Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Die Vergabekammer des Bundes hat jüngst das Recht öffentlicher Auftraggeber unterstrichen, die Aufschlüsselung von Preisen nach eigenen Kriterien zu fordern. Norbert Dippel stellt den Beschluss sachkundig vor.

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Die korrekte Aufschlüsselung von Preisen in Angeboten ist aus Sicht des Auftraggebers wichtig: Denn nur anhand der Preise für die Einzelleistungen kann er nachvollziehen, ob das Angebot aus kaufmännischer Sicht sorgsam kalkuliert ist und sämtliche Leistungspositionen kalkulatorisch erfasst wurden. Wo dies nicht der Fall ist, drohen Streit und Verzögerungen bis hin zum Leistungsausfall.

Für die Bieterseite ist die Aufschlüsselung der Preise in die Einzelpositionen mit Aufwand verbunden. Wenn Unterauftragnehmerleistungen betroffen sind, steht der potenzielle Hauptauftragnehmer oftmals vor dem Problem, dass der Subunternehmer seine Preise nicht entsprechend aufschlüsseln möchte – manchmal schlicht, weil er den Aufwand scheut. Welche gewichtigen Folgen dies haben kann, hat die Vergabekammer des Bundes in einem jüngeren Beschluss (vom 19.10.2023, VK 2 – 78 / 23) dargestellt.

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle schrieb einen Bauauftrag europaweit aus. In den Vergabeunterlagen wurde gefordert, dass die Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend Formblatt 223 auf Verlangen der Vergabestelle ausgefüllt vorzulegen ist. Explizit war im Hinblick auf die auszufüllenden Formularspalten „Zeitansatz/Stunden, Löhne, Geräte, Sonstiges“ gefordert: „Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.“

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Die spätere Antragstellerin reichte das preisgünstigste und damit erstplatzierte Angebot ein. Aufgrund der erheblichen Unterschreitung des Schätzwertes sowie der Vergleichsangebote entschied die Vergabestelle, das Formblatt 223 zur Aufgliederung der Einheitspreise anzufordern. Das entsprechende Aufforderungsschreiben enthielt den Hinweis, dass das Angebot ausgeschlossen werde, wenn die angeforderten Unterlagen „nicht vollständig innerhalb der Frist vorgelegt“ würden; es erfolge keine weitere Nachforderung.

Die spätere Antragstellerin reichte ein von den Vorgaben abweichendes Formular mit insgesamt 25 Seiten ein. Neben sprachlichen Abweichungen wurden keine Angaben zum Zeitansatz sowie zu Lohn-, Material-, Geräte- und sonstigen Kosten für die Nachunternehmerleistungen ausgewiesen. Deshalb konnte aus Sicht der Vergabestelle nur für den Leistungsanteil der späteren Antragstellerin, nicht aber für die Nachunternehmer eine Prüfung der Einheitspreise erfolgen, weshalb das entsprechende Angebot ausgeschlossen wurde.

Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer. Insbesondere kritisierte sie, dass die Vergabestelle verpflichtet gewesen wäre, sie zur Vervollständigung der Unterlagen aufzufordern.

II. Der Beschluss

Dies sieht die zweite Vergabekammer des Bundes anders. Der zulässige Nachprüfungsantrag ist nicht begründet.

Das Angebot der Antragstellerin sei zu Recht nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A ausgeschlossen worden. Nach dieser Vorschrift sind Angebote, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderung nicht innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorgelegt wurden, von der Wertung auszuschließen. Im Einzelnen:

1. Wirksamer Vorbehalt der Anforderung

Zunächst prüft die Vergabekammer, ob sich die Vergabestelle die spätere Anforderung des Formblatts 223 wirksam vorbehalten hat.

Da sie explizit in der Aufforderung zur Angebotsabgabe enthalten war, ist sie nach Ansicht der Vergabekammer wirksam. Weiterhin könne eine Unwirksamkeit nicht aus dem Umstand gefolgert werden, dass eine Aufgliederung der Einheitspreise ausdrücklich auch für Nachunternehmerleistungen vorgesehen ist. Dabei verkennt die Vergabekammer nicht, dass es für den Bieter und dessen Nachunternehmer ein erheblicher Aufwand ist, die Einheitspreise des Angebots aufschlüsseln zu müssen. Allerdings habe der Auftraggeber mangels einer direkten Beziehung zum Nachunternehmer keine Möglichkeit, bei diesem eine Preisaufklärung über das Formblatt 223 für dessen Teilleistungen einzufordern; die Nachunternehmerleistung ist vielmehr der Sphäre des Bieters zuzurechnen.

Vorliegend habe die Vergabestelle sogar den mit der Ausfüllung des Formblatts 223 verbundenen Aufwand so gering wie möglich gehalten, indem lediglich der für den Zuschlag vorgesehene Bieter die Aufschlüsselung der Einheitspreise auf konkrete Anforderung beizubringen hatte.

2. Keine Willkür

Diese Anforderung sei nicht willkürlich gewesen. Das Angebot der Antragstellerin wies den niedrigsten Preis auf und lag deutlich unter der Auftragswertschätzung der Vergabestelle sowie dem nachfolgenden Angebot. Insoweit sei die Antragstellerin zu Recht davon ausgegangen, dass eine Preisprüfung nach § 16 d EU Abs. 1 VOB/A erforderlich ist. Dieser rechtlichen Verpflichtung sei die Vergabestelle nachgekommen, indem sie von der Antragstellerin als Bestbieterin das Formblatt 223 anforderte, um die nötigen Daten für die materielle Preisprüfung zu erhalten.

