Die Textform wird in den verschiedenen Vergaberegimen an unterschiedlichen Stellen vorgeschrieben.

Wie ist zu verfahren, wenn die Vergabestelle Nachrichten an einen aktiven, aber bieterseitig nicht mehr genutzten Account sendet? Die Vergabekammer des Bundes hat hierzu in einem Beschluss Stellung genommen, den Norbert Dippel praxisnah aufbereitet.

Der Autor

Norbert Dippel ist Syndikus der cosinex sowie Rechtsanwalt für Vergaberecht und öffentliches Wirtschaftsrecht. Der Autor und Mitherausgeber diverser vergaberechtlicher Kommentare und Publikationen war viele Jahre als Leiter Recht und Vergabe sowie Prokurist eines Bundesunternehmens tätig.

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Werden im Geschäftsverkehr auf Bieterseite personalisierte E-Mail-Accounts verwendet, führt dies zu einer Verengung des Kommunikationsweges auf genau diesen Mitarbeiter des Bieters. Gegebenenfalls mitbefasste Kollegen erfahren nicht einmal, dass eine Nachricht eingegangen ist. Scheidet dieser Mitarbeiter aus und wird der Account nicht gelöscht, läuft die Nachricht ins Leere – vergleichbar einem Briefkasten, der nicht mehr geleert wird.

I. Der Sachverhalt

Die Vergabestelle führte ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Uniformen durch. Hierbei nutzte sie eine Vergabeplattform, über die Nachrichten auch an einen dort hinterlegten Account der späteren Antragstellerin gesendet wurden.

Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens hat die Vergabestelle das Vergabeverfahren in das Stadium vor Angebotsaufforderung zurückversetzt. Sämtlichen Bietern wurde eine neue Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellt. Dabei nutze die Vergabestelle einen anderen auf der Vergabeplattform hinterlegten Account der späteren Antragstellerin. Dieser wurde 2017 von einem mittlerweile ausgeschiedenen Mitarbeiter der späteren Antragstellerin angelegt und in dem streitbefangenen Vergabeverfahren nicht genutzt. Deshalb erreichte die spätere Antragstellerin auch eine automatisch generierte Push-Nachricht nicht, laut der eine neue Nachricht in dem Projektraum hinterlegt worden sei. Letztlich erhielt die spätere Antragstellerin diese Unterlagen erst einige Tage später als die übrigen Bieter.

In dem anschließenden Nachprüfungsverfahren war von der Vergabekammer unter anderem darüber zu entscheiden, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, weil die Nachricht die Bieter faktisch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht hat.

Hierzu führte die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag aus, dass sie den fraglichen Account bewusst nicht für dieses Vergabeverfahren genutzt habe, da sie keinen Zugriff mehr auf diesen Account gehabt habe und keine Push-Nachricht über den Eingang der Unterlagen in Form einer E-Mail an die auf der Vergabeplattform hinterlegte Mailadresse erhalten habe. Das Vorhandensein mehrerer Accounts sei in größeren Firmen gängig und es sei für alle Beteiligten selbstverständlich, dass die Kommunikation innerhalb eines Vergabeverfahrens fortlaufend über den gleichen Kommunikationsweg und denselben Ansprechpartner zu laufen habe.

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II. Der Beschluss

Die Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 13.07.2022, VK 2 – 62 / 22) stellt als Ausgangspunkt der Überlegungen zunächst fest, dass die Antragstellerin die Unterlagen später erhielt als die anderen Bieter. Zuzustimmen sei der Antragstellerin auch, dass die Vergabestelle für die Kommunikation nach Zurückversetzung den E-Mail-Account hätte nutzen müssen, den die Antragstellerin im Rahmen des vorliegenden Vergabeverfahrens genutzt habe. Dementsprechend habe die Vergabestelle eine Mitursache für den späteren Erhalt der Unterlagen gesetzt.

Jedoch sei der tatsächlich von der Vergabestelle genutzte Account ein seitens der Antragstellerin freigeschalteter und aktiver Account auf der E-Vergabeplattform gewesen; es hätte wiederum der Antragstellerin oblegen, diesen auf der E-Vergabeplattform zu löschen. Dies insbesondere dann, wenn im Unternehmen niemand mehr Zugriff auf diesen Account hatte, weil der nach wie vor aktive Account einem ausgeschiedenen Mitarbeiter zugeordnet war.

Hinzu komme, dass sich die Vergabestelle laut Vergabeakte intensiv bemüht habe, die Antragstellerin bei der Wiederherstellung der Zugangsdaten zu dem nicht mehr zugänglichen Account zu unterstützen. Dies habe die Antragstellerin aber abgelehnt. Somit habe auch die Antragstellerin Ursachen für den späteren Erhalt der Vergabeunterlagen gesetzt. Denn sie habe um eine neue Einladung auf einem anderen Account gebeten, was das Ergreifen technischer Maßnahmen seitens der Vergabestelle im Rahmen der elektronischen Vergabe erforderlich machte und mitursächlich war für den verzögerten Erhalt der Vergabeunterlagen.

Abschließend verweist die Vergabekammer darauf, dass die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht zu kurze Angebotsfrist thematisiert habe, um unter Darlegung ihrer sachlichen Gründe eine längere Frist einzufordern. Im Gegenteil: Die Antragstellerin habe im Rahmen von Bieterfragen lediglich um deren zeitnahe Beantwortung gebeten – und dies mit Hinweis auf die eingeschränkte Bearbeitungszeit infolge der ursprünglichen Übermittlung an den Account, der unternehmensintern für die Antragstellerin nicht mehr zugänglich war.

III. Hinweise für die Praxis

Die von der Vergabekammer angesprochenen Besonderheiten des Falles verbieten eine einfache Schlussfolgerung. Dementsprechend darf der vorstehende Beschluss nicht so verstanden werden, dass der Bieter grundsätzlich allein und selbst schuld ist, wenn er in dem Fortbestehen eines Accounts die Ursache dafür setzt, dass eine E-Mail in einem „toten Briefkasten“ landet.

Klar ist aber, dass er eine Mitursache gesetzt hat. Vor diesem Hintergrund ist Vergabestellen anzuraten, grundsätzlich immer den von den Bietern in den betreffenden Vergabeverfahren hinterlegten Account zu nutzen.

Bieter sollten für das Löschen nicht mehr genutzter Accounts sorgen. Unabhängig davon stellt sich grundsätzlich die Frage, ob derart wichtige Kommunikation über personalisierte Accounts laufen sollte, wenn die eingesetzte E-Vergabeplattform die Nutzung eines Unternehmens-Accounts durch mehrere Mitarbeiter nicht unterstützt. Im Sinne der Erreichbarkeit sollten dann besser sogenannte funktionale, gegebenenfalls für mehrere Mitarbeiter zugängliche Organisations-Accounts mit entsprechenden E-Mail-Accounts (beispielsweise Vertrieb@…) verwendet werden. Dann erreicht die Nachricht den Bieter unabhängig von dem konkreten Mitarbeiter.

Von Praktikern, für Praktiker: Die cosinex Akademie

IV. Weitere Hinweise für Nutzer der cosinex Technologie

Mit der Registrierung auf einer E-Vergabeplattform auf Basis der cosinex Technologie wird ein Unternehmen in das umfangreiche Bieterverzeichnis aufgenommen. Dieses steht den öffentlichen Auftraggebern bei der Suche nach potenziellen Bietern insbesondere bei beschränkten Ausschreibungen oder freihändigen Vergaben zur Verfügung. Auch um von öffentlichen Auftraggebern bestmöglich gefunden zu werden, sollte jedes Unternehmen dort nur einmal registriert sein.

Unsere Vergabeplattformen unterstützen dies, indem bei der Registrierung algorithmisch geprüft wird, ob das entsprechende Unternehmen bereits einen Account hat. Da in Deutschland keine eindeutige Unternehmens-ID existiert und der Abfrage von Informationen bei der Registrierung auch vergaberechtliche Grenzen gesetzt sind, können Doppelregistrierungen dennoch nicht ausgeschlossen werden.

Zudem können für jeden Unternehmens-Account verschiedene Nutzer mit personalisierten Accounts angelegt werden, die auf alle Vergabeverfahren Zugriff erhalten, an denen teilgenommen wird.

Titelbild: A n v e s h auf Unsplash