessen an diesem Maßstab sieht der Vergabesenat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Nationalpark den Betrieb des Campingplatzes als eigene Aufgabe im eigenen Interesse ansehen würde. Die Aufgabe solle eben nicht unter seiner Aufsicht einem Dienstleister übertragen werden, also als entsprechende Dienstleistungen des Vertragspartners beschafft werden.

Zwar bestünde sogar ein verfassungsrechtlich verbürgtes öffentliches Interesse an Umwelt- und Naturschutz (Art. 20a GG). Auch möge das Land den Tourismus fördern. Dieser allgemeine Befund mache aber den Betrieb gerade dieses Campingplatzes ebenso wenig zu einer öffentlichen Aufgabe wie die Regelungen über den Betrieb von Campingplätzen im Nationalpark. Erst recht sei der Betrieb des Campingplatzes keine Aufgabe der Daseinsvorsorge.

b. Zur Verringerung der Stellplätze

Die Verringerung der Pacht- und Stellflächen während des laufenden Vertrags sei schon begrifflich keine Leistung des Pächters, sondern eine schlichte Begrenzung des Pachtvertrags.

Mit weiteren Bedingungen würde der Nationalpark keine Dienstleistungen beschaffen, sondern setze nur die Rahmenbedingungen, unter denen aus seiner Sicht ein zulässiger Betrieb des Campingplatzes im Naturschutzgebiet gewährleistet ist. Dies betreffe etwa die Gästeinformationen zum Verhalten und zu Lebensräumen im Nationalpark und Mitarbeiterschulungen, aber auch die Planung von Stellplätzen und Parkflächen.

c. Bauliche Maßnahmen als Auftrag

Eine Beschaffung von Bau- und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag könne allenfalls hinsichtlich der Mitwirkung im Nationalpark, fester Bildungsangebote, der Unterbringung im Freiwilligenmanagement oder der Einzäunung und des Rückbaus vorhandener Baulichkeiten anzunehmen sein. Allerdings käme diesen Leistungen hinsichtlich des Gesamtvertrags kein prägender Charakter zu. Auch sei nicht ansatzweise ersichtlich, dass sie ihrerseits im Sinn des § 111 Abs. 3 GWB die Schwellenwerte überschreiten und dem Vergaberecht unterliegen könnten.

Insoweit könnten sie auch im Rahmen einer Gesamtvergabe keine Vergabeflicht nach EU-Vergaberecht begründen.

3. Rechtsweg: Wie geht es weiter?

Angesichts der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags hat der Senat über den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag zu entscheiden und das Verfahren entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Landgericht in Stralsund zu verweisen. Dabei führt er grundlegend Folgendes aus.

a. Voraussetzung der Verweisung

Eine Verweisung des nicht statthaften Nachprüfungsantrags durch einen Vergabesenat an das Gericht eines anderen Rechtswegs komme in entsprechender Anwendung des § 17a GVG grundsätzlich in Betracht. Voraussetzung sei jedoch aus Gründen der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes, dass der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann.

Vorliegend gehe es der Antragstellerin darum, dass ein Vertragsschluss des Pachtvertrages unterbleibt und der Nationalpark zur Durchführung eines (Verwaltungs-) Vergabeverfahrens verpflichtet wird. Dies sei grundsätzlich auch im Verwaltungs- oder Zivilprozess möglich. Soweit hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit des Zuschlags begehrt werde, stelle dies zwar eine Besonderheit des GWB-Vergaberechts dar und könne in dieser Form in einem anderen Rechtsweg nicht erreicht werden. Weil aber die Bedingung (Anmerkung: der Vertragsschluss) noch nicht eingetreten sei, werde auch dieser Hilfsantrag von der Verweisung umfasst.

b. Zivilgericht ist zuständig

Die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs hänge davon ab, ob das streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sei. Für diese Zuordnung sei nicht das Ziel, sondern die Rechtsform staatlichen Handelns maßgeblich. Handele der Staat privatrechtlich und werde der Vertrag in den Formen des Privatrechts vergeben, so sei grundsätzlich auch die betreffende Streitigkeit privatrechtlicher Natur. Umgekehrt sei prinzipiell der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn sich das staatliche Handeln in den Bahnen des öffentlichen Rechts vollzieht, der Vertrag also in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben wird. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimme sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzurechnen sei.

Die Einordnung als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ergebe sich nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze daraus, dass das angestrebte Vertragsverhältnis dem Privatrecht zuzuordnen sei. Für die Regelung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag sei kein Raum. Ob sich also aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie und aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (Willkürverbot) ein Anspruch der Antragstellerin auf weitergehende und förmliche Beteiligung an der Verteilung des Pachtlands im Naturschutzgebiet ableiten lasse, sei von den Zivilgerichten zu klären.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Hinweise für die Praxis

In der Vergangenheit wurde oftmals von der „Krake des Vergaberechts“ gesprochen. Gemeint war damit, dass immer mehr Sachverhalte dem Vergaberecht unterliegen.

Der vorliegende Fall zeigt allerdings die Grenzen auf: Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, ob ein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 103 GWB vorliegt. Tritt der öffentliche Auftraggeber nicht als „Nachfrager“ sondern als „Anbieter“ auf, handelt es sich nicht um einen öffentlichen Auftrag. Kommt es zu einer Vermischung von Nachfrage und Anbieten im Rahmen einer Gesamtvergabe, ist § 111 Abs. 3 GWB entscheidend, wobei es maßgeblich darauf ankommt, ob überhaupt ein Auftragsanteil als öffentlicher Auftrag den Schwellenwert überschreitet.

Auftraggeber sind gut beraten, dies im Vorfeld einer Maßnahme gewissenhaft zu prüfen, wenn sie den entsprechenden Vertrag ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens nach EU-Vergaberecht abschließen wollen.

Titelbild: Bildquelle: BCFC – shutterstock.com