Der aktuelle Bericht der Kommission zur Anwendung der Richtlinie über die Konzessionsvergabe weist auf Mängel bei der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten hin.
Die Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe sieht die Überwachung und Berichterstattung der Umsetzung in Artikel 53 vor. Konkret geht es um „die wirtschaftlichen Auswirkungen der Anwendung der Schwellenwerte des Artikels 8 auf den Binnenmarkt, insbesondere auf Faktoren wie die grenzüberschreitende Zuschlagserteilung und Transaktionskosten“. Besagter Schwellenwert liegt derzeit bei 5.186.000 €.
I. Datenlage und Erkenntnisse
Als Datenquellen für den Bericht dienten Tenders Electronic Daily (TED), von Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellte Informationen sowie eine von „London Economics Europe“ und „Spark Legal“ durchgeführte „Study on the implementation of the Concessions Directive“. Die Konzessionsrichtlinie erst seit 2020 in der gesamten EU angewendet wird (am 26.2.2020 wurde die Richtlinie vom letzten Mitgliedstaat umgesetzt), lägen allerdings nur spärliche Informationen vor, wie die Kommission mehrmals betont.
Vorbehaltlich dieser Datenlage kommt der Bericht zu folgenden wesentlichen Erkenntnissen:
- Der Gesamtwert der unter die Richtlinie fallenden Konzessionen, die zwischen 2016 und 2021 vergeben wurden, wird auf 377,5 Mrd. € geschätzt.
- Das entspricht 12 % am Wert des gesamten öffentlichen Beschaffungsmarkts, der den drei Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt.
- Auf Frankreich und Italien entfallen mehr als zwei Drittel des EU-Konzessionsmarkts. Zusammen mit Spanien und Deutschland haben diese Mitgliedstaaten einen Anteil von 85 % am Gesamtanstieg der Konzessionsvergabe im betreffenden Zeitraum.
- Die Branchen mit den meisten Konzessionsvergaben waren seit 2016
- Dienstleistungen des Hotel- und Gaststättengewerbes und des Einzelhandels,
- Dienstleistungen in den Bereichen Freizeit, Kultur und Sport sowie
- Bauarbeiten.
- Die Zahl der Konzessionsbekanntmachungen scheint doppelt so hoch zu sein wie die Zahl der Zuschlagsbekanntmachungen für Konzessionen. Diese zahlenmäßige Diskrepanz ist in allen Mitgliedstaaten zu sehen und kann unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass Konzessionen bekannt gemacht, aber letztlich nicht vergeben werden.
- Auffällig sei auch, dass mehr Konzessionsvergaben ohne vorherige Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung in TED erfolgen. Seit 2018 ist der Gesamtwert der ohne Veröffentlichung einer Konzessionsbekanntmachung vergebenen Konzessionen jedes Jahr höher gewesen als der Gesamtwert der nach Veröffentlichung der Konzessionsbekanntmachung vergebenen Konzessionen; 2021 beispielsweise 44 Mrd. EUR ohne Veröffentlichung gegenüber 37 Mrd. EUR mit Bekanntmachung.
- Die Zahl der an KMU vergebenen Konzessionen ist seit 2016 zwar erheblich– von 22,4 % im Jahr 2016 auf 31,6 % im Jahr 2021 – gestiegen, blieb aber vorwiegend von geringem Wert: Der Anteil der KMU schwankte zwischen 11,2 % im Jahr 2017 und 3,9 % im Jahr 2021.
II. Mangelhafte Rechtsanwendung
Die Kommission ist bestrebt, wie sie in dem Bericht erklärt, „eine frühzeitige Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften zu erreichen“, schätzt die derzeitige Umsetzungsqualität der Richtlinie also eher mangelhaft ein. Als konkrete Mängel werden genannt:
1. Uneinheitliche Handhabung des Konzessionsbegriffs
In der Praxis scheint der Begriff „Konzession“ in mitgliedstaatlichem Recht häufig für Branchen und Gegenstände verwendet zu werden, die über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen. Besonders auffällig sei, dass die meisten Mitgliedstaaten den Begriff „Konzession“ in ihren nationalen Gesetzen für andere Rechtsbegriffe verwenden, etwa für Genehmigungen oder Lizenzen.
