Open Data: Auch Vergabedaten stehen zunehmend offen zur Verfügung.

Zum Auftakt unserer Artikelreihe zur Integration eines Vergabemanagementsystems (VMS) in Drittsysteme erläutert der Leiter für Projekte, Service & Support bei der cosinex, Thorsten Schneider, wie ein schrittweises Vorgehen den Projekterfolg sichert – und warum Medienbrüche wirtschaftlich sein können.

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Bei der Planung eines Vergabemanagementsystems für eine Organisation wird häufig das Bild einer weitgehend integrierten Systemlandschaft gezeichnet. Dabei wird mit einer bereits vorhandenen oder zukünftigen Systemlandschaft geplant, die beispielsweise ERP-, Dokumentenmanagement- oder Archivlösungen, AVA-Tools, Lösungen im Bereich Projekt- und Vertragsmanagement und vieles mehr umfassen kann.

Dieses Vorgehen kann sinnvoll und notwendig sein, um ein ganzheitliches Zielbild zu erhalten, nicht selten wird jedoch der Wirtschaftlichkeit bei der Aufnahme der Anforderungen einer Integration von Drittsystemen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Das gilt sowohl bezogen auf den Nutzen einerseits als auch auf die prozessualen Auswirkungen andererseits.

Schrittweises Vorgehen sichert Projekterfolg

Auch bei der Einführung eines VMS gilt in den meisten Fällen das Pareto-Prinzip, wonach 80 % des Nutzens mit 20 % des Aufwands erreicht werden können. Sehr häufig müssen für die verbleibenden 20 % des Nutzens – aufgrund individueller Schnittstellen oder Anpassungen – wiederum 80 % des Aufwands investieren werden.

Die Einführung eines VMS ist ohne eine Integration in Drittsysteme sinnvoll möglich. Nach erfolgter Einführung empfiehlt sich ein weiterer schrittweiser Ausbau für eine tiefere Integration in bestehende Drittsysteme. Dadurch können manuelle Datenübergaben und das Kopieren von Daten zwischen verschiedenen Lösungen vermieden werden.

In manchen Fällen zeigt die Prozessanalyse, dass zum Beispiel bei der Integration von Systemen der Integrationsaufwand die Einspareffekte durch eine automatisierte Datenübergabe und -übernahme deutlich übersteigt. So kann es sein, dass das anzubindende System aufgrund seiner Struktur bei Datenübergabe oder -rückgabe deutlich mehr Informationen benötigt als im bisherigen Prozess erfasst werden. Im Ergebnis können dann zwar einzelne Daten automatisiert übergeben werden, diese müssen aber – vereinzelt umfangreich – durch weitere Angaben ergänzt werden.

Medienbrüche können wirtschaftlich sein

Ein gutes Beispiel für unterschiedliche und bereits früh zu berücksichtigende Datenstrukturen sind das Verständnis von Bedarfsanforderungen oder Bedarfsmeldungen in ERP-Systemen auf der einen Seite und die vergaberechtlichen Varianten auf der anderen Seite. So gehen ERP- und Warenwirtschaftssysteme häufig davon aus, dass eine Bedarfsmeldung einer Bestellung bei einem Lieferanten entspricht. Die vergaberechtlich häufig gebotene Bündelung in einer Vergabe, eine spätere Losaufteilung und nicht zuletzt Sonderfälle wie Rahmenverträge mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern lassen das einfache Verständnis von Bedarfsanforderung = Bestellung = Lieferant mit Blick auf eine Integration mit Vergabemanagementlösungen anspruchsvoll erscheinen. Jedenfalls sind solche Aspekte bereits sehr früh in der ersten Spezifikationsphase zu berücksichtigen.

Vielleicht auch deswegen zeigt sich nicht selten bei größeren Projekten, dass den anfänglich als zwingend notwendig erachteten Schnittstellen nach Einführung und Nutzung keine hohe Priorität mehr beigemessen wird. Dafür ist an anderer Stelle zuvor unerkannter Integrationsbedarf entstanden. Im Sinne moderner agiler Vorgehensmodelle sollte daher auch hier nach jeder Phase (jedem „Sprint“) eine Neubewertung der ursprünglichen Anforderungen erfolgen.

Nach jeder Phase die Vor- und Nachteile jeder Schnittstelle prüfen

Insofern sollte bei der Betrachtung nach Abschluss einer Phase immer auch geprüft werden, ob mit einer automatisierten Übergabe von Daten über eine Schnittstelle die geplanten Nutzenvorteile gehoben werden können. Gerade bei größeren Integrationsprojekten empfiehlt sich stets auch eine strukturierte Ex-Post-Überprüfung des Erreichten.

Im Rahmen der phasenweisen Einführung sollte die Integration so geplant werden, dass zunächst die Drittsysteme mit dem höchsten Nutzen angebunden werden. Nach Abschluss jeder Phase scheint prüfenswert, ob die weiteren Schritte einer Integration im Hinblick auf den Gesamtprozess noch sinnvoll und wirtschaftlich sind.

