Es lohnt sich, regelmäßig den Blick nach Brüssel zu richten, denn der Strom an Richtlinien, Verordnungen und weiteren Maßnahmen, welche die öffentliche Beschaffung betreffen, reißt nicht ab.

Im vierten Teil der Reihe stellen wir einen Vorschlag der Europäischen Kommission an den Europäischen Rat vor. In ihm spricht sie Empfehlungen zur Entwicklung von Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft aus, die auch die öffentliche Beschaffung betreffen.

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Der Vorschlag ist Teil des Aktionsplans der Europäischen Kommission für die Sozialwirtschaft aus dem Jahr 2021. Darin schlug die Kommission Schritte vor, die bis 2030 unternommen werden sollen, um soziale Innovation zu fördern und die Sozialwirtschaft in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Transformationskraft zu stärken.

Dafür sollen Bedingungen geschaffen werden, die Gründungen und Erweiterungen von Sozialunternehmen erleichtern und das Bewusstsein für das Potenzial der Sozialwirtschaft zu schärfen.

Was ist Sozialwirtschaft?

Sozialwirtschaft wird als Sektor verstanden, der private Einrichtungen umfasst, die unabhängig von der öffentlichen Hand sind und Waren sowie Dienstleistungen für ihre Mitglieder oder die Gesellschaft anbieten.

Deren Tätigkeit basiert dabei auf Grundsätzen und Merkmalen, die sich durch den Vorrang des Menschen sowie eines sozialen oder ökologischen Zwecks vor dem Gewinn auszeichnen. Ein Großteil der Gewinne und Überschüsse wird reinvestiert, um soziale oder ökologische Zwecke zu fördern und Aktivitäten im Interesse der Mitglieder und Nutzer und der Gesellschaft insgesamt durchzuführen. Ein weiteres Merkmal ist die demokratische beziehungsweise partizipative Führung dieser Einrichtungen.

Zu diesen Einrichtungen zählen Genossenschaften, so genannte Gegenseitigkeitsgesellschaften, Vereine, Stiftungen und Sozialunternehmen. Die rund 2,8 Millionen Einrichtungen dieser Art beschäftigen in Europa etwa 13,6 Millionen Menschen.

Ziele des Aktionsplans

Mit dem Aktionsplan wird das Ziel verfolgt, den Zugang zum Arbeitsmarkt und die soziale Inklusion zu fördern. Dafür werden den Mitgliedstaaten Orientierungshilfen für die Förderung günstiger politischer und rechtlicher Rahmenbedingen für die Sozialwirtschaft und Maßnahmen zur Erleichterung ihrer Entwicklung an die Hand gegeben. Zu den Maßnahmen zählt der Zugang für in der Sozialwirtschaft tätige Einrichtungen zu Märkten und öffentlichen Aufträgen.

Maßnahmen der öffentlichen Beschaffung

Das Dokument hat bezogen auf öffentliche Auftraggeber überwiegend empfehlenden Charakter. So sollen sie für den Mehrwert einer sozial verantwortlichen Vergabe öffentlicher Aufträge sensibilisiert und zum Hinweis auf die spezifischen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträge in den Ausschreibungsunterlagen ermutigt werden.

Allerdings sollten öffentliche Auftraggeber „die flexiblen Bestimmungen des bestehenden Rechtsrahmens der Union“ auch besser nutzen, etwa indem sie transparente und inklusive Marktkonsultationen durchführen, oder Aufträge durch Anwendung der Artikel zu vorbehaltenen Aufträgen gezielt an auf Arbeitsmarktintegration spezialisierte Sozialunternehmen vergeben.

Dabei handelt es sich um den Artikel 24 der Richtlinie 2014/23/EU, die Artikel 20 und 77 der Richtlinie 2014/24/EU und die Artikel 38 und 94 der Richtlinie 2014/25/EU, die Mitgliedstaaten – vereinfacht gesagt – die Möglichkeit einräumen, die Teilnahme an Vergabeverfahren Sozialunternehmen vorzubehalten.

Zu weiteren empfohlenen Maßnahmen zählt die Festlegung inklusiver Eignungskriterien, um kleinen und innovativen Sozialunternehmen die Möglichkeit zu geben, sich um Aufträge zu bewerben sowie die Festlegung sozialer Zuschlagskriterien und sozialer Vertragsklauseln.

Überdies sollten Aufträge in Lose unterteilt werden, um auch die Zusammenarbeit zwischen klassischen Unternehmen und sozialwirtschaftlichen Einrichtungen zu erleichtern.

Natürlich ist eine Verschärfung dieser Anforderungen im Zuge des weiteren legislativen Verlaufs nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Über dessen Fortgang halten wir Sie im cosinex Blog auf dem Laufenden. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit auch diese Maßnahme der EU Einzug in das Vergabetransformationspaket findet.

Quellen und Links

Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash