Die EU will die Produktion emissionsfreier Technologien durch die so genannte Netto-Null-Industrie fördern. Ein aktueller Verordnungsentwurf enthält dabei umfassende Vorgaben zur Gewichtung von Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Netto-Null-Industrie: Darum geht es

Die Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologieprodukten (Netto-Null-Industrie-Verordnung) wurde im März von der EU-Kommission vorgelegt.

Sie hat zum Ziel, einen Rechtsrahmen für die Entwicklung der Fertigung sauberer Energietechnologien in der Union zu schaffen. Dies sei ein Schritt, um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und zugleich Versorgungssicherheit in Bezug auf Netto-Null-Technologien zu gewährleisten.

Zu diesen Technologien zählt die Kommission im Anhang der Verordnung:

  1. Fotovoltaik- und solarthermische Technologien
  2. Onshore-Windkraft- und erneuerbare Offshore-Technologien
  3. Batterie-/Speichertechnologien
  4. Wärmepumpen und Technologien für geothermische Energie
  5. Elektrolyseure und Brennstoffzellen
  6. Nachhaltige Biogas-/Biomethantechnologien
  7. Technologien zur CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS)
  8. Grid-Technologien

Die Fertigungskapazitäten dieser Technologien sollen innerhalb der Union bis 2030 auf „mindestens annähernd“ 40 % des Bedarfs gebracht werden.

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Schnelle Verfahren, höchste Dringlichkeit

Der Verordnungsentwurf ist erkennbar mit dem Ziel beschleunigter Verfahren verfasst. So werden für die Dauer von Genehmigungsverfahren Fristen vorgegeben, die nicht zu überschreiten sind. Für den Bau von Projekten zur Fertigung von Netto-Null-Technologien mit einer jährlichen Fertigungskapazität von weniger als 1 GW (Gigawatt) sind dies zwölf Monate, bei mehr als 1 GW sind es achtzehn Monate. Für sogenannte strategische Projekte gelten nochmals andere Genehmigungsfristen (Art. 13).

Stellungnahmen zu Umweltverträglichkeitsprüfungen sind so bald wie möglich und innerhalb einer Frist von höchstens 30 Tagen abzugeben (Art. 7).

Mitgliedstaaten gewähren strategischen Projekten für Netto-Null-Technologien den Status der höchstmöglichen nationalen Bedeutung, sofern ein solcher Status im nationalen Recht vorgesehen ist (Art. 12).

Alle Streitbeilegungsverfahren, Gerichtsverfahren, Berufungen und Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit strategischen Projekten für Netto-Null-Technologien werden als dringlich behandelt, sofern und soweit das nationale Recht solche Dringlichkeitsverfahren vorsieht.

Auswirkungen auf öffentliche Beschaffung

Zur schnellen Erschließung der Märkte für Netto-Null-Technologien umfasst der Verordnungsentwurf in Kapitel IV Maßnahmen, um eine stabile öffentliche Nachfrage nach Netto-Null-Technologien zu schaffen.

Nachhaltigkeit und Resilienz berücksichtigen

Neben Auktionen zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen sind dies Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Der hierfür relevante Art. 19 („Beitrag zu Nachhaltigkeit und Resilienz bei Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge“) schreibt in Abs. 1 vor, dass in der Angebotswertung der „Beitrag des Angebots zu Nachhaltigkeit und Resilienz“ zu berücksichtigen ist.

Grundlage für diesen Beitrag des Angebots zu Nachhaltigkeit und Resilienz bilden die folgenden, in Abs. 2 aufgeführten Kriterien:

  1. ökologische Nachhaltigkeit, die über die in den geltenden Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen hinausgeht,
  2. wenn eine innovative Lösung entwickelt werden muss, die Auswirkungen und Qualität des Durchführungsplans, einschließlich Risikomanagementmaßnahmen,
  3. gegebenenfalls der Beitrag des Angebots zur Integration des Energiesystems,
  4. der Beitrag des Angebots zur Resilienz unter Berücksichtigung des Anteils der Produkte, die aus einer einzigen, gemäß der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates bestimmten Bezugsquelle stammen, die im letzten Jahr mit verfügbaren Daten vor dem Zeitpunkt der Ausschreibung die Bezugsquelle für mehr als 65 % der Lieferungen für diese spezifische Netto-Null-Technologie innerhalb der Union war.

Kriterien und deren Gewichtung

Die Kriterien sind „objektiv, transparent und diskriminierungsfrei“ anzuwenden. Gemäß Art. 38 („Inkrafttreten und Anwendung“) gelten die oben zitierten lit. a, b und c in Art. 19 Abs. 2 in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung nur für Aufträge,

  • die von zentralen Beschaffungsstellen im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 16 der Richtlinie 2014/24/EU1 und Art. 2 Abs. 1 Nr. 12 der Richtlinie 2014/25/EU geschlossen werden,
  • und für Aufträge, deren Wert 25 Mio. EUR oder mehr beträgt.

Lit. d ist davon ausgenommen. Er gilt also ab Inkrafttreten und für alle Aufträge im Kontext der Netto-Null-Industrie.

Abs. 3 schreibt öffentlichen Auftraggebern überdies vor, dass dem Beitrag des Angebots zu Nachhaltigkeit und Resilienz eine Gewichtung zuzuweisen ist, die zwischen 15 % und 30 % der Zuschlagskriterien liegt.

Kostenunterschiede von mehr als 10 % sind unverhältnismäßig

Der abschließende Abs. 4 entbindet öffentliche Auftraggeber wiederum von der Pflicht,

die Erwägungen in Bezug auf den Beitrag des Angebots zu Nachhaltigkeit und Resilienz von Netto-Null-Technologien anzuwenden, wenn deren Anwendung den öffentlichen Auftraggeber oder den Auftraggeber dazu zwingen würde, Ausrüstungen anzuschaffen, die unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würden oder sich in ihren technischen Merkmalen von den vorhandenen Ausrüstungen unterscheiden, was zu Inkompatibilität oder technischen Schwierigkeiten bei Betrieb und Wartung führen würde.

Öffentlichen Auftraggeber können demnach Kostenunterschiede von mehr als 10 % als unverhältnismäßig betrachten. Diese Bestimmung gelte unbeschadet der Möglichkeit, ungewöhnlich niedrige Angebote gemäß Art. 69 der Richtlinie 2014/24/EU und Ar. 84 der Richtlinie 2014/25/EU auszuschließen, und unbeschadet anderer Zuschlagskriterien gemäß den EU-Rechtsvorschriften.

Die Verordnung wurde am 14. März in das Europäische Parlament eingebracht und befindet sich aktuell in der Ausschussbefassung.

Links und Quellen

Titelbild: Olivier Le Moal – Adobe Stock

Fussnoten

  1. Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „zentrale Beschaffungsstelle“ einen öffentlichen Auftraggeber, der zentrale Beschaffungstätigkeiten und eventuell Nebenbeschaffungstätigkeiten ausübt;