Die Vorteile der phasenweisen Einführung

Die Einteilung des Projekts in unterschiedliche Phasen führt dazu, dass eine rasche Einführung der Lösung selbst sichergestellt ist und dass die Nutzer frühzeitig Erfahrungen sammeln und mit diesen Erfahrungen bisherige Annahmen zur Einbindung von Drittsystemen kritisch prüfen können.

Die gehobenen Potentiale werden durch eine phasenweise Einführung überdies früher sichtbar. So können folgende Phasen, die möglicherweise durch eine stärkere und umfassendere Integration geprägt sind, leichter vermittelbar werden. Darüber hinaus werden Projektrisiken deutlich minimiert. Der Fokus liegt klar auf der Zielsetzung der jeweils folgenden Projektphase. Schrittweises Vorgehen ermöglicht überdies besseres Controlling, eine Ex-Post-Betrachtung und eine etwaige Nachjustierung.

Die Vorteile von Standardschnittstellen

Die Anbindung oder Integration von Drittsystemen kann auf unterschiedlich Arten und Weisen erfolgen. Hierbei spielen die abzubildenden Prozesse, das Ziel und der Fokus der Integration eine wichtige Rolle.

Vielfach gibt es bei den Herstellern von Vergabemanagementsystemen heute bereits Standardszenarien und -schnittstellen. Insofern sollte bereits im Vorfeld der Ausschreibung – zum Beispiel im Rahmen der Markterkundung – nach verfügbaren Standardschnittstellen gesucht werden, die beträchtliche Kostenvorteile mit sich bringen können.

Selbst wenn bestehende Standardschnittstellen im konkreten Anwendungsfall oder für bestehende Drittsysteme nicht 1:1 genutzt werden können, ist eine Anpassung solcher Schnittstellen an das Anwendungsszenario im Regelfall deutlich wirtschaftlicher als eine vollständige Neuimplementierung.

Bei entsprechend ausgereiften Systemen sind Standardschnittstellen bereits so ausgelegt, dass sie durch Systemadministratoren einfach aktiviert und über Parameter so konfiguriert werden können, dass mit ihnen auch die Anbindung verschiedener Systeme und Anwendungsfälle abbildbar wird.

Werden Standardschnittstellen genutzt, so besteht oft auch auf der Seite der zu integrierenden Drittsoftware bereits eine Schnittstelle oder zumindest Wissen über die Realisierung der Schnittstelle. Insofern kann die Nutzung von Standardschnittstellen die Wirtschaftlichkeit auch von Medienbrüchen deutlich verbessern.

Datenumfang prüfen

Bei jeder Anbindung von Drittsystemen sollte zudem der Umfang der Daten kritisch geprüft werden, die zwischen den Systemen auszutauschen sind. Im Rahmen der Anforderungsanalyse wird dabei mit Blick auf zukünftige oder mögliche Nutzungsszenarien tendenziell sehr umfassender Datenaustausch definiert.

Unberücksichtigt bleibt häufig, dass für jeden Datensatz und jedes Datenfeld eine eigene Datensemantik definiert werden muss: Wie werden Daten zwischen Systemen synchron gehalten? In welchem System dürfen welche Daten bearbeitet werden und wann?

Daher sollte innerhalb der Konzeptionsphase für jeden Datensatz geprüft werden, ob die zu übertragenden Daten in beiden Systemen notwendig sind und ob ein Transfer dieser Daten erforderlich ist. Der Fokus sollte dabei auf den Daten liegen, die einen unmittelbaren Nutzen erzeugen oder aus technischen Gründen erforderlich sind.

Eine spätere Erweiterung einer erfolgreich im Einsatz befindlichen Schnittstelle ist zumeist mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich. Umgekehrt kann die Fokussierung auf einen „kleineren ersten Schritt“ die Umsetzungsdauer ebenso wie die Projektrisiken einer Schnittstellenimplementierung deutlich senken.

Ausblick auf die Artikelreihe

Eine Vielzahl an Integrationsszenarien in das Vergabemanagementsystem ist denkbar. Die wichtigsten und üblichsten Integrationsszenarien für die Anbindung von Drittsystemen in der eigenen IT-Landschaft sind1:

  • Anbindung von Bedarfsmanagement- und ERP-Systemen an Vergabemanagementsysteme
  • Schnittstellen zwischen Vergabemanagement- und Dokumentenmanagementsystemen (E-Akten)
  • Anbindung von Langzeitarchivsystemen an Vergabemanagementsysteme
  • Anbindung von AVA-Tools
  • Verbindung des E-Rechnungseingangs und der E-Vergabeplattform
  • Anbindung von Vertragsmanagementlösungen an Vergabemanagementsysteme
  • Integration von Reporting-, Statistik- und Auswertungstools

In den folgenden Wochen werden wir diese verschiedenen Integrationsszenarien in jeweils eigenen Artikeln vertieft behandeln und praxisnah beleuchten, wie die Integration eines VMS gelingen wird.

Titelbild: Nikita Gonin – stock.adobe.com

Fussnoten

  1. Hiervon nicht umfasst sind die Schnittstellen zu Drittsystemen außerhalb der IT der öffentlichen Auftraggeber wie etwa zum Amt für Veröffentlichungen der EU und zu SIMAP, zu bund.de und zu Destatis für Meldungen an die Vergabestatistik.