Die Integration von Enterprise Resource Planning-Lösungen und Systemen zum Bedarfsmanagement in ein Vergabemanagement gehört sicher zu den interessantesten Nutzungsszenarien. Im zweiten Teil unserer Beitragsreihe zur Integration in Drittsysteme beleuchtet der Leiter für Projekte, Service & Support bei der cosinex, Thorsten Schneider, Chancen und mögliche Fallstricke.

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Standardszenarien der Bedarfsmeldung

Kern eines Vergabemanagementsystems ist die Unterstützung bei der strukturierten, workflowbasierten Durchführung und Dokumentation von Vergaben. Zwar umfasst dies die Erfassung und Strukturierung von Bedarfen, das gilt aber für die Ebene der Beschaffungs- oder Vergabestelle. Diese Bedarfserfassung ist nicht mit einer tiefergehenden und strukturierten Bedarfsmeldung durch die Bedarfsträger selbst zu vergleichen.

Die eigentlichen Bedarfsträger erfassen beziehungsweise melden ihre Bedarfe häufig mit Hilfe von Word- oder Excel-Formularen oder in vorgelagerten Drittsystemen. In diesem Fall ist die Mittelbindung beziehungsweise Mittelvorbindung überdies in aller Regel nicht vom Vergabemanagementsystem abgedeckt, sondern kann in diesem nur dokumentiert werden.

Skizzierung eines Standardszenarios zur Übermittlung der Bedarfsmeldung oder Bestellanforderung aus einem ERP-System, Dokumentenmanagementsystem (DMS) oder Bedarfsmeldungsportal.

Bei der Anbindung eines Bedarfsmanagements an ein Vergabemanagementsystem können zwei Anwendungsfälle unterschieden werden:

  1. Die Nutzung einer integrierten Funktion Bedarfsmanagement zur strukturierten Erfassung und Abbildung von Bedarfsmeldungen, Genehmigungsprozessen u.v.m..
  2. Die Anbindung von Drittsystemen zur strukturierten Erfassung einer Bedarfsmeldung (BM) oder Bestellanforderung (BANF) und Übergabe dieser Informationen über eine Schnittstelle an ein Vergabemanagementsystem.

Modular direkt im E-Vergabe-System

Vielfach bilden Module, etwa das Modul Bedarfsmanagement der cosinex, die direkte Bestandteile eines Vergabemanagementsystems sind, die vergaberechtlichen Aspekte einer Bedarfsmeldung deutlich besser ab und sind aufgrund ihres Aufbaus intuitiver zu nutzen. Zudem kann der Bedarfsmelder in den späteren Prozess der Vergabe eingebunden werden, etwa um bei der weiteren Ausarbeitung einer Leistungsbeschreibung mitzuwirken, bei beschränkten Verfahren Unternehmen vorzuschlagen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen oder um bei der Wertung der Angebote zu unterstützen.

Diese Module sind in der Praxis jedenfalls dann zu präferieren, wenn in der Organisation noch kein ERP-System vorhanden ist, mit dem auch der Prozess der Bedarfsmeldung unterstützt werden kann.

Der Nachteil bei dieser Abbildung des Bedarfsmanagements innerhalb einer Gesamtlösung für die öffentliche Beschaffung ist, dass für eine Mittelvorbindung in der entsprechenden Lösung für das Haushalts-, Kassen und Rechnungswesen eine Schnittstelle hierhin zu realisieren ist, die bei Einsatz von ERP-Systemen meist dann schon bestehen, wenn diese vom gleichen Anbieter die das HKR-System stammen.

Anbindung von Drittsystemen

Bei der Anbindung von ERP-Systemen, wie sie SAP, MACH, Oracle und andere anbieten, gibt es eine Reihe weiterer Anwendungsszenarien. So kann die Tiefe der Verbindung zwischen einer E-Vergabe-Lösung und einem ERP-System stark variieren. Als Anwendungsfälle sind denkbar:

  • Bedarfsmeldung im ERP-System wird an E-Vergabe übergeben und stößt Vergabeverfahren/Vergabeakte an
  • Zuschlag im Vergabeverfahren stößt Auftrag im ERP-System an
  • Austausch der Lieferantenstammdaten zwischen den Systemen
  • Austausch von Nachrichten etwa über den Status eines Vergabeverfahrens

