Der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im EU-Binnenmarkt ist in den letzten zehn Jahren zurückgegangen. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht, der im Dezember 2023 erschienen ist. Die Kommission hat inzwischen auf die Mängelliste geantwortet.
Anlass des Berichts
Der Sonderbericht ist Ergebnis einer Prüfung zur Fragestellung, inwieweit öffentliche Aufträge im EU-Binnenmarkt fünf Jahre nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Vergaberichtlinien in nationales Recht im Wettbewerb vergeben wurden.
Dabei wurde der Zeitraum 2011 bis 2020 betrachtet. Bewertet wurden auch Maßnahmen, die von Kommission und Mitgliedstaaten ergriffen wurden, um zu ermitteln, wodurch wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren behindert werden und wie diese Hemmnisse beseitigt werden können, damit ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt werden kann.
Ziele nicht erreicht
Insgesamt gelangt der Rechnungshof zu dem Schluss, dass mehrere Ziele der Reform von 2014 noch nicht erreicht wurden, so dass die Richtlinien von 2014 seit ihrem Inkrafttreten keine nachweisbare Wirkung entfaltet hätten.
Insbesondere sei der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt in den Jahren von 2011 bis 2020 zurückgegangen. Die Zahl der Verfahren mit nur einem Bieter sei insgesamt erheblich gestiegen. Aufträge würden in den meisten Mitgliedstaaten in großem Umfang direkt vergeben. Eine direkte grenzübergreifende Auftragsvergabe zwischen den Mitgliedstaaten erfolge nur in begrenztem Maße.
Bieter und öffentliche Auftraggeber seien der Ansicht, dass Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach wie vor mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden sind. Der Anteil von KMU, die sich an den Ausschreibungen beteiligen, sei nicht wesentlich gestiegen. Strategische Aspekte, etwa ökologischer, sozialer oder innovativer Art, würden selten berücksichtigt.
Es fehlte das Bewusstsein dafür, dass Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen die Voraussetzung für die Erzielung eines optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnisses bildet, so der Rechnungshof.
Datenqualität und -nutzung unzureichend
Bei seiner Prüfung stellte der Rechnungshof außerdem fest, dass die Kommission ihre Überwachung der Vergabe öffentlicher Aufträge verbessern muss: Nach wie vor würden nur unzureichend Daten über die vergebenen Aufträge erhoben, nicht alle Daten seien korrekt. Die Überwachungsinstrumente der Kommission wiesen Mängel auf, die deren Wirksamkeit und Transparenz einschränken.
Aber auch die verfügbaren Daten würden von Kommission und Mitgliedstaaten nicht systematisch genutzt, um die Ursachen des begrenzten Wettbewerbs zu ermitteln, sondern nur vereinzelte Maßnahmen zum Abbau von Wettbewerbshindernissen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ergriffen.
Empfehlungen an die Kommission
Der Rechnungshof fordert die Kommission auf,
- die Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge klar festzulegen und zu priorisieren;
- die Lücken bei den über die Vergabe öffentlicher Aufträge erhobenen Daten zu schließen;
- ihre Überwachungsinstrumente zu verbessern, um eine bessere Analyse zu ermöglichen;
- die Ursachen eingehender zu analysieren und Maßnahmen zur Überwindung der wichtigsten Wettbewerbshindernisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorzuschlagen.
Erwiderung der Kommission
In ihrer Erwiderung verweist die Kommission auf die Heterogenität des öffentlichen Beschaffungswesens, welche eine Einschätzung des Wettbewerbs auf dem Markt für öffentliche Aufträge und der Effizienz der öffentlichen Ausgaben erschweren würde.
Schulungen und Broschüren
Ungeachtet dessen verfolge die Kommission eine Reihe von Maßnahmen und Initiativen zur Professionalisierung der öffentlichen Auftraggeber. Genannt werden hier neben der an einige Mitgliedstaaten gerichteten Empfehlung, Strukturreformen zu verabschieden, auch Schulungen und weitere Ausbildungsmöglichkeiten. Hinsichtlich der strategischen Beschaffung habe die Kommission im Jahr 2022 außerdem zwei Broschüren über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Start-up-Unternehmen veröffentlicht.
Beteiligung von KMU
Zusätzliche Maßnahmen habe die Kommission ergriffen, um die Beteiligung von KMU an öffentlichen Beschaffungsmärkten zu erhöhen. Beispielhaft nennt sie den Vorschlag für eine Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Im Kontext ihres KMU-Entlastungspakets hat die Kommission ferner angekündigt, dass sie die Anwendung standardisierter Vergabevorschriften und -bedingungen fördern wird, die für KMU geeignet sind, um deren Beteiligung an der Vergabe öffentlicher Aufträge zu verbessern.
Als „fragwürdig“ bezeichnet die Kommission selbst die Praxis öffentlicher Auftraggeber, in vielen Fällen den niedrigsten Preis als Zuschlagskriterium ansetzen; das gelte insbesondere, wenn es um komplexere Waren oder Dienstleistungen geht.
Datenqualität: Abhilfe durch eForms
Hinsichtlich der Datenqualität stimmt die Kommission den Bemerkungen des Rechnungshofes zu, weist aber auch darauf hin, dass TED-Daten auch eine größere Zahl von Bekanntmachungen unterhalb der EU-Schwellenwerte umfassen, die nicht in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fallen. Dies könne erhebliche Auswirkungen auf die Überwachungsindikatoren haben. Insgesamt geht die Kommission von einer Verbesserung der Datenqualität nach Einführung von eForms aus.
Quellen und Links
- Sonderbericht 28 des Europäischen Rechnungshofs: Öffentliches Auftragswesen in der EU
- Antworten der Europäischen Kommission auf den Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs
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Titelbild: Kelly Sikkema – Unsplash