2. Definition des Begriffs „Betriebsrisiko“
Gleiches gilt für den wesentlichen Begriff des Betriebsrisikos, dessen Vorliegen Konzessionsverträge von anderen Arten öffentlicher Aufträge unterscheidet. Die Begriffsbestimmung sei von nur vier Mitgliedstaaten mit demselben Wortlaut wie in der Richtlinie umgesetzt worden. Mehr als zwanzig Mitgliedstaaten haben den Begriff leicht abweichend von der Begriffsbestimmung in der Richtlinie umgesetzt, in den nationalen Gesetzen von zwei Mitgliedstaaten ist das Betriebsrisiko nicht erwähnt.
3. Änderungen von Konzessionsverträgen
Während der Vertragslaufzeit vorgenommene Vertragsänderungen (einschließlich rechtswidriger Vertragsverlängerungen und ‑änderungen ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb) sind dem Bericht zufolge eine der häufig genannten Ursachen einer mangelhaften Rechtsanwendung:
Einige Mitgliedstaaten haben Leitlinien zu Vertragsänderungen ausgearbeitet. Elf Mitgliedstaaten haben in ihr nationales Recht ausdrücklich die Anforderung aufgenommen, dass alle Änderungen der Genehmigung durch eine andere Behörde als die für den ursprünglichen Vertrag verantwortliche Behörde bedürfen.
4. Abgrenzung von anderen öffentlich-privaten Partnerschaften
In der Richtlinie wird klargestellt, in welchen Fällen ein zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossener Vertrag nicht den Konzessionsvergabevorschriften unterliegt. Dies richtet sich nach den vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Grundsätzen, da es im Unionsrecht keine Vorschriften gibt, in denen der Begriff „öffentlich-private Partnerschaft“ definiert und geregelt wäre.
Auch hier haben die Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansätze gewählt. Einige nationale Rechtsrahmen enthalten spezifische Vorschriften darüber, inwiefern öffentlich-private Partnerschaften den Vorschriften für Konzessionen unterliegen, während es in anderen Mitgliedstaaten schon auf nationaler Ebene unterschiedliche Definitionen des Begriffs „öffentlich-private Partner“ gibt.
III. Ursachen einer mangelhaften Anwendung
Der Bericht geht auch auf Ursachen dieser Mängel ein. Grundlage dafür waren offenbar Meldungen der Mitgliedsstaaten selbst. Demnach seien die häufigsten Ursachen für mangelhafte Anwendung oder Rechtsunsicherheit
- unzureichende Fähigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens,
- Vertragsänderungen während der Vertragslaufzeit,
- die Berechnung des geschätzten Auftragswerts und
- die nicht sachgerechte Aufteilung in Lose.
Was die praktische Anwendung der Vorschriften angeht, melden die Mitgliedstaaten
Schwierigkeiten mit der Auslegung und Prüfung der Ausschlussgründe, mit der Formulierung von abgesehen vom Preis relevanten Zuschlagskriterien einschließlich der an strategische Ziele anknüpfenden Kriterien, mit Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung, mit der Einstufung von Verträgen als öffentliche Aufträge oder Konzessionen sowie im Hinblick auf die Transparenz.
IV. Bessere Daten dank eForms und PPDS
In einem Ausblick widmet sich die Kommission der Schaffung einer besseren Datenlage. Hier sollen eForms eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie der Datenraum für das öffentliche Auftragswesen, durch den verschiedene Datenquellen in Europa und den Mitgliedsstaaten miteinander verbunden werden sollen.
Auch die „Public Buyers Community“ wird als Instrument erwähnt. Hier könnten öffentliche Auftraggeber „Wissen und bewährte Verfahren EU-weit austauschen anstatt jeder für sich an komplexen Fragen zu arbeiten“.
Quelle
Den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Richtlinie 2014/23/EU über die Konzessionsvergabe und über die Auswirkungen der Ausschlüsse nach Artikel 12 auf den Binnenmarkt können Sie hier lesen.
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Titelbild: Guillaume Périgois – Unsplash