Was die Komplexität der jeweiligen Use-Cases betrifft, so gilt, dass diese umso größer ist, je mehr Stammdaten betroffen sind, die zeitgleich in beiden Systemen bearbeitet und zwischen ihnen ausgetauscht werden müssen. Im Bereich der E-Vergabe bzw. dem Vergabemanagement gilt dies insbesondere für den Abgleich von Lieferantendaten/Kreditoren im ERP- bzw. HKR-System einerseits und der Bieter- bzw. Bewerberverwaltung im Vergabemanagementsystem anderseits, die zwar Schnittmengen, aber keine gleichen Datenbestände aufweisen. So wird im Regelfall nicht gewünscht sein, dass jeder Bewerber, der im VMS zwingend geführt werden muss, der aber noch nie einen Auftrag erhalten hat, automatisch im HKR-System als Kreditor angelegt.

Auch hier: Auf Standardschnittstellen setzen

In der Praxis empfiehlt sich bei der Anbindung eines ERP-Systems an ein Vergabemanagementsystem, auf Standardschnittstellen des Herstellers zu setzen – soweit vorhanden. Gerade für die verbreiteten ERP-Systeme sind solche Standardschnittstellen meist schon bei unterschiedlichen Organisationen im Einsatz und somit im Alltag erprobt. Wie im Einstiegsartikel dieser Reihe eingeführt, sind die Kosten für die Einrichtung solcher Schnittstellen vielfach deutlich geringer als Eigenentwicklungen für nur eine Organisation.

Teilweise sind die Standardschnittstellen bei verschiedenen Herstellern so aufgebaut, dass bestimmte Funktionalitäten der Schnittstelle via Parametrisierung oder Konfiguration aktiviert oder ausgeschaltet werden können. Gerade bei Standardschnittstellen kann in aller Regel davon ausgegangen werden, dass es eine umfassende Dokumentation gibt, auf deren Basis der ERP-Hersteller sie integrieren kann.

Im Anwendungsfall der Bedarfsmeldung beziehungsweise Bestellanforderung aus dem ERP-System werden vom Bedarfsmelder die notwendigen Informationen im ERP-System mittels eines Warenkorbs erfasst. Nach Erfassung und – falls erforderlich – Genehmigung wird anhand verschiedener Faktoren entschieden, ob er ausgeschrieben und damit an ein Vergabemanagementsystem übertragen werden muss.

Mehr Transparenz, mehr Möglichkeiten

Bei der Übertragung über die Schnittstelle sollte berücksichtigt werden, dass neben Leistungspositionen auch Dokumente wie Leistungsbeschreibungen oder Vermerke übertragen werden können. Erst mit dem Zuschlag oder der Aufhebung werden die relevanten Verfahrensinformationen wieder an das ERP-System zur weiteren Verarbeitung übertragen.

Die strukturiere Erfassung und Verarbeitung von Bedarfsmeldungen in integrieren Modulen oder innerhalb von ERP-Systemen führt zu deutlich mehr Transparenz über die zu beschaffenden Gegenstände.

Bisweilen kann durch die damit einhergehenden Möglichkeiten der Auswertung das Bedarfs- und Beschaffungsmanagement völlig neu gedacht werden: Solche Controlling- und Auswertungsmöglichkeiten können zu besseren Möglichkeiten der Bedarfsbündelung, zu mehr Transparenz hinsichtlich der Anzahl und Menge an Beschaffungsanträgen und zur besseren Nutzung von Rahmenverträgen führen. Zudem kann die Qualität der Beschaffungsanträge und der Leistungsbeschreibungen durch die Prozessunterstützung deutlich verbessert werden.

Ausblick auf die Artikelreihe

In den folgenden Wochen werden wir weitere Integrationsszenarien vertieft behandeln und praxisnah beleuchten, wie die Integration eines VMS gelingt zu:

  • Dokumentenmanagementsystemen bzw. der E-Akte
  • Lösungen im Bereich der E-Rechnung
  • Vertragsmanagementlösungen
  • u.v.m.

Titelbild: Bohdan – Adobe Stock