Langzeitarchivierung und AVA-Tools in ein VMS integrieren

Im vierten Teil unserer Reihe zur Integration von Drittsystemen in ein Vergabemanagementsystem (VMS) blicken wir auf das Thema Langzeitarchivierung und die Integration von den im Baubereich verbreiteten AVA-Tools.

Vergabemanagement- und Langzeitarchivsysteme

Das Thema Langzeitarchivierung stellt sich im Regelfall nicht unmittelbar für die E-Vergabe sondern viel umfassender auch für eine Reihe anderer Fachanwendungen. Denn vielfach werden die Langzeitarchive nicht direkt über Schnittstellen an eine Vergabemanagementsystemlösung angebunden, sondern über die Dokumentenmanagement- beziehungsweise E-Akte-Lösung. Dies hat den Vorteil, dass nicht eine Schnittstelle pro Fachanwendung, sondern nur eine Schnittstelle zwischen DMS- / E-Aktensystem und dem Langzeitarchiv umgesetzt werden muss. Diese Szenarien sollten daher bereits in der Konzeptions- und Projektphase durchdacht werden.

Soll die E-Vergabeakte aus einem Vergabemanagementsystem direkt in ein Langzeitarchiv überführt werden, so müssen die rechtlichen und technischen Mindestanforderungen an die Langzeitarchivierung auch im Vergabemanagementsystem beachtet werden.

Dabei ist der technische Aufwand nicht zu unterschätzen. So ist sicherzustellen, dass die Dateiformate auch nach vielen Jahren noch maschinell verarbeitet werden können. Ebenso sind die rechtlichen Anforderungen der Aufbewahrung hoch. Sofern man den Weg einer direkten Anbindung der E-Vergabe über eine Schnittstelle an das Langzeitarchiv gehen möchte, ist es ratsam, dass man sich bereits in der Planungsphase tiefergehend mit diesen Anforderungen befasst, um zumindest die gröbsten Probleme und Thematiken nicht unbeachtet zu lassen.

Fast noch wichtiger als die technische Verarbeitung von in einem Vergabemanagementsystem (VMS) strukturiert erfassten Daten ist die Auswahl und das Management von Dateiformaten, die von Vergabestellen hochgeladen werden. Auch hier muss, insbesondere wenn das Ziel einer Langzeitarchivierung besteht, sichergestellt werden, dass auch diese Dokumente in Zukunft eingesehen und gelesen werden können. Aus diesem Grund sollten offene Standardformate wie PDF, PDF/A, TXT und XML immer dann bevorzugt werden, wenn dies möglich ist. Im Gegensatz dazu sollten proprietäre und insbesondere nicht gängige Dateiformate vermieden werden.

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Weiterführende Quellen zum Thema Langzeitarchivierung

Einen guten Einstieg in das Thema Langzeitarchivierung (LZA) bildet mit nestor ein Kooperationsverbund verschiedener Institutionen aus unterschiedlichen Bereichen, der sich mit dem Thema „Digitale Langzeitarchivierung“ auseinandersetzt.

Ebenso wird man bei dem Thema LZA um das Standard-Referenzmodell eines dynamischen Archivierungssystems, das sog. OAIS (Open Archival Information System bzw. Offenes Archiv-Informations-System) nach ISO-Standard 14721:2012 nicht umhinkommen, welches als wichtiger Standard für die elektronische und erweiterbare Archivierung gilt.

Vergabemanagementsysteme und AVA-Systeme

Gerade für Vergabestellen, die auch oder überwiegend im Baubereich beschaffen, und sogenannte AVA-Lösungen für die Gestaltung der Leistungsverzeichnisse einsetzen, sollte bereits in der Frühphase eines E-Vergabeprojekts überlegt werden, ob eine Einbindung der eingesetzten AVA-Software tatsächlich erforderlich ist.

Was leisten AVA-Tools?

Die Abkürzung AVA steht für Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung. Sie bezeichnet die wesentlichen Schritte zur Fertigstellung eines Gebäudes. AVA-Tools dienen dabei im Wesentlichen zur Erstellung von (Bau-)Leistungsverzeichnissen für die Ausschreibung in Form von GAEB -Dateien.

Diese Dateien werden in unterschiedlichen Phasen unter anderem mit den Bietern ausgetauscht. Die jeweiligen Austauschphasen sind über entsprechende Dateiendungen erkennbar. So kennzeichnet eine .d83- (bzw. .p83 oder x83) Datei die Angebotsaufforderung, entsprechend kennzeichnet die Dateiendung .d84 (bzw. p84 oder x84) ein Haupt- und .d85 (bzw. p85 oder x85) ein Nebenangebot.