Die Ausübung der in der Aufforderung zur Angebotsabgabe vorbehaltenen Anforderung des Formblatts 223 war damit sachlich indiziert und notwendig, die Frist war angemessen und seitens der Antragstellerin unbeanstandet.

Die Anforderung wurde nicht etwa deswegen unwirksam oder in anderer Weise unbeachtlich für die Antragstellerin, weil der Auftraggeber im Rahmen der Anforderung das Stichwort „Preisprüfung“ nicht explizit als Motivation für die Anforderung erwähnt hat. Fraglich sei schon im Ansatz, ob es rechtlich gefordert ist, einen Grund anzuführen, wenn ein Auftraggeber Angaben anfordert, deren Anforderung er sich in der Angebotsaufforderung vorbehalten hatte. Aus fachkundiger Bietersicht, und die Antragstellerin als erfahrene Teilnehmerin an Vergabeverfahren prägt diesen relevanten Horizont mit, sei hier auch ohne Nennung des Begriffs Preisprüfung deutlich geworden, dass das Anfordern des Formblattes 223 zu diesem Zweck erfolgte. Der Auftraggeber hatte im Anforderungsschreiben angeführt, dass das Angebot der Antragstellerin für den Zuschlag in Betracht käme. Daraus ergibt sich, dass der Auftraggeber vor Zuschlagserteilung noch eine preisliche Prüfung anhand der Preisaufschlüsselung im Formblatt 223 vorzunehmen beabsichtigte.

3. Nichteintragung = Fehlen

Unstreitig ist, dass die Antragstellerin das Formblatt 223 zwar fristgemäß, jedoch in weiten Teilen unausgefüllt eingereicht hat. Die Formularspalten „Zeitansatz/Stunden, Löhne, Geräte, Sonstiges“ wurden nicht ausgefüllt, soweit die Antragstellerin eine Leistungserbringung mit Nachunternehmern vorgesehen hat. Das eingereichte Formular ist mithin in weiten Teilen unvollständig.

Infolge der Nicht-Eintragung der geforderten Angaben und Erklärungen fehlen diese i.S.v. § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, denn ein Fehlen ist nicht nur dann gegeben, wenn ein gefordertes Dokument, hier das Formblatt 223, in Gänze nicht eingereicht wird, sondern auch im Falle von nicht vollständig vorgenommenen Eintragungen. Nicht das gesamte Formblatt 223 ist die abzugebende Erklärung, sondern dieses besteht aus einer Vielzahl einzutragender Einzelerklärungen.

Aufgrund des Umfangs der fehlenden Einzelangaben gebe es vorliegend keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob eine geringfügige Auslassung möglicherweise dazu führen könnte, von einem Angebotsausschluss absehen zu können. Eine solche Fallgestaltung liege nicht vor.

4. Keine Nachforderung möglich

Eine Nachforderung der unterbliebenen Angaben komme nicht in Betracht. Die Nachforderungsmöglichkeit sei nur eröffnet in Bezug auf Unterlagen, die mit dem Angebot einzureichen sind. Grund hierfür sei, dass die Bieterunternehmen im Rahmen der Angebotserstellung regelmäßig unter hohem Zeitdruck stünden, so dass typischerweise versäumt werden kann, alle geforderten Unterlagen und Erklärungen mit dem Angebot einzureichen. Eine Situation erhöhten Zeitdrucks bestehe indes nicht mehr, wenn der Auftraggeber erst nach Angebotsabgabe Erklärungen anfordert (unter Hinweis auf: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016 – Verg 37/14).

Dieser Rechtsgedanke habe Eingang in die vergaberechtlichen Vorschriften gefunden. Gem. § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, gibt es keine Nachforderung, wenn die Erklärungen erst auf gesondertes Anfordern nach Angebotsabgabe einzureichen sind. Ebenso wenig kommt eine Aufklärung nach § 15 EU Abs. 3 VOB/A in Betracht, denn um den Fehler zu heilen, müsste das Formblatt 223 um die fehlenden Preisangaben ergänzt werden. Eine Vervollständigung einer unvollständigen Preisaufschlüsselung gehe allerdings über eine bloße Aufklärung hinaus.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

III. Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung der Vergabekammer bekräftigt das Recht des Auftraggebers, im Rahmen eines Vergabeverfahrens die Aufschlüsselung des Preises nach seinen Kriterien zu fordern. Dies kann im Ergebnis auch nicht anders sein, weil der Auftraggeber die Verantwortung für den Beschaffungserfolg trägt. Sachgerecht kann er das nur, wenn er die Angebote inhaltlich vor dem Vertragsschluss prüfen kann. Ein wichtiges Kriterium ist hierbei die kaufmännisch nachvollziehbare Kalkulation. Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass die Schlüsselung der Preise Bieter und deren Subunternehmer belastet. Außerdem gibt es nicht selten Befindlichkeiten, die Kalkulation offen zu legen.

Vergabestellen sind deshalb gut beraten ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ die Aufschlüsselung der Preise von Unterauftragnehmern nur bei dem Zuschlagskandidaten zu fordern. Auch sollten sie gut überlegen, ob eine Aufschlüsselung notwendig ist, oder ob mit Blick auf die nachgefragte Leistung darauf verzichtet werden kann.

Titelbild: BCFC – shutterstock.com