Auf Basis der GAEB-Dateien der Bieter kann die AVA-Software die unterschiedlichen Angebote gegenüberstellen und so einen Preisspiegel anzeigen bzw. die (preisliche) Wertung der Angebote unterstützen.

Integration von AVA-Tools

Für die Integration von AVA-Tools in E-Vergabe-Systeme gibt es unterschiedliche Anwendungsszenarien. Es empfiehlt sich, den abzubildenden Prozess im Detail anschauen und zu prüfen, ob und in welcher Tiefe ein AVA-Tool integriert werden soll.

E-Vergabe-Systeme sollten die Möglichkeit bieten, solche GAEB-Dateien in unterschiedlichen Formaten direkt in der Software anzeigen zu können. Die Bearbeitung solcher GAEB-Dateien sollte jedoch nicht in der E-Vergabeplattform oder einem Vergabemanagementsystem selbst, sondern in den AVA-Lösungen der Vergabestelle oder dessen Projektanten, die das Leistungsverzeichnis erstellt haben, oder der Bieter erfolgen, die ein Angebot kalkulieren, da bezogen auf die GAEB-Dateien regelmäßig die AVA-Lösung das „führende“ System ist.

Fallbeispiel: Dateninkonsistenzen verhindern

Nur so können Dateninkonsistenzen verhindert werden, was folgendes Beispiel verdeutlicht:

Ein Fachbereich oder ein externer Bauingenieur erstellt das Leistungsverzeichnis auf Basis einer GAEB-Datei (im Format x83). Dieses wird an die Bieter übermittelt, von denen entsprechende Hauptangebote mit Hilfe des Dateiformats .x84 eingereicht werden.

Böte eine E-Vergabe-Lösung die Möglichkeit, das Leistungsverzeichnis auch innerhalb dieser Systeme zu ändern, so könnten auf dieser Basis kalkulierte Hauptangebote nicht mehr in das AVA-System für eine Preisprüfung und -wertung sowie zur Erstellung eines Preisspiegels importiert werden. Denn aus Sicht des AVA-Programms passen die Angebote nicht mehr zum Leistungsverzeichnis, die Daten wären inkonsistent.

Unterschiedliche Prozesstiefen möglich

Bei einigen Herstellern von E-Vergabesystemen können AVA-Lösungen über Standardschnittstellen an die E-Vergabe angebunden werden, allerdings ohne, dass die GAEB-Dateien selbst verändert werden. Auch hier gibt es sehr unterschiedliche Prozesstiefen von der Übertragung der GAEB-Datei in die E-Vergabe bis hin zur vollständigen Abbildung des Prozesses, in welchem die ausschreibungsrelevanten Informationen inklusive der GAEB-Dateien in die E-Vergabe übertragen werden, dort aber aufgrund der im Beispiel geschilderten Herausforderung nicht mehr änderbar sind.

Im Rahmen der Angebotsabgabe können dann die (elektronischen) Angebote einschließlich der GAEB-Dateien von den Unternehmen abgegeben werden. Prüfung und Wertung der GAEB-Dateien werden hiernach im AVA-Tool durchgeführt, welches die Dateien zum Beispiel über eine Schnittstelle erhält. Im letzten Schritt werden die verfahrensrelevanten Informationen neben einer Preisprüfung der Angebote wieder an die E-Vergabe zur Vervollständigung der E-Vergabeakte übermittelt.

Das dargestellte Anwendungsszenario stellt eine umfassende Integration der E-Vergabe mit der AVA-Software dar. Grundsätzlich gibt es neben diesem Standardprozess noch eine Vielzahl an weiteren Anwendungs- und Integrationsszenarien; teilweise sogar solche, die die E-Vergabe, AVA-Tools und ERP-Systeme miteinander sinnvoll verschränken.

Durch den bereits seit vielen Jahren im Baubereich bewährten Einsatz von AVA-Tools und des GAEB-basierten Datenaustauschstandards bietet diese Integration in der Praxis aber meist den geringsten Nutzen und wird von öffentlichen Auftraggebern daher relativ niedrig priorisiert, da sich die Bau-Leistungsverzeichnisse auf Basis des GAEB-Standards ähnlich Leistungsbeschreibungen auf Basis von Word- oder PDF-Dateien auch leicht als „externe Datei“ in eine E-Vergabe-Lösung hochladen lassen.

Hinzu kommt, dass die Zahl der marktgängigen AVA-Lösungen deutlich größer ist als die Zahl der marktgängigen ERP- oder HKR-Anwendungen. Das macht es für alle Anbieter schwieriger, Standardschnittstellen zu definieren.

Titelbild: Clint Adair – Unsplash